Pompeji und Herculanum
[390]
Pompeji und Herculanum.
Welches Wunder begibt sich? Wir flehten um trinkbare Quellen,
Erde, dich an, und was sendet dein Schooß uns herauf!
Lebt es im Abgrund auch? Wohnt unter der Lava verborgen
Noch ein neues Geschlecht? Kehrt das entflohne zurück?
Findet sich wieder, aufs neu bauet sich Herkules Stadt.
Giebel an Giebel steigt, der räumige Porticus öffnet
Seine Hallen, o eilt, ihn zu beleben, herbei!
Aufgethan ist das weite Theater, es stürze durch seine
Mimen, wo bleibt ihr? Hervor! das bereitete Opfer vollende
Atreus Sohn, dem Orest folge der grausende Chor!
Wohin führet der Bogen des Siegs? Erkennt ihr das Forum?
Was für Gestalten sind das auf dem curulischen Stuhl?
Richtend der Prätor, der Zeug’ trete, der Kläger vor ihn.
Reinliche Gassen breiten sich aus, mit erhöhetem Pflaster
Ziehet der schmälere Weg neben den Häusern sich hin.
Schützend springen die Dächer hervor, die zierlichen Zimmer
[391] Oeffnet die Läden geschwind und die lange verschütteten Thüren!
In die schaudrigte Nacht falle der lustige Tag!
Siehe, wie rings um den Rand die netten Bänke sich dehnen,
Wie von buntem Gestein schimmernd das Estrich sich hebt!
Wo ist der Künstler! Er warf eben den Pinsel hinweg.
Schwellender Früchte voll und lieblich geordneter Blumen
Fasset der muntre Feston reizende Bildungen ein.
Mit beladenem Korb schlüpft hier ein Amor vorüber,
Hoch auf springt die Bacchantin im Tanz, dort ruhet sie schlummernd,
Und der lauschende Faun hat sich nicht satt noch gesehn.
Flüchtig tummelt sie hier den raschen Centauren, auf einem
Knie nur schwebend, und treibt frisch mit dem Thyrsus ihn an.
Frisch, ihr Mädchen, und schöpft in den etrurischen Krug!
Steht nicht der Dreifuß hier auf schön geflügelten Sphinxen?
Schüret das Feuer! Geschwind, Sklaven, bestellet den Herd!
[392] Kauft, hier geb’ ich euch Münzen, vom mächtigen Titus gepräget;
Stecket das brennende Licht auf den zierlich gebildeten Leuchter,
Und mit glänzendem Oel fülle die Lampe sich an!
Was verwahret dies Kästchen? O seht, was der Bräutigam sendet,
Mädchen! Spangen von Gold, glänzende Pasten zum Schmuck.
Schminke find’ ich noch hier in dem gehöhlten Krystall.
Aber wo bleiben die Männer? die Alten? Im ernsten Museum
Liegt noch ein köstlicher Schatz seltener Rollen gehäuft.
Griffel findet ihr hier zum Schreiben, wächserne Tafeln;
Auch die Penaten, sie stellen sich ein, es finden sich alle
Götter wieder; warum bleiben die Priester nur aus?
Den Caduceus schwingt der zierlich geschenkelte Hermes,
Und die Victoria fliegt leicht aus der haltenden Hand.
Lang schon entbehrte der Gott – zündet die Opfer ihm an!