Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Plotzen

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Titel: Plotzen
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aus: Markgrafenthum Oberlausitz, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 3, Seite 46–47
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Plotzen
Plotzen


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Plotzen.


Plotzen, auch Plozen und Plotze, wendisch aber Blotzany genannt liegt zwischen Lehen und Hochkirch nahe der Strasse von Bautzen nach Löbau an einem nordwärts zum Löbauer Wasser fliessenden Bächlein. Der kleinere Theil dieses nach Hochkirch gepfarrten Dorfes gehörte dem zu Anfange des funfzehnten Jahrhunderts von zwei frommen Schwestern gegründeten Hospital der Maria und Martha zu Budissin, während der andere Theil des Ortes sich von der Grundherrschaft freigekauft hatte und in den Schutz der Familie von Metzrad zu Ottenhain begab (1641.) Bis in die neuere Zeit übte die Gerichte des Budissiner Antheils ein Inspector, die Metzradschen aber ein Justitiar aus. – In der Nähe des Dorfes erheben sich die alten Götterberge Hohenstein, Ziegelberg und Czernabog. Hier war es wo die heidnischen Priester und Priesterinnen den Cultus der Götter des Frageberges ausübten. Dieser Berg, wendisch Praschiza, Praschiwa auch Hora Czornoboh genannt, befindet sich in der Hügelkette, welche längst der Strasse von Budissin nach Löbau sich hinzieht, und verdient nicht nur wegen seiner schönen Aussichten – er ist der höchste Punkt – erwähnt zu werden, sondern ist auch dadurch denkwürdig, dass auf ihm die schauerlichen Mysterien der furchtbaren Göttin des Todes und der Nacht, Czorneboh Pya, stattfanden, und von dieser, wie auch von der Göttin des Lebens und der Liebe, Ziwa, durch Priester und Priesterinnen hier Orakelsprüche verkündet wurden. Die Tradition erzählt, dass sich namentlich auf den Czernabog ein Orakel der Czornoboh Pya befand. Der Berg ist theilweise bewaldet und mit einer Anzahl grosser und kleiner Felsstücken bedeckt, worunter sich vorzüglich fünf bedeutende in Zwischenräumen von einigen hundert Schritten aufgeschichtete Haufen Granitblöcke auszeichnen. Der in der Richtung von Osten nach Westen liegende erste Fels heisst mala kaczka – kleine Ente – der andere wulka kaczka – grosse Ente –, die übrigen Haufen aber nennt man schlechthin die Frageberge. Nach dem Sturze des Heidenthums zerstörte man nicht nur die Göttersitze, sondern auch die Felsenklüfte, welche zu den geheimen Stätten des Priestertruges führten, und jetzt ist nur noch eine Oeffnung vorhanden, die „Teufelshöhle“ genannt, aus welcher die Antworten der Götter durch einen im Felsen versteckten Priester ertönten.

Plotzen ist denkwürdig durch die Schlacht bei Hochkirch. Nachdem die verbündete Russisch-Preussische Armee nach der Schlacht bei Lützen über die Elbe zurückgegangen war wählten ihre Generale die durch den Ueberfall Friedrich des Grossen im siebenjährigen Kriege berühmt gewordene Stellung von Bautzen und Hochkirch um dort dem Französischen Kaiser eine Schlacht zu liefern. Die Position, bereits durch natürliche Gelegenheit befestigt, war mit Verschanzungen und Batterien dergestallt eingefasst, dass es unmöglich schien sie mit Glück anzugreifen. Napoleon gelang es indessen nach der Schlacht bei Wurschen (21. Mai 1813) den rechten Flügel der Verbündeten zu umgehen und so war der linke Flügel, welcher sich an Hochkirch lehnte, nicht im Stande dem furchtbaren Drucke zweier Französischen Corps unter Marmont und Macdonald zu wiederstehen, sondern musste dem allgemeinen Rückzuge der Armee in der Richtung nach Görlitz folgen. Die unglücklichen Dörfer, welche auf dem Schlachtfelde lagen, waren nunmehr der Willkühr wüthender Soldaten preisgegeben. Ueberall ertönte das Jammergeschrei misshandelter Landleute, überall schlugen die Flammen über friedlichen Wohnungen empor und haufenweise flohen die verzweiflungsvollen Einwohner mit ihrer geringen Habe um nur wenigstens das Leben zu retten. In Hochkirch erbrachen Soldaten die Kirche, raubten werthvolle Effekten und Gelder, warfen die Leichen aus den Särgen um diese am Wachtfeuer zu verbrennen und trieben die zügellosesten Frevel. In Plotzen, das mitten in dem schrecklichen Schlachtgewühle lag, zeugt noch jetzt eine Kanonenkugel, welche in das Holzwerk des Herrnhauses eindrang von jenen Schreckenstagen, die sich zum Theil im August desselben Jahres wiederholten.

Die Besitzer des Rittergutes Plotzen waren in früheren Zeiten die in der Oberlausitz reichbegüterten Herren von Gersdorf, denen auch das nahegelegene Lehne gehörte. Viele derselben sind in der Kirche zu Hochkirch beerdigt, wo man noch ihre Epitaphia sehen kann. Die Gersdorfe überliessen Plotzen der alten Lausitzischen Familie von Bolberitz. Später gehörte das Gut dem Amtshauptmann von Carlowitz von dem es 1849 durch Kauf an den Herrn H. E. A. von Thielau, Landesältesten und Vorsitzenden der Stände des Markgrafenthums Oberlausitz gelangte. Das Gebäude, auf welchem die Gerechtsame[47] des Rittergutes und die Lehn ruhn, ist ein kleines altes Haus von dem die Bewohner des Dorfes eine Menge schauerliche Sagen zu erzählen wissen. Plotzen ist mit den Dörfern Döhlen, Kohlwesa, Küppritz, Lauske, Lehne, Niethen, Pommritz, Rachlau, Rodewitz, Scheckwitz, Soritz, Sornsig, Steindörfel, Tschorna, Wawitz, Waditz, Wuischka und Meschwitz in die Kirche zu Hochkirch eingepfarrt. Von Meschwitz, wendisch Meschizi, wird behauptet, dass es einst der Sitz der Priester und Priesterinnen gewesen sei, welche auf dem Czornoboh der Pya und Ziwa dienten, eine Annahme, die man von dem wendischen Worte Mjeschnik, ein Priester, woraus „Meschwitz“ entstanden sein soll, herleiten will.

Das Gotteshaus zu Hochkirch ist in den Jahren 1717 bis 1719 von Grund aus neu aufgebaut worden und erhielt 1720 das Dach. Die Stürme des siebenjährigen wie des letzten Krieges sind glücklich an der Kirche vorübergezogen, obgleich sie einigemale von brennenden Gebäuden umringt in grosser Gefahr schwebte. In ihr befindet sich ein schönes dem tapfern Feldmarschall Keith gewidmetes Epitaphium. Derselbe führte am 14. October 1758 ein Regiment zum Angriff in das brennende Dorf Hochkirch und wurde an der Spitze seiner Streiter von einer Kugel in die Brust getroffen. Die Inschrift lautet:

Jacobo Keith
Guilielmi Com. Maresc. Hered. Regui Scotiae
Et Mariae Drumond filio
Friederici Borussorum Regis
Summo Exercitus Praefecto
Viro
Antiquis Moribus Et Militari Virtute
Claro
Dum In Praelio Non Procul Hinc
Inclinatam Suorum Qciem
Mente Manu Voce et Exemplo
Restituebat
Pugnans Ut Heroas Decet
Occubuit
D. XIV. Octobris
A. MDCCLVIII.

Da dieses Denkmal, welches der Englische Gesandte von Keith, des Feldmarschalls Bruder nach erfolgtem Frieden hier aufrichten liess, wegen fehlender Einfriedigung mehrfach muthwillig beschädigt worden war versetzte man es hinter den Altar, aber leider an eine so dunkle Stelle, dass die Inschrift kaum zu lesen ist. Im Haupteingange zur Kirche zeigt man noch die Bank auf welche der Leichnam Keiths gelegt wurde, als man ihn am Morgen nach der Schlacht, im Hohlwege bis aufs Hemde ausgeplündert, auf einem Schubkarren hierherbrachte.

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