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Palmyra (Thadmor)

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LXXXVI. Wisbaden: der neue Kursaal Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band (1835) von Joseph Meyer
LXXXVII. Palmyra (Thadmor)
LXXXVIII. Oporto
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RUINEN VON PALMYRA (THADMOR) in der WÜSTE
in Syrien

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LXXXVII. Palmyra (Thadmor).




Zwischen dem Euphrat und den Gebirgen Palästina’s dehnt sich eine Steppe aus, mehre hundert Geviertmeilen groß. Sie reicht im Norden bis in die Gegend von Aleppo, südwärts an die Marken Arabiens. Verbrennender Sand deckt sie seit Jahrtausenden und Kultur und Ackerbau sind bis auf die letzten Spuren aus ihr geflohen. Reißende Thiere, einige Gazellenarten und ein Paar nicht zahlreiche Stämme wandernder, raubsüchtiger Araber sind die einzigen Wesen der organischen Schöpfung, welche sie bewohnen.

Inmitten dieser, der syrischen Wüste, 5 Tagereisen von Haleb und fast eben so weit von Damask, erheben sich in stiller, trauriger Majestät die Trümmer von Palmyra. Das Alterthum hat nichts hinterlassen, der Bewunderung so würdig, als diese Ruinen.

Man denke sich auf einem Raume von 5 Stunden im Umfange den Anblick von mehr als 3000 großen aufrechtstehenden Säulen, alle von blendend weißem Marmor, die sich theils in Gruppen, theils in symmetrischen Reihen, Alleen ähnlich, in das röthliche Grau der Wüste verlieren. An vielen ist der obere Theil abgebrochen; die meisten aber sind unversehrt und zum Theil tragen sie noch Gebälke und Gesimse und bilden hohe Portiken und prächtige Hallen. Zwischen ihnen ziehen ungestalte Hügel von Schutt hin, bedeckt von tiefem Sande, aus welchem Mauerwerk und unzählige Ueberreste von Gesimsen, Balken, Kapitälern, Postamenten, von Bildwerken und Ornamenten aller Art, von dem nämlichen kostbaren Gestein und von auserlesener Arbeit, hervorragen. Grabmäler in den verschiedensten Formen, halb eingesunken, oder verfallen, umgeben in einem weiten Halbkreise die höhern Trümmer der eigentlichen Stadt.

Vergeblich suchen wir in der Geschichte einen fortlaufenden Faden durch die labyrinthischen Geschicke dieses räthselvollen Orts, der einst der Sitz war unermeßlichen Reichthums, der Kunst und des Wissens, der Mittelpunkt für den Handel eines halben Erdtheils. – Thadmor nennt ihn die Bibel, die Palmenstadt in der Wüste, welche Salomo erbaute. Noch heutigen Tages nennen ihn die Araber Thamar oder Thadmor, was Römer und Griechen in Palmyra übersetzten. Salomo lebte 1000 Jahre vor Christus; Palmyra ward also vor 2800 Jahren gegründet. Ein halbes Jahrtausend später eroberte und zerstörte es Nebukadnezar. Spuren von Bauwerken aus dieser frühesten Periode, am altegyptischen[WS 1] Style kenntlich, sieht man noch jetzt.

Nach der Zerstörung durch die Assyrer ist Palmyra wahrscheinlich durch Tyrische Kolonisten, welche den Vortheil seiner Lage als Zwischenmarkt für den Verkehr mit Indien und den Ländern des Euphrat erkannten, wieder aufgebaut und bevölkert worden. Durch einen Zeitraum von 450 Jahren läßt uns die Weltgeschichte über seine [100] Schicksale nun gänzlich im Dunkeln. Erst zur Römerzeit, hundert Jahre vor Christus, erwähnt sie Thadmors von neuem. Wir erfahren, daß Marcus Antonius, der römische Feldherr, es einnahm und plünderte, zur Züchtigung, daß es den Parthern Beistand geleistet, gegen welche die Republik damals Krieg führte. Wegen seines Reichthums, sagt ein gleichzeitiger Schriftsteller, zog der römische, beutesüchtige Soldat zu seiner Belagerung wie zu einem Feste aus; aber die Erwartungen desselben wurden getäuscht; denn die Einwohner flüchteten frühzeitig mit ihren Schätzen in das Innere der Wüste und über den Euphrat, und das Römerheer fand die Stadt leer und verlassen.

Nach dieser zweiten Katastrophe hören wir nichts von der Metropole der Wüste bis um das Jahr 300 unserer Zeitrechnung. Da zeigt sie sich wieder, in Glanz und Herrlichkeit strahlend, und Palmyra und seine gewählte Königin, die heldenmüthige Zenobia, werden während der Regierung des Gallienus und Aurelian zu hervorragenden Gestalten in der Geschichte des Weltreichs. So hoch war der Sinn für die Erhaltung der Unabhängigkeit in dieser Stadt, so groß war auch das Gefühl ihrer Macht geworden, daß, als Rom Unterwerfung forderte, sie diesem allgewaltigen Riesen den Fehdehandschuh zum Kampf um Leben und Daseyn hinwarf. In diesem Heldenstreite, an Großthaten reicher als der Karthago’s, unterlag Palmyra nach langem Ringen. Aurelian eroberte es mit stürmender Hand, rottete seine Vertheidiger aus, gab es seinen Legionen zur Plünderung, dann den Flammen hin und machte seine Mauern der Erde gleich: die gefangene Zenobia aber führte er im Triumph nach Rom.

Palmyra erstand nach diesem Falle nicht wieder! Zwar überkam den Kaiser später die Reue über das vandalische Zerstören der herrlichsten Stadt der Erde, und er erließ ein Edikt, durch das er den Aufbau und die Wiederbevölkerung derselben befahl; aber Zerstören ist leichter als Wiederaufbauen. Statt der ausgetilgten Bewohner, deren Kunstfleiß und Handel, Reichthum und Gemeingeist alles Große und Bewundernswürdige in Thadmor geschaffen hatten, kam zur Neuansiedelung Gesindel her aus allerhand Volk, besonders viele vertriebene Hebräer, die, statt wieder aufzubauen, durch den Verkauf der aus dem Schutt hervorgesuchten Kunstwerke, Ornamente etc. in die benachbarten Städte, das Werk der Zerstörung von Jahr zu Jahr immer mehr vollendeten. Ihren gänzlichen Untergang beschleunigte der Verfall von Roms Macht in diesen Gegenden, welcher bald darauf eintrat.

Syrien wurde während dieser Periode der Schauplatz verwüstender Kriege, und das hülflose, preisgegebene Palmyra ward in diesen Stürmen von seinen Bewohnern verlassen. Der Sand der Wüste begrub seine verödeten Felder, – es verscholl.

Fast tausend Jahre lang war nun Thadmor’s Daseyn vergessen, und erst im 13ten Jahrhundert nennt es zuerst wieder ein jüdischer Reisebeschreiber. Dieser erzählt, er habe mitten in der syrischen Wüste eine unermeßliche Stadt aus Marmor gefunden, und in derselben eine Colonie seiner Landsleute, die dort seit langen Jahren ein einsames, [101] elendes Leben führten. – 150 Jahre später gedenkt ihrer auf’s Neue der arabische Geograph Abulfede als: „Thadmor, Salomo’s Stadt, die entblätterte, weiße Rose des Sandes.“ Indessen hatten mährchenhafte Sagen von der Pracht jener in der Wüste verborgenen Ruinen die Wißbegierde in Europa auf das höchste gespannt. 1678 unternahmen einige Engländer von Aleppo aus zur Auffindung Palmyra’s eine besondere Reise. Glücklich erreichten sie ihren Zweck, und durch sie wurden die ersten glaubwürdigen Berichte über den merkwürdigen Ort bekannt. Die Britten fanden die Ruinen fast in demselben Zustande, in dem wir sie heute noch sehen, mit Ausnahme der Trümmer des großen Sonnentempels, welchen der Pascha von Bagdad in eine Cidatelle verwandelt und mit einigen hundert Türken besetzt hatte, in der Absicht, die unabhängigen Beduinenstämme zu zügeln, die öfters Einfälle jenseits des Euphrats machten. Dieser letzte Versuch zu einer bleibenden Ansiedelung in Thadmor dauerte nicht lange. Schon die nächstfolgenden Reisenden fanden die Veste zerstört und verlassen, und seitdem ist Palmyra die Wohnung der Raubthiere und der gelegentliche Lagerplatz der Beduinen geblieben.

Eine Einzelbeschreibung der Ruinen würde den Raum eines Bandes erfordern; wir müssen folglich darauf verzichten. – Aber wenn wir uns vorstellen, daß diese zusammengehäuften Massen von Marmor einst regelmäßige Palläste bildeten; jener prächtige Portikus mit einer 4000 Fuß langen Säulenhalle den Zugang zu einem Tempel der Gottheit; daß diese umgestürzten Säulen der Schmuck öffentlicher Plätze waren, wo ein freies Volk sich über sein Wohl berieth und patriotische Redner es zu heroischen Entschlüssen begeisterten; wenn wir uns diese eingesunkenen Gallerien als die Einfassungen von Marktplätzen denken, und unter ihnen die Kaufleute des Orients versammelt, zu tauschen den Purpur von Tyrus, die Gürtel von Cachemire, die lydischen Teppiche, die Perlen und die Spezereien Arabiens und das Gold von Ophir gegen die Waaren des Abendlandes: das Zinn Brittaniens, den Bernstein der Ostsee, Carthaginensischen Schmuck und römische Waffen; – wenn wir diese verschütteten Straßen, in denen die Hyäne jetzt schleicht, beseelt uns vorstellen durch ein zahlreiches Volk, dessen schöpferische Thätigkeit und Erfindungskraft die Reichthümer aller Himmelsstriche bei sich versammelten, und diese schauerliche Oede in blühende Gärten und Haine verwandelten; – wenn wir jene prächtigen Trümmer von Brunnen betrachten, die unterirdischen Kanäle, die des Euphrats befruchtende Fluthen durch die Wüste führten, und die zahllosen Bogen, auf welchen Aquadukte erfrischendes Quellwasser von den fernen Höhen in die Mitte der Palmenstadt trugen: wenn wir uns zugleich erinnern, daß kein Staat, der seine Unterthanen nach Millionen zählt, es war, der alle diese ungeheuern Arbeiten für gemeinen Nutzen schuf, sondern die freien Bürger es waren einer einzigen Stadt: dann kämpfen Bewunderung und Wehmuth in unserm Herzen und der Blick ruht voll Trauer auf diesen Trümmern. Die Frage: Müssen so die herrlichsten Werke der Menschen untergehen, und mit ihnen so die Völker, die sie erschufen? führt uns, tausend andere weckend, unwillkührlich in ein Meer der Betrachtung, in dem der Geist zagend und zweifelnd schifft und leicht sich verliert. Wie wir in den Revolutionen der Erde nur Trümmer auf Trümmer sehen, ewige Anfänge ohne Ende, so sind wir auch bei dem [102] Betrachten der Schicksale der Reiche und Völker so gern geneigt, in ihnen Umwälzungen zu sehen ohne Absicht. Aber dem ist nicht so. Die Kette der Bildung macht aus diesen Trümmern ein Ganzes, in welchem zwar Menschengestalten verschwinden, aber der Menschengeist unsterblich und fortwirkend lebt. Wer sie sieht, diese Kette, die vom Throne der Gottheit ausgeht und die Erde umschlingt, sieht nicht mehr in der Weltgeschichte nur ein wirres Knäuel der Verwüstung. Es beunruhigt ihn nicht mehr, wenn er im Verfolg der Aeonen die herrlichsten Menschenwerke zertrümmern, und vieles Gold in den Schlamm der Vergessenheit versinken sieht; denn er sieht ein, Zerbrechlichkeit auch der schönsten Werke ist von ihrer Materie unzertrennlich, und das Wandelbare in der Gestalt aller menschlichen Wirkung liegt nothwendig im Plane des Schöpfers, weil Alles, was im Strome der Generationen von den Händen der Zeit für die Zeit errichtet wird, augenblicklich der Nachwelt verderblich werden müßte, sobald es durch ewige Dauer neues Bestreben unnöthig machte oder aufhielt. – Leser! gewinne, und du kannst es, eine solche Anschauung der menschlichen Dinge, und die Vergänglichkeit derselben wird dich nicht mehr erschrecken. – Ruhig wirst du dann zusehen dem ewigen Wechsel und das scheinbar Vergebliche im menschlichen Mühen wird verschwinden; denn du weißt, was der Mensch für den Zweck: Menschenbildung, Brauchbares schafft, das rettet die Vorsehung immer in andern Gestalten, – es bleibt erhalten für alle Zeiten.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: altegpytischen