Omer Pascha

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Titel: Omer Pascha
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 488–489
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Omer Pascha.

Zu den Männern, welche aus den Wogen der Zeitgeschichte hoch empor getaucht sind, gehört Omer Pascha, der gegenwärtige Oberbefehlshaber der türkischen Truppen in Bulgarien. Große Thaten sind es jedoch bis jetzt gerade nicht, die ihn zu einem der Helden der Tagesgeschichte gemacht haben, sondern nur die Laune des Zufalls und die Hoffnungen der Osmanen auf seine militärischen Talente, über die wir indeß noch nicht endgültig urtheilen können.

Omer Pascha, dessen christlicher Name Lattas ist, wurde im Jahre 1811 zu Plaski in der kroatischen Militärgrenze geboren. Schon in früher Jugend kam er in die mathematische Schule zu Thurm bei Karlstadt, trat später in ein Grenzregiment und fand, da er eine sehr schöne Hand schrieb, hauptsächlich im Verwaltungswesen Verwendung. Unlust an seiner Beschäftigung ließ ihn dieselbe vernachlässigen, so daß er um einer ihm deshalb drohenden Strafe zu entgehen, im Jahre 1833 aus Oesterreich nach der Türkei floh. Hier fand er anfangs bei einem türkischen Kaufmann als Contorist Verwendung und avancirte, als er später den mohamedanischen Glauben angenommen, zum Hauslehrer. In dieser Eigenschaft kam er auch nach Konstantinopel und erhielt daselbst binnen Kurzem in einer militärischen Lehranstalt die Stelle eines Schreiblehrers. In der Türkei ist eine schöne Handschrift ganz besonders hoch geschätzt und der gegenwärtige Oberbefehlshaber der türkischen Armee leistete mit der Feder so Vorzügliches, daß er nach kurzer Zeit mit dem Range eines Jüz-Baschi (Capitän) von dem verstorbenen Sultan Mahmud zum Schreiblehrer des jetzt regierenden Sultans Abdul-Medjid erhoben wurde.

Als der jetzige Sultan den Säbel des Padischah umgürtete, hatte der ehemalige Schreiblehrer bereits den Rang eines Obersten erreicht, und von nun an sehen wir ihn statt der Feder nur das Schwert führen. So machte er 1840 den Feldzug in Syrien mit, bekämpfte zwei Jahre später die Christen des Libanon, wo er sich schon durch seine Härte das Mißfallen der christlichen Großmächte zuzog, und half 1843 den Aufstand in Albanien bezwingen. Die einige Jahre später erfolgte Besiegung der Kurden war hauptsächlich sein Werk, wie wir ihn denn auch im Jahre 1848 als Unterdrücker des in den Donaufürstenthümern ausgebrochenen Aufstandes sehen, der ihm zur Beschießung der Kaserne von Bukarest Veranlassung gab. Seine der Pforte geleisteten zahlreichen Dienste zogen ihm um diese Zeit die Erhebung zum Muchir (Feldmarschall) zu, womit er den höchsten Grad in der türkischen Armee erreichte. Die Jahre 1850 und 51 brachte Omer Pascha damit zu, den in Bosnien und der Herzogowina ausgebrochenen Aufruhr zu dämpfen, mehr noch aber wurde sein Name von der Zeit an genannt, wo er die blutige Expedition gegen Montenegro befehligte. Die Vorstellungen Oesterreichts machten damals den Kriegsthaten Omer Pascha’s ein rasches Ende, bis die gleich darauf folgenden Verwicklungen mit den Russen ihn auf’s Neue an die Spitze einer Armee riefen, wie er sie noch nie unter seinen Befehlen gehabt.

Omer Pascha ist von stattlichem Wuchse und ausdrucksvoller Physiognomie. Er spricht gleich gut türkisch, kroatisch, deutsch und italienisch, und hat sich in hohem Grade die Liebe der Soldaten zu erwerben gewußt, mit denen er sich nach Art Cäsar’s, Napoleon’s und anderer großer Heerführer, häufig in Unterhaltungen einläßt, sie in ihren Zelten besucht, ihre Speisen kostet und nach ihren Bedürfnissen fragt. Auch nennt er die Soldaten gern bei Namen, wie andere große Generäle gethan. Trotzdem hält er auf strenge Ordnung und Disciplin, und zeichnet sich vor den übrigen türkischen Generälen hauptsächlich durch seine [489] dem so wichtigen militärischen Verwaltungswesen gewidmete Sorgfalt aus. In den von ihm mehrfach ausgeführten Expeditionen, so noch in Montenegro, ist er häufig der Grausamkeit geziehen worden, was jedoch wohl die in jenen Ländern herrschenden halb barbarischen Zustände und Sitten mit sich bringen mögen.

Omer Pascha.

Zur Stunde gilt Omer Pascha, und das mit Recht, für den tüchtigsten Heerführer der Türken, und unbestreitbar ist es auch, daß er hohe militärische Befähigungen entwickelt hat. Was er gegen europäische Taktik zu leisten vermag, lehrt vielleicht die nächste Zeit. Die ihm mehrmals angebotenen Stellen als Gouverneur, Gesandter und Minister schlug Omer Pascha stets beharrlich aus; er will nur der Armee angehören. Hieraus und aus dem Umstande, daß er mit vielen der polnischen und ungarischen Flüchtlinge auf vertrautem Fuße steht, hat man bisweilen schließen wollen, der Renegat dürfe einmal bei günstiger Gelegenheit seine Waffen gegen den Sultan selbst kehren. Andere halten den Pascha für zu klug zu so gewagtem Spiel, und bis jetzt hat auch der Sultan noch keinen Grund, an der Treue und Ergebenheit eines Mannes zu zweifeln, den die Osmanen als eine ihrer mächtigsten Stützen im Kampfe gegen Rußland betrachten und auf den die Augen der ganzen civilisirten Welt voller Spannung gerichtet sind.