Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Mittelsayda
Am Fusse des Saydenberges, in einem schönen, breiten Thale, durch welches sich der, an der Nordseite des Berges entspringende Saydenbach hinschlängelt, liegt, vier Stunden südlich von Freiberg entfernt, das Dorf Mittelsayda. Es bildet mit den beiden Ortschaften Obersayda und Niedersayda eine fast anderthalb Stunden fortlaufende Häuserreihe, die auch noch überdies südlich durch Haselbach und Dörnthal verkettet, über zwölf hundert Einwohner enthält, wovon mit dem zu Mittelsayda gehörigen Theile von Obersayda auf ersteres etwa vier hundert kommen. Im Orte befinden sich ein amtssässiges Lehngut und drei Mühlen; auch gehören hierher bedeutende Wiesen, und die Viehzucht gilt nebst der Oekonomie für ganz vorzüglich. Hier, sowie bei Obersayda, befinden sich Teiche, deren Wasser durch die theils an den Gehängen der Berge, theils durch die Gebirge selbst gehauenen und mehrere tausend Lachter weit geführten Wasserleitungen und Gräben zum Umtriebe der Kunstgezeuge, Pochwerke und anderer bergbaulichen Maschinen in Freibergs, Umgebung geleitet werden.
Die drei Ortschaften Obersayda, Mittelsayda und Niedersayda sollen der Sage nach, erst in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts gegründet worden sein, und für solche Behauptung spricht allerdings der Umstand, dass vor dieser Zeit keiner dieser Orte urkundlich erwähnt wird. Die ersten Ansiedler waren, nach der Tradition, Anhänger des zu Costnitz verbrannten Reformators Huss, welche in den waldigen Thälern des Erzgebirges Schutz vor Verfolgung suchten, und noch jetzt lebt hier eine Familie (Seyffert), die sich der Abstammung von einem dieser Ansiedler rühmt.
Zur Zeit, wo die Hussiten hier ein Asyl fanden, hauste auf der nahen Burg Lauterstein Ritter Sebastian von Berbisdorf, der den Flüchtlingen Erlaubniss zum Anbau gab und sie wohl auch dabei unterstützte. Schon 1460 gehörten Mittel - und Niedersayda, nebst Forchheim, zur Herrschaft Oberlauterstein, während Olbernhau, Blumenau, Ansprung, Sorgau, Bockau und Zöblitz die Herrschaft Niederlauterstein bildeten. Doch auch die Burggrafen von Leissnig besassen hier noch Herrenrechte, da sie die Herrschaft Lauterstein nur an die Herren von Berbisdorf verpfändet hatten, sie ihnen jedoch um das Jahr 1488 gänzlich überliessen. Vom Jahr 1492 bis 1545 wird Ritter Andreas von Berbisdorf auf Oberlauterstein genannt, der mit seinem Schreiber oder Gerichtshalter im Lehngerichte zu Obersayda zu Gericht sass. Vor seinem Tode verkaufte Andreas von Berbisdorf einen Theil der Lautersteiner Herrschaft an den Landesherrn, das Uebrige überliess er seinen Söhnen und zwar so, dass der älteste Oberforchheim mit dem Erblehngericht, acht Bauern, einige Erbgärtner und Häusler in Mittelsayda und einige Unterthanen in Niedersayda und Lippersdorf erhielt; auch bekam er das Patronatsrecht zu Forchheim theilweise, zu Mittelsayda aber ganz.
Der zweite Sohn des Ritters Andreas von Berbisdorf erhielt Niederforchheim, eine Anzahl Unterthanen in Obersayda, Lippersdorf und Oberhaselbach und einen Antheil am Patronat zu Forchheim. Der dritte Sohn bekam Mittelsayda mit vier Bauern und Gärtnern, das Erblehngericht in Obersayda, mit elf Bauern und Häuslern und die Hutung auf sämmtlichen Feldern, selbst zu Lippersdorf; auch stand ihm die Koppeljagd auf dem Niederforchheimer Theile von Obersayda zu. Das Patronatsrecht von Mittelsayda blieb bei Oberforcheim. Der vierte Sohn empfing Lippersdorf mit sechs Unterthanen und eine doppelte Anzahl in Lippersdorf. Ein fünfter Herr von Berbisdorf, ob Sohn oder Vetter des Erblassers ist nicht bekannt, übernahm Zöblitz, das noch 1615 der Familie gehörte, in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts aber an den Churfürsten gelangte und Sitz des Amtes Lauterstein wurde. Rechnet man zu diesen verschiedenen Herrschaften noch das Mittelsaydaer, mit Gerichtsbarkeit über fünfzehn Häuser versehene Lehngut, so kann man sich schliesslich vorstellen, welche genaue Lokalkenntniss dazu gehörte, um sich in den verschiedenen Jurisdictionen zurecht zu finden.
Das Rittergut Mittelsayda hat mit dem dazu gehörigen Lehngericht in Obersayda über 450 Acker Feld, Wiesen, Holz und Lehden.
Auf Andreas von Berbisdorf folgte im Besitze von Mittelsayda dessen Sohn Hans von Berbisdorf, der 1586 starb und in der hiesigen Kirche, wo sein Epitaphium noch jetzt vorhanden ist, begraben wurde. Sein Sohn Abraham starb schon 1591 und wie sein hinter dem Altar befindliches Steinbild besagt, fand er daselbst seine letzte Ruhestätte. Caspar von Berbisdorf, sein Sohn, hat sich um Kirche und Schule zu Mittelsayda sehr verdient gemacht, indem er 1604, zugleich mit seinem Bruder Sigismund, zwei neue Schocke für das Schulamt und 1611 ein zweites Legat von 100 Gülden für Pfarre und Schule legirte. Dieses Capital stand auf zwei Bauergütern, von denen eines später an das Rittergut zurückfiel, von welcher Zeit an dieses dem Pfarrer jährlich 2½ Gülden zu entrichten hat. Jenes Bauergut ist die beim Rittergute befindliche sogenannte halbe Hufe. Caspar von Berbisdorf starb 1641 und [90] ihm folgte als Herr von Mittelsayda sein Bruder Sigismund von Berbisdorf, der 1615, laut noch vorhandener Urkunde, seinem Vetter Christoph von Berbisdorf auf Oberforchheim für 100 Gülden das Patronatsrecht abkaufte und über diese Acquisition so vergnügt war, dass er dem Pfarrer statt des bisher üblichen Osterlammes zur Kirchweihe einen fetten Schöps schenkte, mit der Bedingung, dem Schulmeister alljährlich abwechselnd ein Hinterviertel und dann ein Vorderviertel davon zu geben; auch verehrte er dem Pfarrherrn eine Tonne Bier und erkaufte von dem Gemeindeareal im Jahre 1618 für 100 Gülden einen schönen Grasplatz, den er zur Pfarre schlug. Der Tod dieses wohlthätigen Mannes erfolgte 1641, und das Gut kam an Christoph Heydenreich, dessen Grabstein noch hinter dem Altar steht. Er starb 1661. Hans Christoph von Braitwiss (er selbst schrieb sich von Brittewitz) besass Mittelsayda von 1661 bis 1677, und der Oberst Johann Ernst von Braitwiss bis 1694. Beide Herren von Braitwiss hatten Gemahlinnen aus dem Hause Berbisdorf. Von 1694 bis 1718 verwaltete Sigismund von Hass, der eine Berbisdorf zur Frau hatte, das Gut für die Braitwissschen Erben, welche es jedoch in letztgenanntem Jahre an Christoph von Vitzthum-Eckstädt verkauften, der dasselbe bis 1740 besass. Ihm folgten als Gutsbesitzer die Gebrüder Ernst Haubold von Gersdorf auf Gannewitz und Karl Ehrenreich von Gersdorf auf Hermsdorf, von denen Mittelsayda an Christian Andreas Woydt verkauft wurde, den bisherigen Besitzer von Oberforchheim, welches er seinem Sohne überlassen hatte, der 1805 in den Adelstand trat. Nach Andreas Woydts 1796 erfolgtem Tode erwarb Mittelsayda Gottlob Ludwig Bruckmeyer, vorher Besitzer des Rittergutes Kändler und Pächter in Börnichen. Dessen Sohn, Christian Gottfried Ludwig Bruckmeyer, war Sächsischer Offizier und verkaufte Mittelsayda 1812 an den Kaufmann Benedix in Leipzig, welcher das Gut 1814 seinem Sohne, Eduard Benedix überliess, der es 1819 an Johann Gustav Oehme aus Leipzig verkaufte. Von ihm gelangte das Rittergut 1821 an den früheren Pächter Sturm in Neukirchen und 1823 an den Oberlieutenant Klette auf Potschappel, welcher es 1826 an eine Gräfin Bose, geborene Blümner, veräusserte. Am 4. October 1831 verkaufte diese das Gut an den Stadtrichter Herrn Sachse in Freiberg, bekannt als würdiger Landtagsdeputirter, welcher es noch jetzt besitzt.
Die Erbauung der hiesigen Kirche fällt in die Jahre zwischen 1435 bis 1463, in welchem letzteren Jahre die erste Glocke angeschafft wurde. Das Aeussere des Gotteshauses verräth, dass mannigfache bauliche Veränderungen vorgenommen worden sind. Im Innern der Kirche befindet sich an einem hinter dem Altare aufgehängten Denkmale ein schönes grosses Bild, die Grablegung Christi darstellend, welches von Lucas Kranach gemalt sein soll und wahrscheinlich in der Familie des Verstorbenen aufbewahrt wurde, bis man es 1661 an dem Epitaphium befestigte. Hinter dem Altare stehen auch die geharnischten Statuen der Herren Abraham und Hans von Berbisdorf, mit den nonnenhaften Gestalten ihrer Frauen; daneben die Steinbilder eines kleinen Fräuleins von Berbisdorf, das im Wasser umgekommen sein soll, und eines Fräuleins von Braitwiss, die als Braut starb. Vor der Kirche befindet sich ein Denkmal von weissem Marmor, dem ehemaligen Collator Andreas Woydt geweiht, dessen Sohn 1805 der Kirche 100 Thaler zur Erbauung einer neuen Vorhalle schenkte.