Photographirte Musik

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Textdaten
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Autor: C. St.
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Titel: Photographirte Musik
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aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 575–576
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[575] Photographirte Musik. Daß man die Menschen im Laufschritte, den Vogel im Fluge, die schaumbedeckten Meereswellen im Sturme photographisch festhalten kann, davon können wir uns in jeder Kunsthandlung durch die sogenannten Augenblicksbilder überzeugen. Wir sehen die dahineilenden Time-is-money-Bekenner, die jagenden Fuhrwerke der Straßen und Plätze Londons, Mensch und Thier mit aufgehobenen Beinen, hutabziehend, schimpfend, drohend, feilschend, als hätte ein Medusenhaupt das ganze Gewimmel plötzlich versteinert. Aber auch um die Bewegung selbst zu fixiren, hat man die große Erfindung Daguerre’s benutzt; der Arzt läßt sich von ihr die Bewegung des Pulses, der Meteorologe die Schwankungen von Barometer, Thermometer, ja die Veränderungen aller seiner Instrumente, auf einem fortlaufenden Papierstreifen aufzeichnen. Warum sollte man nicht ebenso diejenigen Wellen der Luft photographiren können, die unser Ohr bald angenehm als classische Musik, bald Unwohlsein erregend als sogenannte Zukunftsmusik umspülen?

Als die sogenannten Klangfiguren entdeckt wurden, schlug man ihre eleganten Formen als sinnreiche Muster und Hieroglyphen für die Verzierung der Kleidersäume berühmter Virtuosen vor, allein diese „gefrorne Musik“ war doch eine allzu frostige Idee, um die Herzen zu erwärmen. So brodlos sie sein mag und so wenig „schöne“ Resultate sie verspricht, die Kunst, Klänge und Musik zu photographiren, bietet doch, schon der bloßen Idee nach, einen eigenthümlichen Reiz, und daß sie gar keinen besonderen Schwierigkeiten begegnen würde, hat kürzlich Professor H. Vogel in Berlin, die erste photographische Autorität Deutschlands, in seinem Fachjournale dargelegt. Wie man einerseits singende Gasflammen hat und Concerte mit solchen singenden Flammen veranstalten kann, – auf der Wiener Weltausstellung befand sich ein Clavier mit singenden Flammen, statt der Saiten – so werden die Gasflammen durch verschiedene Töne verschieden, unter Umständen bis zum augenblicklichen Erlöschen, beeinflußt, und man darf nur die eigenthümliche Form einer für Musik entbrannten Flamme photographiren, um in ihrer besonderen Bewegung und Zuspitzung den Ton selbst, wie durch eine Note zu fixiren.

Der Physiker Dr. König in Paris hat vor einigen Jahren gezeigt, daß man die Gasflamme am gefühlvollsten machen kann, wenn man eine offene Stelle des Gasleitungsrohres mit einem zarten Membran überspannt und, letzteres als Trommelfell benützend, der Flamme gleichsam die Töne in’s Ohr haucht. Die von diesem Rohre gespeiste Flamme tanzt nun sozusagen nach der mitgetheilten Musik, und ihre einzelnen Pas lassen sich am besten sondern, wenn man sie in einem gegenüberstehenden, schnell um seine Achse gedrehten Spiegel betrachtet, wobei zuweilen ein angenehmer Rhythmus hervortritt. Wenn man nun eine Flamme anwenden würde, die sehr reich ist an sogenannten chemischen Strahlen, z. B. die Flamme des Cyangases, so würde es keine besonderen

[576] Schwierigkeiten haben, die ganze rhythmische Folge einer gegen ihr Kunstohr gerichteten Musik auf einem durch ein Uhrwerk bewegten Papierstreifen zu photographiren und so dieselbe in einer für ein geübtes Auge wohl entzifferbaren Notenschrift unmittelbar festzubannen. Wir brauchen nicht zu wiederholen, daß die photographirte Musik in der Theorie schöner ausfällt, als sie sich in der Praxis darbieten würde.
C. St.