Pygmalion (Schlegel)

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Textdaten
Autor: August Wilhelm Schlegel
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Titel: Pygmalion
Untertitel:
aus: Friedrich Schiller:
Musen-Almanach für das Jahr 1797, S. 126 - 141
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1797
Verlag: J. G. Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
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Quelle: HAAB Weimar, Kopie auf Commons
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[126]
Pygmalion.


 In qual parte del ciel’, in quale idea
 Era l’ esempio, onde natura tolse
 Quel bel viso leggiadro, in ch’ella volsè
 Mostrar quaggiù, quanto lassù potea?

Petrarca.


     Festlich duften Cypriens Altäre,
Von Gesang ertönet Paphos Hain.
Schön geordnet ziehn geschmückte Chöre
In den myrtumkränzten Tempel ein.

5
Rosig blüh’nde Mädchen, zarte Knaben,

Alle bringen sie Gelübd’ und Gaben,
All’ erflehn, Verlangen in der Brust,
Liebe, Reiz und Jugendlust.

     Wollust athmet aus den Rosenlauben,

10
Wo sich willig manches Paar verirrt,

Wo ein Paar von buhlerischen Tauben
Ihrer Ankunft süß entgegengirrt.

[127]

Küsse hört man flüstern in den Büschen,
Wo sich Licht und Dunkel lieblich mischen,

15
Wo der Grund, mit Moosen überwebt,

Sich zum Lager schwellend hebt.

     Aber einsam, in sich selbst verschlossen,
Schaut Pygmalion dem Feste zu;
Das Frohlocken muthiger Genossen

20
Weckt ihn nicht aus seiner ernsten Ruh.

Suchtest du denn von den Schönen allen,
Holder Jüngling, keiner zu gefallen?
Oder hat, für die dein Sinn entbrannt,
Spröde sich dir abgewandt?

25
     Ach! ihm kam wohl mancher Gruß entgegen,

Mancher Wink verhieß ihm Gunst und Glück,
Und es hob von schnellern Herzensschlägen
Mancher Busen sich vor seinem Blick.
Doch umsonst! nie öffnet er die Arme,

30
Daß davon umstrickt ein Herz erwarme;
[128]

Dieser Mund, wo frisch die Jugend blüht,
Wird von Küssen nie durchglüht.

     Höher strebt sein einziges Begehren,
Hingeschmiegt an einen zarten Leib

35
Würde dennoch Sehnsucht ihn verzehren:

Was ihm fehlt, gewährt kein irdisch Weib.
Nicht um Blumen, gleich dem Schmetterlinge,
Auf zur Sonne mit des Adlers Schwinge
Schwebt sein Geist, und athmet reine Luft,

40
Unberauscht von süßem Duft.


     Zur Geliebten hat er sich erlesen,
Die noch nie ein sterblich Auge sah;
Nur ein Schatte, doch ein mächtig Wesen,
Ist sie fern ihm, und doch ewig nah,

45
Tief in seines Innern heil’ger Stille

Pflegt die Dichtung sie mit reger Fülle,
Und umarmt das göttlich schöne Bild,
Halb von eignem Glanz verhüllt.

[129]

     In erstauntes Anschaun so versunken,

50
Fühlt er sich allein, wann er erwacht.

Götter! seufzt er dann, nur Einen Funken,
Einen Funken eurer Schöpfermacht!
Bin ich bloß zu eitlem Wahn gebohren?
Meine Lieb’ an einen Traum verlohren,

55
Der, von ihrem Odem nie beseelt,

Liebevoll sich mir vermählt?

     Oder thronet, die ich lieb’, im Saale
Des Olymp mit sel’ger Allgewalt?
Trinkt sie jeden Tag aus goldner Schale

60
Jugend und ambrosische Gestalt?

Wird sie zürnend den Vermeßnen tödten,
Der in Lieb’ entbrennt, statt anzubeten?
Oder lächelt sie voll Größ’ und Huld
Seiner hoffnungslosen Schuld?

65
     Göttin, deren neugebohrne Schöne

Einst das Meer in Pupurglut getaucht!

[130]

Du, die in die Brust der Menschensöhne,
Wie der Götter, linde Wonne haucht!
Sieh mit unaussprechlichem Verlangen

70
Mich am Schatten deines Bildes hangen:

Diese Züge hoher Anmuth lieh
Nur von dir die Phantasie.

     Zwar dich darf kein Sterblicher erblicken,
Wie du bist, wie dich der Himmel kennt;

75
Kaum durchblitzen würd’ ihn das Entzücken

Einen schnell vernichtenden Moment.
Aber laß, wie Frühlingswehn, dein Lächeln
Eine jungfräuliche Stirn umfächeln,
Wie die Sonn’ im Bache sich beschaut:

80
Und ich grüße sie als Braut!


     Also fleht er oft, doch aus den Sphären
Steigt Erhörung niemahls ihm herab.
Nur die Kraft kann seinen Wunsch gewähren,
Die zuerst dem Wunsche Flügel gab.

[131]
85
Hoffst du Labung ausser dir? Vergebens!

In dir fließt die Quelle schönes Lebens;
Schöpfe da, und fühle froh geschwellt
Deine Brust, dein Aug’ erhellt.

     Eine Stimme, tröstend im Versagen,

90
Flüstert in die Seel’ ihm diesen Rath.

Nein! nicht länger will er schmachtend zagen:
Träume reifen zu Entschluß und That.
Muthig, was er liebt, sich zu erschaffen,
Schärft er seines Geistes goldne Waffen;

95
Still verheißt dem Sinnenden die Kunst

Hülfe, statt der Götter Gunst.

     Jener Zaubrer wandelnder Gestalten,
Dädalus, erzog ihn einst für sie,
Lehrt’ ihn Bildung aus dem Stoff entfalten,

100
Bis sie schön zum Ebenmaaß gedieh.

Gern besiegt von seines Meissels Schlägen,
Schien der starre Felsen sich zu regen,

[132]

Und er ward auf seines Lehrers Spur
Nebenbuhler der Natur.

105
     Wie Prometheus Menschen, seine Brüder,

Bildet’ er der Götter ganzes Chor;
Zog zur Erde nur den Himmel nieder,
Nicht die Erde zum Olymp empor.
Edle Wesen, irdische Heroen,

110
Doch nicht groß wie die unnennbar Hohen,

Schien ihr mildres, nicht umstrahltes Haupt
Der Unsterblichkeit beraubt.

     Und der Künstler wohnt’ in ihrer Mitte,
Frey und fröhlich ihnen zugesellt,

115
Sie bewirthend nach der biedern Sitte

Jener ersten, unschuldvollen Welt,
Wo die Himmlischen auf stillen Fluren
Oft mit Menschen Freud’ und Leid erfuhren;
Wo Apoll, ein unerkannter Hirt,

120
Singend Tempe’s Thal durchirrt.
[133]

     Aber seit ein nahmenloses Sehnen,
Süß und quälend, seine Brust entzweyt,
Seit der Wahn des nie erblickten Schönen
Ihn berauscht mit Allvergessenheit,

125
Ließ er ruhn die kunstbegabten Hände,

Unbesorgt, ob er ein Werk vollende,
Das nur halb, mit zweifelhaftem Sieg,
Aus dem Stein ins Leben stieg.

     Nun, da zu der holden Unsichtbaren

130
Ihn hinan des Muthes Fittig trägt,

Will er seinen Augen offenbaren,
Was sein Busen heimlich längst gehegt.
In der Flut begeisternder Gedanken,
Die entbunden um die Sinne schwanken,

135
Liebeglühend, tritt Pygmalion

In der Werkstatt Pantheon.

     Und, o Wunder! in verklärtem Lichte
Stehen rings die stolzen Bilder da;

[134]

Es enthüllt dem staunenden Gesichte

140
Gottheit sich, wie er sie nimmer sah.

Wie von reinem Nektarthau durchflossen,
Wonnevoller Ewigkeit Genossen,
Schön und furchtbar, scheinen sie erhöht
Zu des Urbilds Majestät.

145
     Auf des Donnergottes heitre Brauen

Wallt der Locken hoher Schwung zurück;
Juno thront, die Königin der Frauen;
Pallas senkt den züchtig ernsten Blick.
Bacchus bietet hold die süßen Gaben,

150
Weiche Jugend blüht dem Götterknaben;

Hermes regt den Sinn, behend und schlau,
Mit der Glieder leichtem Bau.

     Selbstgenugsam, in entzückter Feyer,
Schwebt Apoll, mit Daphne’s Laub bekränzt.

155
Haucht Gesänge zu der stummen Leyer,

Die in seinem Arm, ein Kleinod, glänzt.

[135]

Und o du! süßlächelnde Dione,
Mit der Anmuth zartem Gürtel! schone!
Gab er nicht zum Opfer Seel’ und Sinn

160
Ganz, o Himmlische, dir hin?


     Freudig, doch mit ahndungsvollem Schweigen,
Blickt er auf der Himmelsmächte Kreis:
Richter sind sie ihm und heil’ge Zeugen,
Wie er ringt nach der Vollendung Preis.

165
Nicht zu ruhn, noch feige zu ermatten,

Schwört er, bis er den geliebten Schatten,
Einen Fremdling in der niedern Welt,
Seinen Göttern dargestellt.

     Schöner Stein! in Paros kühlen Grüften

170
Hat die Oreade dir gelacht;

Ja, du wurdest aus den Felsenklüften
In beglückter Stund’ hervorgebracht.
Von der Hand Pygmalions erkohren,
Reiner Marmor! wirst du neugebohren.

[136]
175
Was sein Stahl dir liebend raubt, vergilt

Tausendfach das holde Bild.

     Wann Aurora kaum noch deine Weiße
Röthet, eilt der Künstler schon herzu,
Und ihn winkt von immer süßerm Fleiße

180
Nur die Nacht gebieterisch zur Ruh.

Wann des Schlafes Arm’ ihn leis’ umfangen,
Spielt um ihn das schmeichelnde Verlangen,
Zeichnet sein gelungnes Werk der Traum
Dämmernd in des Aethers Raum.

185
     Endlich geht die freundlichste der Sonnen

Ueber ihm, Vollendung bringend, auf.
Endlich, endlich ist das Ziel gewonnen,
Und die Palme kühlt des Siegers Lauf.
Vor ihm blüht das liebliche Gebilde,

190
Gleich der Rose, die der Frühlingsmilde,

Welche webend, athmend um sie floß,
Kaum den Purpurkelch erschloß.

[137]

     Hüllenlos, von Unschuld nur umgeben,
Scheint sie sich der Schönheit unbewußt;

195
Ihre leicht gebognen Arme schweben

Vor dem Schooß und vor der zarten Brust,
Reine Harmonie durchwallt die Glieder,
Deren Umriß, von der Scheitel nieder
Zu den Sohlen, hingeathmet fliegt,

200
Wie sich Well’ in Welle schmiegt.


     Schön begränzt ihr Daseyn stille Gnüge,
Friedlich wohnet es in sich daheim;
Und es ruht im Spiel der linden Züge
Unentfaltet künft’ger Liebe Keim.

205
Gleich als ob sie nimmer traur’ und zürne,

Lacht’ ihr heller Blick, die ebne Stirne;
Ihre halbgeschloßne Lippe schwoll,
Süßer Tön’ und Küße voll.

     Selig festgezaubert im Betrachten,

210
Schaut Pygmalion und glüht und schaut.
[138]

Bald verstummt er, aufgelös’t in Schmachten,
Bald erschallt des Herzens Hymne laut.
Einen Gegenstand der Huldigungen
Hat sich nun die treue Lieb’ errungen,

215
Die nach dem, was nirgends war zuvor,

In der Oede sich verlor.

     Seine Seele, die Erwiedrung heischet,
Leihet der Geliebten, was sie fühlt,
Gern vom eignen Wiederschein getäuschet

220
Der um jene Jugendfülle spielt.

Mit des Steines nachgeahmtem Leben
Strebt er sich so innig zu verweben,
Daß sein Herz, von Lieb’ und Lust bewegt,
Wie in Beyder Busen schlägt.

225
     Was ersann er nicht, ihr liebzukosen?

Welche süße Nahmen nannt’ er nicht?
Das Gebüsch verarmt an Myrt’ und Rosen,
Die er sorgsam ihr in Kränze flicht.

[139]

Aber ach! wann wird ihr holdes Flüstern

230
Seinen Liebesreden sich verschwistern?

Wann besiegelt der erwärmte Mund
Wiederküssend ihren Bund?

     Lächelnd einst, wie mildes Frühlingswetter,
Schaut Urania vom lichten Thron.

235
Von der Menschen Vater und der Götter

Fodert sie der reinsten Treue Lohn:
Sieh! allein von allen Erdensöhnen
Hat Pygmalion, dem höchsten Schönen
Huldigend, und frey vom Sinnenbrand,

240
Sich zu meinem Dienst gewandt.


     Nicht aus Trotz, zu eitlem Schöpferruhme,
Folgsam lauschend nur dem innern Ruf,
Stellt’ er im verborgnen Heiligthume
Uns die Gattin dar, die er sich schuf.

245
Jenen Funken, den Prometheus raubte,

Zum Verderben seinem stolzen Haupte,

[140]

Gieb ihn mir für den bescheidnen Sinn
Meines Künstlers zum Gewinn.

     So die Göttin, und mit Wohlgefallen

250
Winkt ihr Zeus und neigt den Herrscherstab.

Locken, den Olymp erschütternd, wallen
Auf die Stirn ambrosisch ihm herab.
Ein gewohntes Opfer darzubieten
Stand Pygmalion in Duft und Blüthen,

255
Als es wie ein Blitz sein Mark durchdrang,

Daß er zagend niedersank.

     Doch ihn locken ferne Melodien
Zauberisch ins Leben bald zurück.
Rosenfarbne Morgenschimmer fliehen

260
Um das Bild, und laben seinen Blick.

Wie von eines Aetherbades Wogen
Wird sie sanft gewiegt und fortgezogen:
Soll sie eures Himmels Zierde seyn?
Götter! Götter! sie ist mein.

[141]
265
     Und er fliegt hinzu, und schlingt die Arme

Kühn und fest um das geliebte Weib.
Glühend, schauernd fühlt er, sie erwarme;
Seinem Drucke weicht der Marmorleib.
Und es schlägt ihr Herz die ersten Schläge,

270
Und die Pulse werden hüpfend rege,

Und das Drängen junger Lebenslust,
Schwellt die ungeduld’ge Brust.

     Und ihr Auge – Wonne würd’ ihn tödten,
Schlöß’ es sich dem fremden Tage nicht.

275
Ach! sie drückt mit schüchternem Erröthen

An des Jünglings Busen ihr Gesicht.
Liebe! Liebe! stammeln Beyder Zungen,
Und die Seelen, ganz in eins verschlungen,
Hemmt ein Kuß im schwesterlichen Flug,

280
Mit geheimnißvollem Zug.
Schlegel.