Petrarca und Laura
[548] Petrarca und Laura. (Zu unserer Kunstbeilage.) Auch wer nicht die empfindungsvollen und formvollendeten Gedichte kennt, in denen Petrarca die Königin seines Herzens gefeiert hat, verbindet mit den Namen Petrarca und Laura die Vorstellung von einem idealen Liebesbund, den die Poesie für alle Zeiten verklärt hat. Von dieser Verklärung hat die mit Eifer betriebene Forschung nach den wirklichen Beziehungen des berühmten Liebespaars nichts zu rauben vermocht; so reich die Quellen fließen, die uns über den Lebensgang des großen Humanisten und Patrioten Francesco Petrarca, der zu Ostern 1341 auf dem Kapitol zu Rom feierlich mit dem Dichterlorbeer gekrönt ward, Auskunft geben, so spärlich sind die beglaubigten Nachrichten, welche die historische Persönlichkeit seiner Laura betreffen. Ob die von Petrarca Besungene wirklich eine Tochter des alten provençalischen Rittergeschlechtes de Noves war und der Dichter sie in Avignon kennen lernte, als sie bereits den edlen Hugo de Sade geheiratet hatte, darüber streiten sich noch heute die Gelehrten, nachdem beinahe sechs Jahrhunderte seit der Geburt jener Dame verflossen sind. Von Petrarca selber beglaubigt ist, daß er bald nach Beendigung seiner Studien und nachdem er am päpstlichen Hofe zu Avignon mächtige Gönner gefunden hatte, die ihn zum Eintritt in den geistlichen Stand bestimmten, in einer Kirche der damaligen Residenz des Papstes jene Dame zuerst erblickte, an die er sein Herz verlor und welche die Laura seiner Lieder wurde. Das Bild, das von ihr im Bewußtsein der Nachwelt lebt, stammt aus den Gedichten, in denen er die von ihm Geliebte, die ihm nur Freundschaft bot, besungen hat, in allen Tönen, welche innige Sehnsucht dem Herzen zu entlocken vermag, und in der Sprache des Volkes, deren Gebrauch er in seinen übrigen Dichtungen zu gunsten des Lateinischen verschmähte. Auch nach Lauras 1348 plötzlich erfolgtem Tod besang er sie. Fast alle diese Gedichte entstanden auf dem Landsitz, den Petrarca bald nach seiner Niederlassung in Avignon in dessen Nähe erwarb. Das Häuschen lag in Vaucluse zwischen herrlichen Gärten, dicht bei der von hohen Felsen malerisch umrahmten Quelle der Sorgue, die in kurzem stürmischen Lauf, schnell anschwellend, von hier der Rhone zueilt. Hier in Vaucluse verbrachte der Dichter seine fruchtbarsten Jahre. Hier entstand sein lateinisches Heldengedicht auf Scipio Africanus. Hier kämpfte er in der Einsamkeit gegen die Leidenschaft an, die ihn für die schöne tugendhafte Frau in der nahen Stadt erfüllte. Im Schattenthal von Vaucluse suchte er nach Lauras Tode Trost in dem poetischen Kultus, den er dem abgeschiedenen Geist der Geliebten als dem Inbegriff aller weiblichen Tugend widmete; aus der krystallklaren Quelle der Sorgue sah er ihr Bild aufsteigen, sah er sie leibhaftig sich ihm nähern in der jugendschönen Anmut, durch die sie ihn bei der ersten Begegnung entzückte, jetzt einen Lorbeerzweig in der Hand, als Symbol des Ruhmes, mit welchem sein Lied ihr irdisches Sein verklärte. Eine solche Vision ist der Gegenstand unseres Bildes.