Pietät

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Autor: Anonym
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Titel: Pietät
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aus: Die Weltbühne. 28. Jahrgang 1932, Nummer 28, Seite 72.
Herausgeber: Carl von Ossietzky
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Erscheinungsdatum: 12. Juli 1932
Verlag: Verlag der Weltbühne
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Internet Archive
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[72] Pietät

Einem amerikanischen Journalisten wurde ein Interview von sieben Minuten (exakt einzuhalten) mit Herrn Fritz von K…, Führer eines bayrischen Sturmtrupps, gewährt.

Ein kriegerisches Vorzimmer, dekoriert mit trophäenartigen Waffenaufbauten und Standarten, mit einer ständigen Wache. Ein schmuckloser Arbeitstisch, ohne überflüssige Ornamente, wie es sich für Soldaten gebührt, die unter einem Zelt zu schlafen gewöhnt sind… An der Wand eine Photographie Hitlers mit eigenhändiger Widmung; auf dem Tisch, geschützt durch eine Glasglocke, ein Stein und eine vertrocknete Rose.

Während sechs Minuten bewegt sich die Unterhaltung auf dem Gebiete der hohen Politik. Immer wieder wird der Blick des Amerikaners von den sonderbaren Reliquien angezogen, die so demonstrativ auf dem Tische liegen.

„Darf ich Sie fragen, was dieser Stein bedeutet?“

Der Sturmführer zeigt auf eine Narbe an der Stirn:

„Den Stein hat ein Kommunist bei einer Demonstration in München nach mir geworfen.“

In diesem Moment sind sieben Minuten abgelaufen, und mit der Genauigkeit eines Weckers erscheint ein Nazi, um den Gast hinauszubegleiten.

„Noch eine letzte Frage,“ beeilt sich der Journalist, „und die Blume?“

„Die Blume… die pflückte ich einige Zeit später auf seinem Grabe,“ antwortete sanftmütig der Wegbereiter des Dritten Reichs.