Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Pesterwitz
Eine der ältesten alten Burgwarten stand hier in diesem Orte, welcher 1½ Stunde südwestlich von Dresden, links ab von der Strasse nach Freiberg gegen 800 Pariser Fuss über dem Meere ziemlich hoch, aber sehr angenehm gelegen ist.
Als blosse Burgwarte kommt Pesterwitz unter dem Namen Buistrizzi und Bustrizi vor, von deren ehemaligem Dasein noch einige Ueberreste auf einem Berge in der Nähe des Dorfes Zeugniss geben. Sie wurde mit Meissen und Scharfenberg gleichzeitig von Heinrich I. zum Schutze der deutschen Colonien im Plauen’schen Grunde angelegt.
Das Dorf entstand erst später, wurde damals Besterwicz geschrieben und war ein Küchengut des Meissner Bischof, deren er fünf hatte. Die Verleihung erfolgte einer Uebereinkunft des Papstes Sixtus IV. mit den sächsischen Fürsten Ernst und Albert zufolge jedesmal besonders.
Die alte Burg wurde zur Zeit des Hussitenkrieges gänzlich zerstört, wo es Eigenthum eines Johann von Miltitz war und unter das bischöfliche Amt Priessnitz und unter das Dresdner Amt gehörte.
Erst im Jahre 1651 wurde erst das eigentliche Rittergut gegründet und zwar vom Freiherrn[VL 1] von Schwendendorf[VL 2], welcher früher Christian Reichbrod hiess und 1646 unter obigem Namen geadelt wurde.
Die Bildung des Ritterguts erfolgte durch Dazuschlagung von 4 Bauergütern. Nach dem Geschlechte derer von Schwendendorf kam es 1752 an die Kammerherrin von Nimtsch geb. von Haustein und 1820 an den Baron von Thümen, von welchem es der Freiherr von Burgk erkaufte, der es jetzt noch besitzt.
Das Schloss mit seinem hohen Thurme ist eine Zierde der Gegend und steht fast mitten im Orte. Bis zur Einführung der neuen Gerichtsorganisation gehörten die Dörfer Altfranken und Dölzschen dazu.
Zum Gute gehören vortreffliche Fluren und ausgezeichnete Obstplantagen, berühmt aber ist es durch seine unterirdischen Schätze, seine Kohlen, welche durch einen Hirten im 16. Jahrhundert entdeckt wurden. Ein Hirt legt auf den Kohlsdorfer Fehlern Feuer an und umbaut dasselbe, weil der Wind heftig webt, mit schwarzen Steinen, welche ein Pferd aus der Erde gestampft hatte, das zugleich mit den Kühen weidet. Der Hirt sieht mit Verwunderung, dass die schwarzen Steine zu brennen anfangen, erzählt es am Abend seinem Herrn, welcher zwar keinen Glauben beimessend, doch neue Versuche macht und so der Schöpfer des Steinkohlenbaues wird.
Die hiesigen Steinkohlenflötze ziehen sich von Burgk am Windberge unter der Weiseritz weg, bis hin nach Zaukerode, Kleinhermsdorf, Kohlsdorf und Pesterwitz und liegen da nicht selten 3- und 4fach übereinander mit dazwischen grenzendem Sandstein und Schieferthon von 15 bis 12 Ellen Stärke. Die Kohlen werden kunstmässig in Grab-, in Schiefer-, in Pech- und in Blätterkohle oder in Schiefer (Kalk) Kohle, in Hausschiefer und Schmiedekohle abgetheilt.
Der ersteren Sorte bedient man sich hauptsächlich zum Kalkbrennen, der zweiten zur Zimmerheizung. Der ganze hiesige Lagergrund ist, wie deutliche Spuren beweisen, durch Ueberschwemmungen gebildet, was für die vegetabilische Entstehung der Kohlen spricht. Vitriolsäure Körper, wie Gyps, Alaun und Schwefelkies findet man, so wie selbst Vitriol häufig in [204] den Werken; alle Grubenwasser sind damit geschwängert. Abdrücke von Wald und Sumpfkräutern, von Schilf und Baumblättern sind auch nicht selten; im Pesterwitzer Revier hat man selbst immer halbverkohlende Holzstücke gefunden; die Heuer nennen das Sprieselholz.
Die Weiseritz theilt die Flötze in zwei Haupt-Reviere, dies- und jenseits. Das diesseitige Revier trennt den Zaukeroderbach und den Sauberg wieder in zwei Reviere; deren eins von Pesterwitz und Kohlsdorf bis an den Sauberg, das andere aber von der Höhe dieses Berges nach dem Zauberthale, nach Döhlen und Niederhermsdorf streicht.
Die Dampfmaschinen, die Hüttenarbeiter hiesiger Gegend machen das Verweilen des Reisenden hier angenehm und reizend. Stundenlang kann man dasitzen und in dem Beschauen des regen Lebens vergehen die Stunden wie Minuten.
Es giebt wohl keine schöneren Partien Sachsen, als die des Plauen’schen Grundes, wozu Pesterwitz zu zählen ist.
Vor unsern Augen breiten sich weite Wiesenflächen aus, ringsum von verschieden gestalteten Bergen eingefasst.
Der 310 Ellen hohe Windberg gewährt einen grossartigen Anblick, in dessen Hintergrund sich Burgk zeigt. Die Ansicht vom Burgkberge, von Pesterwitz, dem Nimtschen Weinberge und von Neunimptsch sind im höchsten Grade interessant, und stehst du Besucher dieser Gegend auf den Fluren von Pesterwitz, so überschauest du 15 Kirchthürme, in welche über 100 Kirchthürme eingepfarrt sind. An einem schönen Sonntags-Morgen stelle Dich her, beschaue diese Gegend und höre auf das Lauten der Glocken der Umgegend und dein Herz wird sich heben und rufen: Ach! wie schön ist diese Welt, wenn nur auch deren Bewohner verstanden, das Leben auf derselben angenehm und zufrieden zu machen.
Die Lage von Neunimptsch ist darum ausgezeichnet, weil es auf der Ecke desjenigen Gebirges liegt, das den Plauen’schen Grund auf der Westseite und den Zaukeroder auf der Nordseite einschliesst.
Eine Viertelstunde davon liegt Pesterwitz. Das Dorf Neunimptsch ist erst nach und nach seit 1791 auf dem zum Rittergute Rossthal gehörenden Grund und Bodeb erbaut worden und die Gründung dazu hat der Geheimerath von Nimptsch veranlasst, welcher Pesterwitz damals besass.
Neunimptsch wird auch sehr häufig „der Kukuk“ oder „Juchhe“ genannt.
Nach neuerm Ursprung ist Niederpesterwitz, welches erst seit einigen 50 Jahren aufgebaut ist und von Berg- und Hüttenarbeitern bewohnt ist.
Niederpesterwitz, Neunimptsch, Potschappel, Rossthal, Saalhausen, Zaukerode sind in die Kirche nach Pesterwitz eingepfarrt. Die gesammte Kirchfahrt besteht aus 2000 Einwohnern und 300 schulfähigen Schulkindern.
Das Patronat über Kirche und Schule steht der Gerichtsherrschaft von Pesterwitz zu. Pesterwitz, auch Oberpesterwitz genannt, gehört jetzt zum Gerichtsamte Döhlen.