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Reim, Verstand und Dichtkunst

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Johann Gottfried Herder
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Titel: Reim, Verstand und Dichtkunst
Untertitel:
aus: Friedrich Schiller:
Musen-Almanach für das Jahr 1797, S. 105 - 106
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1797
Verlag: J. G. Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: HAAB Weimar, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung: Die Chiffre V. wird Johann Gottfried Herder zugeschrieben.
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[105]
Reim, Verstand und Dichtkunst.

Verschwunden war die Dichtkunst von der Erde,
Verödet lag ihr schönes Vaterland.
Da traten auf den Platz mit Ritterthumsgebehrde
Ein Araber, der Reim; ein Normann, der Verstand.

5
Sie kämpften lang mit wechselnder Beschwerde,

Und wurden dann im Streit vertraulich und galant.

Die Dichtkunst kam. Wem wird der Preis gebühren?
„Thut eure Kappen ab. Wie heissest du“? – „Verstand“.
„Und du“? – „Der Reim“. – Ihr Herrn, ihr müßt nicht Kriege führen;

[106]
10
Gebt euch, der Reim zuerst, einander treu die Hand.

Wollt ihr mir dienen; so muß Ich regieren;
Du reite hinten, Reim; du vor mir her, Verstand“.

Sie zogen. Doch der kühne Normann-Reiter
Durchstrich so wild und kreuz und queer das Land“!

15
Die Dichtkunst rief. Umsonst. „Dort folg’ ich ihm nicht weiter“

Sprach sie und neigte sich anmuthig und verschwand.
„So bin Ich Dichtkunst, sprach der Reimbegleiter,
Und treff’ ich ihn, ergreif’ ich hurtig den Verstand.

V.