Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Mislareuth

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Titel: Mislareuth
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aus: Voigtländischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 5, Seite 210–211
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: o. J. [1859]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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[210]
Mislareuth.


Von Grobau die Eisenbahn verlassend, durch dichtes Holz entlang gelangen wir nach dem 1 Stunde entfernten Pfarrkirchdorfe Mislareuth, um welches die 4 reussischen Ortschaften Rothenacker, Gebersreuth, Heidefeld und Strassenreuth in einer Entfernung von 1/4 Stunde bis zu einer ganzen herum liegen.

Ein Mann, dessen Name auf Misel ausging, hat hier zuerst eine Wohnstätte gereuthet oder gerodet und daher die Benennung Mislareuth: Jedenfalls war dieser Mann an rauhes, kaltes Klima gewöhnt: Denn der Ort liegt ziemlich hoch, hinsichtlich seiner weit sichtbaren Kirche 1027 Fuss überm Meere, wie denn auch die mittlere Flurhöhe zu 1942 Fuss gefunden worden.

Die Lage des Ortes hat aber dessenungeachtet viel interessante Puncte: Das Dorf raint mit Orten dreier Staatengebiete: nämlich in Osten mit Grobau in Sachsen, in Osten mit Preussen, und zwar mit den Fluren der Stadt Gefell, nördlich mit Schleitzer Gebiet und zwar mit Rothenacker und mit Gebersreuth. Auf Schleitzer Boden quillt auch die Wiesenthal, um zunächst Rothenacker, später Mühltroff und Schleitz zu netzen – bei Waldburg die Saale zu verstärken, während, in Osten die gleichfalls in der Nähe entsprungene Kemnitz der Elster zueilt: In Osten erhebt sich auch der Galgenpöhl unweit der Eisenbahn. In Nordwest endlich ist die hohe Rothenackersche Höhe.

Mit der rauhen Gegend steht vielleicht der Name der „Haberländer“ in Verbindung. So nennt man nämlich diejenigen 4 Güter nebst 3 neugebauten Häusern, welche bis Johannis 1856 hinsichtlich der Realjurisdiction abwechselnd dem reussischen Amte Saalburg und dem Bayerschen Rittergute Konradsreuth unterlagen, damals nebst dem zu Schmidts Gute gehörigen und auf eine kleine wüste Mark hinzielenden Poritzsch-Acker zu Sachsen und somit unter das Gerichtsamt Plauen kamen.

Mislareuth zählte 1802 erst 226 Consumenten, 1858 aber in 61 Häusern 414 Seelen. Die Collatur bei der dem Superintendenten zu Oelsnitz unterliegenden Pfarrkirche steht dem Cultusministerium zu, wogegen die Schulstelle die Gerichtsherrschaft vergiebt. Der Pfarrer hat hier Kinder in 3 Staatengebieten und gehörte die Pfarrei zu den Streitpfarreien, welche bis vor wenigen Jahren vom König von Bayern als dem Nachfolger der Markgrafen zu Brandenburg-Culmbach besetzt wurde.

Die Brauerei ruht auf dem hiesigen Gasthofe als auf einem Erbkretscham.

[211] Ausser einer Bachmühle ist hier auch eine der höchsten Windmühlen, deren Besitzer immer kein rechtes Glück machten.

Das erst im Jahre 1749 den 12ten Juli schriftsässig gewordene Allodialrittergut hat nur im Dorfe seine Unterthanen gehabt und der berühmte Jurist, Herr Doctor Steinhäuser in Plauen und nach dessen Ableben Herr Carl Steinhäuser waren hier Gerichtsdirectoren. Im stärksten Winter, wo kein Mensch sich gern in die hier fallenden Windwehen heraustraute, wurden doch in Mislareuth die Gerichtstage abgehalten und öfter gingen die Advocaten aus Plauen, wenn kein Kutscher fahren wollte, hieher zu Fuss.

Das Gut war lange Zeit hindurch in der Familie von der Heiden, worauf es durch Verwandtschaft, an den Oberst-Lieutenant Philipp Heinrich Wilhelm Lazarus von Feilitzsch kam, welcher 1855 als langjähriger Besitzer hier starb, und seine Besitzung seiner Tochter Pauline verehel. von Biedefeld hinterlies, während seine jüngste Tochter an Herrn von Waltenfels auf Gumpertsreuth vermählt ist.

Auf dem hiesigen Begräbnissplatze fällt ein Hügel von 20 Ellen auf, unter dem Namen Pesthügel bekannt, in welchem die Ueberreste vieler an der Pest Verstorbenen, die im Jahre 1575 bis 1601 in der Umgegend wüthete, liegen.

Unter den Gräbern ist ein altes, sehr eingesunkenes, mit einen darauf angebrachten Flügelkreuze von einiger Wichtigkeit, indem darinnen die Ueberreste des sogenannten gelehrten Bauers Nicolaus Schmidt, auch Küntzel genannt, aus Rothenacker, ruhen. In der Mitte des Schildes an diesem Kreutze erblickt man einen Greis in schwarzem priesterlichem Gewande mit weissem Ueberschlage und gefalteten Händen, knieend vor einem Kruzifixe, den Blick gen Himmel gerichtet. Auf der Nebenseite der Kapsel ist folgende nicht mehr lesbare Inschrift:

Hier ruhet Nicolaus Schmidt, sonst Künzel genannt, war geboren zu Rothenacker a. O. 1606. Er ist gestorben 1671 am 26. Juni.

Im 16. Lebensjahre konnte dieser Künzel noch nicht lesen. Ein Knabe, der bei dem Besuche der Winterschule nothdürftig lesen gelernt hatte und als Viehhirt bei seinem Vater diente, wurde sein Lehrer. Künzel, der seiner grossen Unwissenheit sich schämte, lernte von dem Knaben die Buchstaben und bald auch das Lesen. Bald hierauf übte er sich auch im Schreiben.

Späterhin legte er sich auf gelehrte Sprachen, verband damit auch das Studium der Natur- und Sternkunde und Geographie und brachte es nach und nach durch blosses Selbststudium zu einer grossen und bewundernswürdigen Gelehrsamkeit. Nachdem er 10 Jahre lang den Wissenschaften gelebt hatte, kam er durch die Fülle seiner Sprachkenntnisse nahe und weit in einen grossen Ruf und ob er gleich als begüterter Einwohner in seinem Geburtsorte wohnhaft blieb, fand er doch an mehreren Höfen Zutritt, z. B. in Weimar und Dresden. Und unter dem Namen „Gelehrter Bauer“ war er allenthalben bekannt.

Im Jahre 1645 machte er eine Reise nach Dresden, woselbst jeder seiner gelehrten Gönner ihn mit einem werthvollen Andenken erfreute. Auch trugen dieselben ihre Namen in sein Stammbuch ein, welches noch in hiesiger Schule aufbewahrt wird.

Er selbst erzählt davon also:

„Darnach bin ich auf Dresden begehret worden, habe allda Dero Churfürstliche Durchlaucht zu Sachsen ein Buch in Folio auf die Dritthalbhundert Sprachen und Schriften geschrieben in ihre Bibliothek.“

Nach Vollendung seines Werkes liess ihm der edle Kurfürst ein ansehnliches Ehrengeschenk an Gold nebst einer kostbaren Bibelausgabe in 10 Quartbänden zustellen.

in seinem Stammbuche finden sich viele merkwürdige Namen aus Dresden eingeschrieben, wie z. B. der Geheimerath Tunzel, Kirchenrath Tunzel, Hofrath Hass, M. Zimmermann, Rector Böhm u. a.