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Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Benutzung von Zwischenarchivgut

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Titel: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Benutzung von Zwischenarchivgut
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Entstehungsdatum: 2001
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Quelle: Scan eines neutralisierten Urteilsabdrucks auf Commons
Kurzbeschreibung: Urteil in einem Prozess gegen das Universitätsarchiv Rostock über Benutzung von Zwischenarchivgut
Siehe auch Archivrecht
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[1]

Urteil des Oberverwaltunsgerichts Mecklenburg-Vorpommern


Ausfertigung

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern


Az.: 1 L 1/00
     2 A 3508/96 VG Schwerin

Verkündet am: 16. Mai 2001

Günter, Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle



IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL


In der Verwaltungsstreitsache

[...]

– Kläger/Berufungsbeklagter –


gegen


Universität Rostock,
vertreten durch den Rektor,
prozeßbevollmächtigt: RR z.A. Volle,
Universitätsplatz 1,
18055 Rostock

– Beklagte/Berufungsklägerin –


wegen
Datenschutzrecht
hier: Einsicht in Unterlagen


[2] hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der mündlichen Verhandlung


am 16. Mai 2001
in Greifswald


durch
die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts Kohl,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Aussprung,
die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Weber,
die ehrenamtliche Richterin Raddatz und
den ehrenamtlichen Richter Ruhnau


für Recht erkannt:


Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 13. Oktober 1999 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenansspruch vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand:

Der Kläger ist dänischer Journalist und Autor. Unter dem 05. August 1996 beantragte er die Einsichtnahme in die von Lehrkräften der Universität Rostock angefertigten ”Reiseberichte“ über die Teilnahme an wissenschaftlichen Tagungen und Kongressen insbesondere in den 70’er und 80’er Jahren, weil er zusammen mit einer Kollegin weitere Bücher über die Beziehungen DDR-Dänemark plane. Sie hätten bereits ein Buch ”Stasi und Dänemark“ herausgegeben.

[3] Mit Bescheid der Justitiarin der Beklagten vom 14. Oktober 1996 wurde das Anliegen des Antragstellers abschlägig beschieden. Zwar werde der Wunsch anerkannt, als Journalist und Autor an der Aufarbeitung der Vergangenheit der DDR, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zu Dänemark, mitzuwirken. Jedoch könne dem Antrag auf Einsichtnahme aufgrund der derzeitigen datenschutzrechtlichen Gesetzeslage nicht entsprochen werden. Das Landesdatenschutzgesetz enthalte, um die Erhaltung der maßgeblichen Datenbestände gerade auch im Interesse der geschichtlichen Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zu sichern, in §§ 34 ff. spezielle Regelungen zum Umgang mit derartigen personenbezogenen Daten ehemaliger DDR-Einrichtungen. Die Berichte des ehemaligen Direktorates für Internationale Beziehungen würden, da sie zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung der Universität nicht als erforderlich anzusehen seien, nur als Zwischenarchivgut verwahrt und seien derzeit gesperrt. Die Nutzung der Akten bleibe den Regelungen eines noch in Arbeit befindlichen Landesarchivgesetzes vorbehalten. Dessen Erlaß sei am besten abzuwarten.

Hiergegen legte der Kläger am 07. November 1996 Widerspruch mit der Begründung ein, die Entscheidung entbehre jeder rechtlichen Grundlage; es gehe um die Einsicht in Sachberichte, nämlich die Reise- und Aufenthaltsberichte des Direktorates für Internationale Beziehungen.

Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07. November 1996, abgesandt am 13. November 1996, unter vertiefender Bezugnahme auf Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes zurückgewiesen. Künftig solle die Einsicht in solche Unterlagen durch ein Landesarchivgesetz geregelt werden; derzeit fehle noch die Rechtsgrundlage für den Umgang mit solchen Daten.

Am 05. Dezember 1996 erhob der Kläger Klage mit der Begründung, das Auslandsamt der Beklagten habe ihm im Sommer 1996 anstandslos eine Reihe von Sachberichten aus 1988/89 ausgehändigt. Das [4] Universitätsarchiv Greifswald habe ihm vergleichbare Unterlagen als Sachberichte in vollem Umfang zur Einsicht zur Verfügung gestellt.

Der Kläger beantragte sinngemäß,

die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 14. Oktober und 07. November 1996 auf den Antrag vom 05. August 1996 hin Einsicht in die Sachunterlagen des ehemaligen Direktorates für Internationale Beziehungen zu gewähren, soweit sie dem Universitätsarchiv übergeben worden sind und sie die Beziehungen zwischen der Universität Rostock und dänischen Universitäten betreffen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verwies sie zunächst auf die bereits im Widerspruchsbescheid dargelegte Argumentation aus datenschutzrechtlichen Gründen; das Material lagere jetzt in Umzugskartons bzw. in Stapeln als Zwischenarchivgut in einer Außenstelle des Archivs und sei noch nicht erschlossen. Dem Kläger könnten lediglich bereits archivierte Berichte aus den Jahren vor 1966 zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden. Daß dem Kläger 1996 versehentlich durch eine – nicht zur Entscheidung befugte – Mitarbeiterin in den Räumen des Akademischen Auslandsamtes, dessen Vorgänger das ehemalige Direktorat für Internationale Beziehungen gewesen sei, zu Unrecht Einsicht in bestimmte Unterlagen gewährt worden sei, vermittle ihm keinen Anspruch auf weitergehende Einsichtnahme. Auch wenn die betreffenden Unterlagen als Archivgut i.S.d. nunmehr in Kraft befindlichen, Landesarchivgesetzes – LArchivG – qualifiziert würden – das allerdings die Benutzung eines Universitätsarchivs nicht regele – könne eine Einsichtnahme nicht gewährt werden. Ebensowenig könne dem Anliegen des Klägers im Hinblick auf die am 01. April 1998 in Kraft getretenen Regelungen der Benutzungsordnung – BenutzungsO – des Universitätsarchivs und der Archivordnung [5] – ArchivO – der Universität Rostock entsprochen werden. Darin werde nur die Benutzung von Archivgut, nicht von Zwischenarchivgut geregelt. Jedenfalls aber würde hier § 6 Ziff. 4 und 5 der Benutzungsordnung eingreifen, weil der Erhaltungszustand der Akten insofern gefährdet wäre, als mangels fachgerechter Archivierung die Integrität und Vollständigkeit der Akten schwerlich überprüfbar wäre. Der durch die Nutzung entstehende Verwaltungsaufwand wäre außerdem immens. Ein Vergleich mit Greifswald sei schon deswegen unzulässig, weil dort im Universitätsarchiv die Verzeichnung der Aufenthalts- und Reiseberichte bereits erfolgt sei. Jedenfalls trete keine Bindungswirkung ein.

Mit Urteil vom 13. Oktober 1999, der Beklagten zugestellt am 20. Dezember 1999, hob das Verwaltungsgericht Schwerin die Bescheide vom 14. Oktober und 07. November 1996 auf und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger Einsicht in die Sachunterlagen des ehemaligen Direktorates für Internationale Beziehungen zu gewähren, soweit sie dem Universitätsarchiv übergeben worden sind und sie die Beziehungen zwischen der Universität Rostock und dänischen Universitäten betreffen. Der Kläger habe aus § 2 der Benutzungsordnung i.V.m. § 4 der Archivordnung der Beklagten einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Unterlagen des ehemaligen Direktorates für Internationale Beziehungen. Er habe das erforderliche berechtigte Interesse i.S.d. § 2 Satz 1 BenutzungsO glaubhaft gemacht, weil es sich bei seinem Vorhaben um eine wissenschaftliche, jedenfalls aber wohl heimatgeschichtliche Arbeit handele. Die Unterlagen seien Archivgut, für das die Sperrfristen abgelaufen seien, nicht lediglich Zwischenarchivgut. Dem Universitätsarchiv seien die Unterlagen des ehemaligen Direktorates für Internationale Beziehungen etwa 1996 im Zusammenhang mit Umbaumaßnahmen im Bereich des Akademischen Auslandsamtes – auf Dauer angelegt – übergeben worden. Hierin liege eine Übernahme i.S.d. § 2 ArchivO i.V.m. § 7 Abs. 1 und 2 LArchivG spätestens im Laufe des Jahres 1998. Damit sei gleichzeitig die Feststellung der Archivwürdigkeit verbunden. Obwohl die Archivierung noch nicht erfolgt sei, handele es sich um Archivgut mit der Folge, daß Einsicht zu gewähren sei. Es dürfe nicht dem Archiv allein die Entscheidung obliegen, welche [6] Materialien tatsächlich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen seien, indem es auf die – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht erfolgte Archivierung verweise. Die Sperrfristen betrügen, da es sich nicht um personenbezogene Unterlagen i.S.d. Definition in § 3 Abs. 4 LArchivG handele, nach § 8 Abs. 1 BenutzungsO 10 Jahre; diese Frist sei im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für alle vom Kläger benannten Unterlagen abgelaufen gewesen. Darauf, daß bei der Benutzung durch den Kläger ein unverhältnismäßiger Aufwand i.S.d. § 6 BenutzungsO entstehe, könne sich die Beklagte nicht berufen. Ursache hierfür sei nicht das Einsichtsbegehren des Klägers, sondern allein der Umstand, daß das Material noch nicht aufgearbeitet sei. Allerdings sei – ohne daß dies im Tenor der Entscheidung zum Ausdruck komme – der Beklagten eine angemessene Zeit zur Aufarbeitung einzuräumen; dies betreffe aber nicht den Anspruch an sich, sondern allein die Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung.

Auf den von der Beklagten am 23. Dezember 1999 und damit fristgerecht gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung hin hat der Senat mit Beschluß vom 26. April 2000 die Berufung zugelassen.

Zu deren Begründung macht die Beklagte insbesondere geltend, daß die Kammer zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß es sich bei den fraglichen Unterlagen um Archivgut handele. Verwaltungsakten könnten nicht dadurch Archivgut i.S.d. Landesarchivgesetztes bzw. der Benutzungsordnung werden, daß sie in den Gewahrsam des Archivs übergeben würden. Die § 13 LArchivG – das nicht einmal unmittelbar einschlägig sei – gegebene Auslegung sei fehlerhaft. Für eine Übernahme i.S.d. einschlägigen Bestimmungen reiche entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die tatsächliche Ingewahrsamnahme der Unterlagen nicht aus, entscheidend sei vielmehr die Überprüfung der Archivwürdigkeit der angebotenen Unterlagen. Diese habe hier nicht stattgefunden. Es seien keineswegs alle im Universitätsarchiv verwahrten, noch nicht archivierten Unterlagen der Benutzung durch die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Benutzungsbeschränkung des § 6 Abs. 5 BenutzungsO sei wegen des mit der Nutzung notwendig verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwands [7] ebenfalls einschlägig. Der vorliegende Fall sei typisch für die Situation zahlreicher kleiner Archive, insbesondere auch im kommunalen Bereich. Keineswegs habe sie die Absicht, in irgendeiner Weise die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zu verhindern. Zweifelhaft sei ferner, ob der Kläger tatsächlich ein berechtigtes Interesse an der Archivnutzung glaubhaft gemacht habe. Der Kläger beabsichtige offenbar – wie seinen schriftlichen Anträgen und mündlichen Äußerungen zu entnehmen sei –, den streitbefangenen Berichten die Namen derjenigen Hochschullehrer zu entnehmen, die seinerzeit hätten Auslandsreisen unternehmen dürfen, und diese – als vermutliche Stasi-Zuträger – mit den Unterlagen des Beauftragten für die Stasi-Unterlagen abzugleichen und dann gegebenenfalls betroffene Hochschullehrer als belastet darzustellen. Diesen Zweck könne der Kläger schon deswegen nicht erreichen, weil im Falle seines Obsiegens alle Personennamen aus Gründen des Datenschutzes unleserlich gemacht würden. Danach sei auch zu bezweifeln, ob es sich um ein wissenschaftliches oder heimatgeschichtliches Interesse handele.


Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 13. Oktober 1999 die Klage abzuweisen.


Der Kläger hat sich weder im Zulassungs- noch im Berufungsverfahren geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte (1 gehefteter Vorgang) verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.


Entscheidüngsgründe:

Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 13. Oktober 1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.

[8] Dabei geht der Senat von einem fortbestehenden Interesse des Klägers an der begehrten Einsichtnahme aus, obwohl dieser sich weder im Beschwerde- noch im Berufungsverfahren geäußert und insbesondere auch sein Interesse am Umfang und an der Präzisierung der von ihm zur Einsicht gewünschten Unterlagen nicht weiter beschrieben hat.

Ein Anspruch des Klägers auf Einsichtnahme in die benannten Unterlagen der Universität Rostock bestand und besteht auch derzeit (noch) nicht. Für die Beurteilung der Rechtslage maßgeblich ist dabei, da es sich um eine Verpflichtungsklage handelt, grundsätzlich die zum Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung bestehende Rechtslage. Etwas anderes könnte möglicherweise dann gelten, wenn der Kläger aufgrund eines inzwischen aufgehobenen oder abgeänderten Gesetzes einen Anspruch auf die begehrte Maßnahme gehabt hätte (vgl. hierzu Redeker/v.Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000, § 108 Rdn. 23); ändert sich während eines gerichtlichen Verfahrens die Rechtslage, so ist auf Grund dieser Änderung zu entscheiden, ob das neue Recht einen durch das alte Recht begründeten Anspruch beseitigt, verändert oder unberührt läßt (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 113 Rdn. 45 a.E. m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

Ein generelles Recht auf Einsicht in beliebige Verwaltungsvorgänge von Behörden in Mecklenburg-Vorpommern besteht nicht; insbesondere kann ein solches nicht aus Art. 6 Verf M-V hergeleitet werden. Das Auskunftsrecht des Art. 6 Abs. 2 Verf M-V bezieht sich nur auf die die eigene Person betreffenden Daten, das Informationszugangsrecht aus Art. 6 Abs. 3 Verf M-V bezieht sich nur auf Informationen über die Umwelt, die bei der öffentlichen Verwaltung vorhanden sind. Daher bedürfte es für das geltend gemachte Einsichtsrecht einer speziellen positiven Rechtsgrundlage, wobei zusätzlich – sofern personenbezogene Daten Dritter betroffen sind – Art. 6 Abs. 1 Verf M-V zu beachten ist. Allein der Umstand, daß sich der Kläger der Aufklärung von Kontakten einer bestimmten Institution der DDR zu vergleichbaren Institutionen in einem anderen europäischen Land [9] und der Untersuchung der Erkenntnisse eines bestimmten Personenkreises dieser Institution über einen bestimmten Zeitraum vor der Wende widmen will, kann losgelöst von der Rechtslage einen Anspruch auf Einsicht in Unterlagen jedenfalls nicht begründen.

Ein Anspruch des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus der Benutzungsordnung und Archivordnung der Beklagten, beide vom Ol. April 1998, i.V.m. Vorschriften des nach der Entscheidung über den Widerspruch in Kraft getretenen Landesarchivgesetzes vom 07. Juli 1997 (GVOBl. S. 282) und des Landesdatenschutzgesetzes vom 24. Juli 1992 (GVOBl. S. 487) in der Fassung des Gesetzes vom 07. Juli 1997 (GVOBl. S. 282).

In erster Linie ist auf die von der Beklagten erlassenen Vorschriften abzustellen, zu deren Verständnis und Auslegung das Landesarchivgesetz M-V heranzuziehen ist. Nach § 13 LArchivG M-V regeln nämlich die staatlichen Hochschulen und die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden selbstverwaltungsberechtigten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts die Archivierung der bei ihnen entstandenen Unterlagen in eigener Zuständigkeit und Verantwortung nach archivfachlichen Gesichtspunkten im Sinne dieses Gesetzes, wobei § 12 Abs. 1 Satz 3 und Absatz 2 bis 4 entsprechend gelten. Daraus folgt, daß die Regelungen über die ”Archivierung“ die ”Übernahme, Sicherung, Erschließung und Nutzung des Archivgutes“ erfassen.

In Umsetzung dieser Vorgaben hat die Beklagte am 01. April 1998 sowohl eine Archivordnung als auch eine Benutzungsordnung für ihr Universitätsarchiv erlassen.

Auch wenn man davon ausginge, daß das Vorhaben des Klägers sich in dem von § 1 BenutzungsO beschriebenen Aufgabenrahmen bewegte und sein journalistisches Interesse als ein berechtigtes i.S.d. § 2 BenutzungsO anzuerkennen wäre – die Vorschrift nennt insbesondere rechtliche, wissenschaftliche oder heimat- und familiengeschichtliche –, setzte ein Anspruch auf Einsichtnahme in das begehrte [10] Material jedenfalls voraus, daß dieses bereits Teil des Bestandes des Universitätsarchivs und damit ”Archivgut“ geworden ist.

Dies ist vorliegend (noch) nicht der Fall, weil ein spezifischer Akt der ”Übernahme“ der fraglichen Unterlagen als archivwürdig nicht stattgefunden hat (§ 1 Abs. 2, 4 u. 5 ArchivO, § 2 Abs. 2 LArchivG M-V). Daß dieser ”Übernahme“ ein gewisser förmlicher Charakter innewohnt und es sich um eine gewollte Auswahl des angebotenen Materials handeln muß, ist sämtlichen archivrechtlichen Regelungen zu entnehmen (vgl. z. B. § 7 LArchivG, § 2 Abs. 2 ArchivO). Solche förmlichen Übernahmeentscheidungen sahen übrigens auch die einschlägigen Vorschriften der DDR vor (vgl. z.B. § 2 Abs. 1, 14 Abs. 2 der Verordnung über das staatliche Archivwesen vom 11.03.1976, GBl. S. 165). Soweit die Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über das staatliche Archivwesen – Benutzungsordnung – der DDR vom 16. März 1990 (GBl. S. 193) grundsätzlich die Möglichkeit vorsah, daß auch für die Benutzung des dienstlichen Schriftguts in den Verwaltungsarchiven von deren Leiter eine Benutzungserlaubnis zu politischen, wissenschaftlichen, ökonomischen, rechtlichen oder persönlichen Zwecken auf Antrag eine Erlaubnis erteilt werden konnte, ist diese Regelung durch Art. 3 Abs. 2 Nr. 3 des Landesarchivgesetzes 1997 ausdrücklich aufgehoben worden, ohne daß Übergangsvorschriften für eventuell zuvor begründete, aber noch nicht realisierte Nutzungsansprüche vorgesehen worden wären. Danach kann offenbleiben, ob diese Benutzungsordnung in Verbindung mit der Verordnung über das staatliche Archivwesen auf den vorliegenden Sachverhalt hätte Anwendung finden können.

Mangels ausdrücklicher Übernahmeentscheidung kann es sich hier höchstens um ”Zwischenarchivgut“ i.S.d. – hier nicht unmittelbar anwendbaren – § 2 Abs. 4 LArchivG M-V handeln, also um Unterlagen die von einem öffentlichen Archiv vorläufig übernommen sind, aus denen aber das Archivgut gerade noch nicht ausgewählt ist.

Auf solches Zwischenarchivgut kann sich der in der Benutzungsordnung der Beklagten gewährte Nutzungsanspruch nach Auffassung des [11] Senates nicht beziehen; er gilt vielmehr nur für solche Unterlagen im Besitz eines Archivs, die bereits Archivgut geworden sind. Hierfür spricht auch die eindeutige Regelung in § 9 Abs. 1 LArchivG M-V.

Andernfalls hätte es der Benutzer, der einen Einsichtanspruch in noch nicht übernommene Unterlagen anmeldet, entweder in der Hand, Unterlagen einsehen zu können, die auf ihre Archivwürdigkeit – und damit öffentliche Zugänglichkeit – noch nicht geprüft sind und bei denen auch noch nicht überprüft ist, inwieweit schutzwürdige Interessen Dritter im Spiel sind; dies käme dann doch einem allgemeinen Akteneinsichtsrecht gleich. Oder er könnte der Archivbehörde die Reihenfolge der Bearbeitung der ihr zur Übernahme angebotenen Unterlagen aufzwingen, weil davon auszugehen ist, daß jedenfalls ungeprüft Material nicht herausgegeben werden darf. Auf letzteres liefe im Ergebnis die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinaus.

Da schon grundsätzlich ein Anspruch auf Einsichtnahme in die begehrten Unterlagen zu versagen ist, kann dahinstehen, welche Maßnahmen zu treffen wären, um gegebenenfalls die Rechte Dritter in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorschriften angemessen zu wahren (z.B. Schwärzen von Namen aus datenschutzrechtlichen Gründen).

Daraus, daß ihm 1996 von der entsprechenden Stelle der Universitätsverwaltung (Auslandsamt) – nicht Universitätsarchiv – unmittelbar die Einsicht in ungeschwärzte Unterlagen aus den Jahren 1988/89 ermöglicht wurde und er sogar Kopien anfertigen konnte, kann der Kläger keinen Anspruch darauf herleiten, daß an einer solchen, mit den nunmehr geltenden Vorschriften nicht zu vereinbarenden, Praxis weiter festgehalten wird. Dies gilt unabhängig davon, ob seinerzeit eine Anspruchsgrundlage hätte erkennbar sein können und ob überhaupt eine im Innenverhältnis zu einer solchen Entscheidung befugte Mitarbeiterin tätig geworden ist. Ebensowenig konnte die Beklagte durch das Verhalten der Universität Greifswald präjudiziert werden, abgesehen davon, daß die beiden Situationen nicht vergleichbar sind, weil in Greifswald die entsprechenden [12] Unterlagen offenbar schon auf ihre Archivwürdigkeit hin geprüft und somit förmlich archiviert werden konnten.

Der Kläger muß sich somit darauf verweisen lassen, sein Einsichtsbegehren dann erneut geltend zu machen, wenn die Beklagte die entsprechenden Unterlagen tatsächlich archiviert hat. Nach den in der mündlichen Verhandlung gemachten Aussagen könnte dies Ende dieses Jahres der Fall sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).


Rechtsmittelbelehrung:

Die Nichtzulassung der Revision kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim

Oberverwaltungsgericht
Mecklenburg-Vorpommern,
Domstraße 7,
17489 Greifswald,

durch Beschwerde schriftlich angefochten werden. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht muß sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten [13] lassen. Das gilt auch für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.


Kohl 

Ausprung 

Dr. Weber


Ausgefertigt

Greifswald, den......19 JUNI 2001

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle



Anmerkungen (Wikisource)

Die Entscheidung der Vorinstanz (Verwaltungsgericht Schwerin, Urteil 2A 3508/96 vom 13. Oktober 1999) liegt gescannt auf Commons vor.