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Reinhold Begas

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Textdaten
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Autor: Ludwig Pietsch
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Titel: Reinhold Begas
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 796–799
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Reinhold Begas.

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Reinhold Begas.

Begasscher Garten mit Ateliergebäude.

Bis gegen das Ende der sechziger Jahre war das „Karlsbad“ eine der stillsten, ländlichsten und anmuthigsten Straßen Berlins, eine Sackgasse, die sich an der Südseite der Potsdamerstraße, nahe hinter der Brücke über den Kanal, öffnete und an ihrem südlichen Ende durch einen Bretterzaun, welcher eine Wiese umhegte, abgeschlossen war. Ihr Damm war ein ungepflasterter, ja nicht einmal chaussierter breiter Weg, der sich, ohne Trottoirs auf den Seiten, zwischen meist nur ein- oder zweistöckigen, mitten in Gärten liegenden Landhäusern und bescheidenen Villen dahinzog. Ihren Namen hatte diese merkwürdige Straße ursprünglich von einer großen Badeanstalt, die sich an ihrem Eingang links an der Ecke der Potsdamerstraße in einem weiten Garten befand, erst in den fünfziger Jahren den Gebäuden des Restaurants Mielang gewichen ist und nach dem Begründer oder zu Ehren des Prinzen Karl so genannt wurde. Die Gärten der Häuser an der Ostseite erstreckten sich bis zum Ufer des alten Landwehrgrabens, welcher 1848 in den jetzigen Schiffahrtskanal verwandelt wurde, und an der Westseite bis weithin zur „Lützower Wegstraße“, die heute den Namen Lützowstraße führt. Nur zwei Häuser in der östlichen Reihe nahe dem Ende der Straße ragten hoch über die andern ländlichen niedrigen Baulichkeiten empor. Das eine von ihnen schaute aus einem fast waldartigen Park hervor, der es auf allen Seiten umgab und mit seinen hohen dichten Laubbäumen umschattete: ein seltsamer Bau in mittelalterlichem Burgcharakter, welcher durch Lage, Erscheinung und Einrichtung die Geistesart und künstlerische Gesinnung seines Erbauers und Bewohners, eines echten Romantikers, des Baumeisters Stier, jedem, der sehen und urtheilen konnte, sofort verrieth. Im Volksmunde führte dies im Frühling von Pirol-, Finken- und Nachtigallengesang umtönte Haus den Namen die „Stierburg“. Unmittelbar an die Südseite seines Parkes grenzte der weite, wohl gehaltene Frucht-, Blumen- und Gemüsegarten, in dessen Mitte sich das andere der beiden einzigen „hohen Häuser“ der Straße „Auf dem Karlsbade“ erhob. Seine ganze Erscheinung trug einen nicht minder eigenartigen persönlichen Stempel als jene Nachbarburg. Das mächtige obere Stockwerk zeigte in seiner Nord- und Ostwand kolossale Atelierfenster. Man sah, daß es von einem Maler bewohnt und für dessen Zwecke nach seinem eigenen Plan erbaut worden war.

Dieser Erbauer, Eigenthümer und Bewohner war der berühmte Maler Professor Karl Begas. In den dreißiger Jahren hatte er, der damals vor allen andern Berliner Malern gefeierte Meister, sich dies Haus hier in der weltverborgenen, stadtfernen, ländlichen Einsamkeit und Stille gegründet. Es wurde zur Stätte zugleich der rüstigsten, freudigsten, unermüdlichsten, künstlerisch-schöpferischen Arbeit und des beglücktesten Familienlebens. Die junge Hausfrau, ein wahrhaft idealer Mustertypus edler, blonder, blauäugiger, gesunder germanischer Weiblichkeit, welche hohe reiche Geistes- und Herzensbildung, glückliche musikalische Begabung und häuslichen Sinn in sich vereinigte, schenkte dem geliebten Gatten, in dessen braunäugigem, dunkellockigem, bräunlich blassem Antlitz und seiner Gestalt sich der spanische Ursprung seiner aus Belgien in die Rheinlande eingewanderten Familie nicht verleugnete, sechs Söhne und zwei Töchter. Die letzteren schienen, wie man im Volk zu sagen pflegte, „zu schön für diese Welt“ und starben im blühenden Mädchenalter dahin; die Söhne aber wuchsen in Haus und Garten in voller Freiheit auf. Der eigene wie jeder der benachbarten Gärten, die ganze vom geschäftigen Verkehr abgeschiedene Straße und die angrenzenden Wiesen wurden die weiten Tummelplätze, auf denen sie sich nach Herzenslust austoben konnten. Das Talent für die bildenden Künste und für die Musik war ihnen allen von den gütigen Feen mit in die Wiege gelegt worden. Jenes entwickelte sich gleichsam von selbst und spielend weiter in des Vaters Werkstatt und in der steten Berührung mit allem, was im damaligen Berlin an hervorragenden Künstlern lebte und wirkte, wie mit den zahlreichen jungen Schülern des väterlichen Ateliers.

Am 15. Juli 1831 war der vierte dieser Söhne geboren worden. Bei seiner Taufe hatten die drei ersten Bildhauer des damaligen Berlin, Gottfried Schadow, Christian Rauch und L. Wichmann, die Pathenstellen übernommen. Ihr Segen hat sich wundermächtig an dem Kinde erwiesen. Es empfing den Namen Reinhold. Ueber seine Bestimmung, seinen Beruf konnte schon in seinem sechsten oder siebenten Jahr kaum noch ein Zweifel aufkommen. Was die schönen großen blauen Knabenaugen draußen in der Wirklichkeit sahen, suchten die kleinen Hände in Thon nachzukneten, und die Pferdchen und Männer, die sie daraus formten, erregten gerechte Verwunderung. Bei seinem älteren Bruder Oskar hatte sich eben so frühe schon das Talent zur Malerei geoffenbart. Mit 15 Jahren besuchte Reinhold die Berliner Akademie, arbeitete in Wichmanns und in Rauchs Werkstatt; in letzterer allerdings nur kurze Zeit. Bald trag er mit seinem ersten selbständigen Werk hervor: der Gruppe Hagar mit dem verschmachtenden Ismael, einem Werk, an dessen Durchführung lebhaftes Naturgefühl und feines Verständniß der lebendigen Form sich erfreulich geltend machten. Der Auftrag zur Ausführung einer zweiten Gruppe idealen Charakters – Psyche mit der Lampe in der erhobenen Hand, sich über den schlummernden Amor beugend – führte Begas 1855 nach Rom. Dort in der ungehemmten Freiheit des Lebens, unter dem Eindruck der gewaltigen Werke der Vergangenheit entfaltete sich sein großes Talent bald [797] zur reichen Blüthe. Als er 1858 nach Berlin zurückkehrte, brachte er das Gipsmodell der lebensgroßen Gruppe „Pan tröstet die verlassene Psyche“ mit, welches auf der akademischen Kunstausstellung jenes Jahres einen Eindruck hervorrief und eine Bewunderung erweckte, wie es plastischen Werken auf unsern Ausstellungen nur ganz ausnahmsweise zu gelingen pflegt. Diese frische naive Hingebung an die Natur, diese Freiheit vom Zwange der herrschenden Schultradition, dieses Streben nach lebendiger Wahrheit, das sich hier mit so edlem Schönheitssinn verband und sich einer so außerordentlichen Kraft der bildnerischen Darstellung gesellte, war man von den Schöpfungen der Rauchschen Schule nicht gewöhnt.

Diese Gruppe und eine gleichzeitig ausgestellte vorzügliche Bronzebüste des Generals v. Peucker machten Begas freilich zum berühmten Künstler. Aber auf die realen Früchte dieses Ruhmes hatte er noch ziemlich lange Zeit in Geduld zu harren. Die Ausführung jener vielbewunderten Pan-Gruppe in dauerndem Material wurde erst sehr viel später bestellt. Der einzige Auftrag, den er empfing, war der zu einer kolossalen dekorativen Sandsteingruppe, welche die Mitte des Hauptgesimses am neuen Börsengebäude zu Berlin in der Burgstraße schmücken sollte: Borussia als Schützerin des Handels und der Industrie.

Mit der Kühnheit und Mächtigkeit seiner Komposition und Formengebung, welche an die der Meister des Barockstils erinnerte, erschreckte er die damaligen tonangebenden Kunstautoritäten Berlins, und sie riefen Wehe über ihn, welcher sich solcher Sünden gegen das „edle Maß“ und gegen den „reinen Stil“ schuldig machte.

Der Schloßbrunnen in Berlin.
Nach einer Zeichnung von C. Bernewitz.

Eine 1860 ausgestellte Gruppe „Faunenfamilie“ konnte diese Wächter des Stils und der Formenstrenge in ihrer eifervollen Gegnerschaft gegen Begas nur bestärken. Aber gerade damals erging an ihn ein Ruf des kunstsinnigen Großherzogs von Sachsen-Weimar, das Lehramt der Bildhauerei an der neu gegründeten Kunstschule zu übernehmen. Der nächste Freund aus Begas’ römischer Studienzeit, Arnold Böcklin, war bereits der gleichen Einladung gefolgt. Jener nahm die ehrenvolle Berufung an und siedelte im Frühling 1861 nach Weimar über.

Dort führte er die große Modellskizze eines Denkmals für König Friedrich Wilhelm III. aus, womit er sich an dem Wettbewerb um das in Köln zu errichtende Monument betheiligte; und dort auch die Skizze für das Denkmal, welches Schiller in Berlin auf dem Platz vor dem Schauspielhause gesetzt werden sollte. In der Konkurrenz um das Kölner Denkmal erwarb sich Begas wohl den ersten Preis. Aber den Auftrag, seine Skizze auszuführen, empfing er nicht. Die eines unterlegenen Mitbewerbers, des Rheinländers und Rauchschülers Gustav Bläser, erhielt den Vorzug.

Die Skizze für das Berliner Schillerdenkmal fand ebenso begeisterte Bewunderer als heftige Bekämpfer. Der erste Preis wurde zwischen ihm und Siemering getheilt. Mit diesem hatte er noch einmal in den engeren Wettbewerb einzutreten, und als er auch aus diesem als Sieger hervorging, mußte er sich die Forderung gründlicher Abweichungen von seinem Entwurf, die Ueberwachung der Ausführung durch eine dafür eingesetzte Kommission gefallen lassen. In der Gestaltung des Fußgestells mit seinen herrlichen grandiosen vier Musengestalten, der lyrischen Poesie, der Tragödie, der Geschichte und Philosophie, kehrte er zwar trotzdem zu der ursprünglichen Komposition zurück und besiegte durch die Schönheit derselben schließlich auch seine Gegner. Die Statue des Dichters selbst aber ist – das muß man bei aller Hochschätzung und Bewunderung seiner Kunst doch zugeben – nicht in gleichem Maße gelungen.

Nach dem Aufgeben seiner Stellung in Weimar siedelte Begas 1863 wieder in seine Heimathstadt Berlin über, um daselbst die Vorarbeiten zu seinem Schillerdenkmal in Angriff zu nehmen.

Im Januar des Jahres 1864 verheirathete er sich mit einem blutjungen Mädchen von hoher Anmuth und zog mit seiner jungen Gemahlin dann wieder zu mehrjährigem Aufenthalt nach Italien.

Diese Frau ist später durch ihren Geist und ihre glänzende Schönheit zu einer der bezauberndsten, gefeiertsten Damen der [798] Berliner Gesellschaft geworden, in deren gastlichem Hause die ersten geistigen Größen unserer Zeit, Staatsmänner, Gelehrte, Meister aller Künste, als Freunde verkehrten, Kaiser und Kaiserin Friedrich in den Zeiten ihres ungetrübten Glücks und ihr Sohn und Erbe, der heutige deutsche Kaiser, wiederholt als Gäste erschienen.

Aus Rom sandte Begas wieder eine neue plastische Schöpfung, welche bei ihrer Ausstellung in Berlin einen stürmischeren Meinungskampf als jedes seiner bisherigen Werke erregte: die Gruppe der Venus, die den von der Biene in den Arm gestochenen Amor mütterlich zärtlich tröstet, ein Bildwerk in fast Rubensschem Stil voll warm pulsierenden Lebens in den prangenden Gestalten der schönen Göttin und des neben ihr stehenden Flügelbübchens.

Nach Berlin Anfang 1866 zurückgekehrt, erhaute sich Begas auf einem von ihm angekauften Grundstück am südlichen Saum des westlichen Thiergartentheils eine große Werkstatt, wie er sie für die Ausführung der Modelle seines Schillerdenkmals bedurfte. Einige Jahre später errichtete er unmittelbar daneben an der Westseite des großen Vorgartens ein Wohnhaus nach eigenem Geschmacke für sich und seine Familie, an welchem heute die „Stülerstraße“ vorüberführt. Der nur aus einem Keller- und Erdgeschoß und erstem Stockwerk bestehende einfache Bau mit einem Balkon, der die Veranda an seiner Gartenseite beschattet, erregt die Aufmerksamkeit jedes Vorübergehenden durch einen ganz eigenartigen reizenden künstlerischen Schmuck: einen Relieffries, welcher sich über die Straßenfront hinzieht und an der dem Garten zugekehrten Seite des Hauses fortsetzt. Der Hausherr selbst hat ihn modelliert.

Kleine nackte Buben von köstlich naiver Naturwahrheit in den Formen und Bewegungen sieht man dort alle Lieblingsbeschäftigungen des Meisters ausüben und seinen eigenen Passionen sich hingeben: Modellieren, Meißeln, Zeichnen und Malen, Musizieren, Jagen, Fischen etc.

Der ganze Relieffries gehört zu seinen liebenswürdigsten und sinnigsten Schöpfungen.

In dieser Werkstatt an der Stülerstraße sind Bildwerke der mannigfachsten Art und Größe, Erzeugnisse großer, schöpferischer Kraft in stattlicher Zahl entstanden.

Der Sarkophag Kaiser Friedrichs.

Während der Arbeit an der Modell- und der Marmorausführung des Schillerdenkmals bildete er die kleine Gruppe des Pan, welcher ein nacktes Bübchen auf seinem Schoß die Flöte blasen lehrt; ferner die nackte weibliche Gestalt, welche sich seitlich herabbeugend das Bein nach dem Bade trocknet, die junge Mutter, welche ihr nacktes Kind glückselig auf den Händen emporhält, die beiden Medaillonreliefs: Venus, ihrem Knaben die Tauben ihres Gespanns hinhaltend, und Ganymed, einen Amoretten tränkend, das große Halbrundrelief, Tanz und Musik durch Gruppen von Idealgestalten darstellend. Nach der Vollendung des Schillerdenkmals, welches dann auf seinem Platz vor dem Schauspielhause noch so manches Jahr in seinem Bretterhause der Enthüllung entgegen zu harren hatte, setzte sich diese bildnerische Thätigkeit in immer großartigerer Ausdehnung fort.

Begas sah sich in der glücklichen Lage, nicht erst Aufträge abwarten zu müssen, wenn es ihm auch nie an bedeutenden öffentlichen und privaten Bestellungen fehlte. Seine Hauptwerke waren und sind doch immer diejenigen, zu welchen ihn die eigene freie Phantasie anspornte. Zu diesen zählen vor allem die wunderschöne Gestalt der sitzenden nackten, sich erschreckt den Rücken verhüllenden Frau; dann Psyche, von Merkur getragen, der sich zum Fluge aufschwingen will (in Marmor ausgeführt in der Nationalgalerie); der Raub einer leidenschaftlich sich sträubenden Sabinerin durch einen römischen Krieger; die Nymphe, welche der zärtliche Centaur auf seinen Rücken hebt, indem er die eine Hand zum Steigbügel für ihren Fuß macht; die große Kandelabergruppe, welche die Entstehung des elektrischen Funkens im heißen Kusse einer schwebenden Tochter der Luft und eines erdgeborenen, vom Boden zu ihr aufstrebenden heroischen Jünglings versinnlicht; vor allem das Modell des vielgenannten kolossalen Schloßbrunnens, dessen Erzguß die Stadt Berlin Kaiser Wilhelm II. als Ehrengabe der Bürgerschaft dargeboten hat, und der, dem kaiserlichen Wunsche entsprechend, in der Mitte des Schloßplatzes errichtet worden ist.

Dieser Schloßbrunnen ist eine gewaltige Komposition. Auf hohem Felsensitz, der sich aus weitem Bassin erhebt, thront die bärtige nackte Riesengestalt des Meerbeherrschers, von Putten umklettert. Vier See-Centauren mit fischförmigen Hinterleibern, Gestalten von grandios phantastischer Bildung, bäumen sich, große Muschelbecken über ihren zottigen glotzäugigen Häuptern tragend, an den Ecken dieses Felsenthrones aus dem Wasser des Beckens empor. Nackte Putten entleeren herbeigetragene Urnen in diese Muschelschalen, über deren zackige Ränder das Wasser zum großen Bassin herabströmt. Andere Putten fliehen angstvoll am Felsen hinauf vor den riesigen Hummern und Polypen, welche herankriechen und Scheren und Fangarme nach ihnen ausstrecken, während in weiterer Entfernung Schlange, Seehund, Schildkröte und Krokodil auftauchen und sich hoch aus dem Wasser recken. Auf der vierpaßförmigen Schranke aber, welche das große untere Becken umgiebt, lagern in gleichen Abständen voneinander vier herrliche Nymphengestalten, die Sinnbilder der vier Hauptströme Preußens, auf ihre Urnen gestützt. Der Brunnen ist am 1. November feierlich enthüllt worden.

Von den für öffentliche Bestimmungen von Begas ausgeführten Werken nennen wir die folgenden: die beiden Gruppen von je einem mächtigen Stier, der von einem kraftvollen Mann, Hirt oder Metzger, geleitet wird, auf den Portalpfeilern des Vieh- und Schlachthofes zu Budapest; die weniger als seine andern Bildwerke befriedigende Marmorstatue Alexanders von Humboldt mit ihrem Postament vor der Berliner Universität; die schöne stolze und üppige symbolische Frauengestalt „der Reichthum“ für den Sitzungssaal der deutschen Reichsbank; die beiden sitzenden römischen Krieger für die untern Geländerpfosten der Marmortreppe im Lichthofe des Berliner Zeughauses; ebendort die symbolischen Flachreliefs an der Treppenwand, Armee und Marine versinnlichend; die Marmorstatuen der „Stärke“ und der „Weisheit“ oben in der Feldherrnhalle desselben Gebäudes und die prächtige, in schwungvoll bewegter Haltung dastehende marmorne Riesenstatue der behelmten, auf das Schwert gestützten Borussia in der Mitte des Zeughauslichthofes; den Sarkophag Kaiser Friedrichs III. für dessen Mausoleum mit der im Todesschlaf zurückgesunkenen, mit dem Herrschermantel überbreiteten, rührenden und doch so majestätischen Gestalt des edlen Dulders.

Unter den Arbeiten unseres Künstlers ist auch noch die lange Reihe der Bildnißbüsten zu erwähnen. In der Ausführung dieser Art von Aufgaben bewies Begas jederzeit eine erstaunliche Begabung für die Erfassung der Individualität, der geistigen Persönlichkeit und für die lebendige Darstellung des Abglanzes [799] in den Formen, den Zügen, dem Blick des Antlitzes. Büsten wie die von ihm modellierten und gemeißelten der früh verstorbenen schönen Gattin Hans Hopfens, des Kaisers Wilhelm I., des Kaisers Friedrich als deutscher Kronprinz, der Gemahlin desselben, der Erbprinzessin Charlotte von Meiningen, des Fürsten Bismarck, des Grafen Moltke, der Fürstin Radziwill und manche andere noch reihen sich würdig den schönsten und kunstvollendetsten Meisterwerken an, die auf dem Gebiete der Bildnißskulptur geschaffen worden sind.

Die mächtigen Wirkungen des Beispiels, welches Begas in seinen Hauptschöpfungen gegeben hat, machen sich in der deutschen Bildhauerkunst der letzten zwanzig Jahre fühlbar. Die starke Betonung des Malerischen in der Plastik und das rückhaltlose Streben nach Naturwahrheit und Lebendigkeit der Formen, der Bewegung und der Oberflächen – beides ist durch ihn in unsere moderne Skulptur gekommen. Wenn ihr dadurch die Gefahr einer gewissen Verwilderung des plastischen Stils, der Ausartung ins Naturalistische nahe gebracht ist, so ist andererseits der Gewinn dieser Neubelebung und Auffrischung der im Konventionellen bereits halb erstarrten Kunst so groß und offenbar, daß der Nachtheil jener[WS 1] möglichen Folgen dadurch reichlich aufgewogen wird.

Seit 1876 ist Begas an die Spitze eines Meisterateliers an der Hochschule der bildenden Künste zu Berlin berufen. Er ist Mitglied des Senats der Akademie und mit der höchsten Auszeichnung, welche das künstlerische und wissenschaftliche Verdienst in Preußen belohnt, dem Orden der Friedensklasse des pour le mérite geschmückt. – Seine reiche Begabung ist durchaus nicht einseitig auf die plastische Kunst beschränkt. Er hat von seinem malerischen und architekonischen Talent und Können glänzende Proben gegeben. Er ist ein vortrefflicher Cellospieler und ein Meister in allen körperlichen Uebungen, ein leidenschaftlicher Jäger, der beste Schütze und beschämt durch seine Virtuosität und Ausdauer als Schlittschuhläufer noch heute als sechzigjähriger Mann die flottesten Meister dieses edlen Sports. Wer die fast sechs Fuß hohe schlanke, mit eigenthümlich freier, künstlerischer Eleganz gekleidete Gestalt, welche den prächtigen bärtigen Kopf trägt, jugendlichen Schwunges über die schimmernde Eisfläche dahingleiten und auf stählernen Sohlen vielverschlungene Kreise ziehen sieht, wird es kaum glauben, daß dieser „Meisterläufer“ der ruhmgekrönte Schöpfer einer so langen Reihe gewaltiger Werke, der Bahnbrecher der neuen deutschen Bildhauerkunst sei. Ludwig Pietsch.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ener