Reichsstadt Gmünd (Röder)

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Textdaten
Autor: Philipp Ludwig Hermann Röder
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Titel: Reichsstadt Gmünd
Untertitel:
aus: Reisen durch das südliche Teutschland. S. 105–112
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1795
Verlag:
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Erscheinungsort: Frankfurt und Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Schwäbisch Gmünd
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Reichsstadt Gmünd.

Gmünd, zum Unterschiede anderer Orte dieses Namens, schwäbisch Gmünd genannt, liegt auf der Grenze Wirtembergs in einer waldigen Gegend, in einem an Wiesen reichen Thale an der Remse, welcher Fluß hier ein unbeträchtlicher Bach ist. Dem ungeachtet ist eine grosse, kostbare steinerne Brücke darüber gebaut, auf welcher verschiedene steinerne Heiligen die Wache halten, und das andächtige Gmünd vor Wasserschaden beschüzen. An dieser Brücke ist ein schöner Garten angelegt, der schöne Alleen, ein grosses Gartenhaus, Fontänen und Statuen enthält. Man bewundert die Menge von Bildsäulen die man in diesem Garten, und auf den Pfeilern die ihn umgeben stehet, allein sie sind nur aus Erde gebaut, und von einem künstlichen [106] Töpfer aus dem benachbarten Flecken Lorch, gemacht, die gut gerathen sind, und wie Stein aussehen. Dieser Garten ist von seinem Besizer, einem von Storr, angelegt worden.

Gmünd hat das Aussehen einer grossen, ehmals blühenden und vermöglichen Stadt, mit welcher der innere Anblick sehr kontrastirt. Sie zeigt sich von Aussen mit ihren soliden Mauern, aus Quadern, und ihren gut gebauten Kirchen und Thürmen, auch vielen grossen Gebäuden, recht gut. Sie hat auch noch schöne von Stein, in reiner Architektur gebaute Häuser, manche breite Strassen, und hübsche Klöster und Kirchen. Sobald man sich aber der Stadt nähert, wirb man gleich von einem Haufen Bettler umringt, deren man nicht los werden kann, bis man ihnen austheilt, oder sie mit Gewalt fortjagt, eben so ist es auf den Strassen, vor und in den Wirthshäusern, und vor den Klöstern und Kirchen, wo sie vorzüglich ihre Niederlagen haben. Ein solcher Haufen von Bettlern ist ein Beweis einer armen tief herabgesunkenen Stadt, und einer elenden nichtswürdigen Polizey, welche die Bettler weder mit etwas nützlichen [107] zu beschäftigen, noch abzutreiben weiß. Eben so fühlt man den Verfall der Stadt an den Gebäuden, denn neben einem schönen steinernen Hause kann eins stehen, welches mit Brettern beschlagen ist, und einer Hütte gleichet. So stehen selbst Häuser dieser Art auf dem Markte, der sonst schön ist, und ansehnliche Häuser hat. Eines der vorzüglichsten Gebäude ist die Post, ein schönes Wirthshaus in welchem aber theuer zu leben ist. Der Wirth läßt sich einen Herrn von Stahl nennen, ob er gleich neben seiner Post auch eine Bierschenke hat, und das Bier Maasweis in seinem Hause auszapft. Ehmals hatte er eine schöne Frau! –

Gmünd ist ein trauriger Ort, die Strassen sind öde und leer, und nur wenn in die Messen geläutet wird, von den bigotten Einwohnern bevölkert, die mit ihren Rosenkränzen und Gebetbüchern zu den Kirchen laufen, darinn auf den Knieen um herrutschen, und Gott Paternoster vorzählen. Ungeachtet die Volksmenge dieses grossen Ortes nur noch 5000 Menschen ist, so sind doch hier 5 Kirchen, 4 Mönche und 2 Nonnenklöster, auf deren Thürmen ein immerwährendes trauriges Geläute [108] gemacht wird, welches man kaum in den grossen Städten Italiens hört.

Die Menschengesichter sind hier von einem besondern auffallenden Schnitt, und die Kleidung von auszeichneter Steifheit und Häßlichkeit. Neben dem grossen Hang zur Andächtelei haben die hiesigen Einwohner eine besondere Liebe zum Schmausen und zu Biergelagen, die man alle Abende in den Wirthshäusern siehet, und wahrscheinlich ist dieses auch eine Ursache mit, vom Verfall der Stadt.

Bei einem geringen Verdienst, den Tag über beständig in die Kirchen zu laufen, und den halben Nachmittag bis in die Nacht beim Bierkruge zubringen, kann nichts als Zurücksinken in die Nahrung nach sich ziehen. Vormals war Gmünd in einem blühenden Zustande, es waren hier sehe viele Silberarbeiter und Baumwollenfabrikanten, die grosse Geschäfte machten. Nun wird nichts mehr als elende Bijouterinwaare hier gemacht, die nicht viel besser ist als Kupfer und Messing, und die Baumwollenarbeiter spinnen entweder Baumwolle um den Lohn, oder stricken Müzen und Strümpfe.

[109] Man zählt hier eine zu der Volksmenge der Stadt unverhältnißmässige Anzahl von sogenannten Goldarbeitern, welche aber weiter nichts als Bijouteristen sind, und schlechte Compositionen verarbeiten. Da diese Arbeiten nicht mehr so grossen Absaz finden, wie ehmals, so nehmen die Silber und Goldarbeiter öfters ihre Zuflucht zu Betrügereyen, zum Goldmachen, Schazgraben und andern Dingen; wodurch Unwissende und Leichtgläubige geprellt werden. Dieser in Gmünd oft getriebene Unfug verursachte, daß zur Warnung des Publikums diese Betrügereyen, in öffentlichen Zeitungen kund gemacht wurden.

Vormals wurden hier sehr viele solcher Arbeiten von unächten Gold und Silber gemacht, bei welchen entweder gar keiner, oder doch nur ein geringer Zusatz von Gold oder Silber war, daher auch der Namen von Gmündter Silber entstanden ist, mit welchem alle solche verfälschte Arbeiten belegt wurden. Jetzt hat der Verschluß dieser Waaren, und mit ihm die Nahrung und Beschäftigung der Arbeiter sehr abgenommen.

[110] Unter den hiesigen Klöstern zeichnet fich das Dominikanerkloster aus, welches modern gebaut ist, und eine schöne Kirche hat, welche die schönste in der Stadt ist. Ausser diesem Kloster haben noch die Augustiner, Franziskaner und Kapuziner Klöster hier. Die Franziskaner Nonnen haben ein Kloster in der Stadt, und die Dominikaner Nonnen, eines ausser derselben.

Die Andächtigen haben noch eine Wallfahrt auf einem Berge vor der Stadt, auf welchem ein Kalvarienberg errichtet ist, zu welchem die sogenannte Stationen, den Berg hinauf führen. Von Wallfarthen sind die Gmündter besondere Liebhaber und es sind daher sehr viele solcher andächtiger Orte in dieser Gegend angelegt. Fast jede Bergspitze in diesem andächtelnden Bezirk, ist mit einer Kirche Häuschen oder einer Statue besetzt, zu welchem die Bewohner dieser Revier laufen, und ihre Andacht bezeugen.

Solche Andachten, Messe und heiligen Besuche zu unterlassen, ist in Gmünd ein grosses Vergehen, aber die Leute mit falschen Silber und andern [111] schlechten Arbeiten, ober mit ungewichtiger Baumwollengarn zu betrügen, auch leichtglaubige mit Schatzgräbergeschichten zu prellen ist eine Sache, mit der man es nicht so genau nimmt, und mit welcher die Religion in Gmünd nichts zu thun hat.

Desto eifriger sind dafür die Gmünder Einwohner alle Jahre das Leiden Christi, in einer Religionskomödie am Charfreytag, auf dem öffentlichen Markte, aufzuführen, wozu ein eigenes erhöhtes Theater aufgeschlagen wird. Fast überall sind nun in katholischen Ländern solche Farcen, welche die Religion lächerlich machen, abgeschaft. Aber in Gmünd hat es die Fackel der Aufklärung noch nicht so weit bringen können, und die Mönche, welche den grösten Antheil an diesen Possen haben, lassen sich auch nicht so leicht davon abbringen. Nicht nur Gmünd und seine katholische Nachbarschäft, sondern auch viele hundert evangelische Einwohner, sind jährlich Zeugen von dem traurigen Verfall des gesunden Verstandes, und Mangel der Aufklärung dieser Reichsstadt. Denn am Charfreytage wird unter Zulauf eines grossen Volkes, welches begierig auf diese Religionskomödie wartet, [112] auf einer eigenen dazu errichteten theatralischen Bühne, eine Vorstellung des Leidens Christi gegeben, und die ernsthafteste Sache zu einem wahren Possenspiele herabgewürdiget. Denn es erscheinen da die hohen Priester in umgekehrten Schlafröken, gelben Pantoffeln, pappiernen Müzen, und so auch verhältnißmässig die übrigen Personen, welche komisch genug aussehen. Die ganze Verhandlung geschiehet in deutschen Knittelversen, und stimmt mit dem ganzen vollkommen zusammen. Derjenige welcher gekreutziget wird, ist ein baumstarker Kerl, der auch ein hölzernes Kreuz schleppen muß. Nicht selten ereignen sich komische Auftritte, wodurch der ganze Akt zum Gelächter wird.