Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Rötha
Schon in der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts war wenige Stunden südlich von Leipzig eine grosse Waldfläche gerodet (Röde) und ein freundliches Städtchen, Rötawe auch Rodyn genannt, darauf erbaut worden, welches zuerst in Urkunden von 1291 und 1301 erwähnt wird. Damals befand sich hier ein eigener Gerichtsstuhl.
Schwere Drangsale erlitt das Städtchen, damals noch Rothaw genannt, in dem Kriege der meissnischen Markgrafen mit dem römischen Könige Albrecht, denn als die Schwaben im März 1307 nach Lucka zogen, wurde Rothaw stark heimgesucht, so dass es fast ganz verheert wurde. Früher geschahen hierher auch Wallfahrten zu einem wunderthätigen Birnbaume, unter welchem dann 1502 die Marienkapelle erbaut wurde.
Der pirnaische Mönch, ein sächsischer Chronist, theilt uns mit, dass der Markt Rötha an der Pleisse im Jahre 1530 einem von Pflugk gehört habe, der auf dasigem Schlosse gesessen, nachdem er, da Rötha sich merklich gehoben, seinen Rittersitz von Podschütz hierher verlegt hatte. Noch im Jahre 1582 besass die Familie von Pflugk Rötha mit dem dort befindlichen Rittersitze, dann kam es in Concurs und wurde von den Pflugkschen Gläubigern, am 15. August 1592, an Carl von Friesen, der als Geh. Rath, Hofmarschall und Amtshauptmann zu Altenburg im Jahre 1599 starb, für 28,000 Gülden verkauft. Seit jener Zeit besitzt das Geschlecht derer von Friesen, das im Jahre 1653 in den Freiherrnstand und in einer Linie in den Grafenstand erhoben wurde, – und dem Sachsen und andere Länder mehrere ihrer ersten Staatsdiener und Feldherrn verdanken, – jene Stadt und ihre Umgegend ununterbrochen, und dass der Wohlstand derselben sich immer mehr und mehr hebt, ist allein der freundlichen Fürsorge der edlen Besitzer zuzuschreiben.
Die Stadt Rötha liegt am rechten Ufer der Pleisse, welche sich hier durch eine anmuthige, mit Büschen und fetten Wiesen bedeckte, Aue schlängelt; sie bietet mit ihren vier Thürmen einen recht hübschen Anblick dar und die beiden Kirchen, die Georgen- und Marienkirche, besitzen schöne Silbermannsche Orgeln; namentlich zählt man die letztere, die 1722 gebaut wurde, zu den besten Werken dieses Künstlers. Durch die Freigebigkeit [6] des Herrn Geh. Raths und Kanzlers, Otto Heinrich Frhn. von Friesen erhielt die Georgenkirche im Jahre 1710 eine reichhaltige, seitdem noch vermehrte, Bibliothek.
Am westlichsten Ende des Ortes liegt das Schloss, der jetzige Hauptsitz der Freih. von Friesenschen Familie, ein regelmässiges Viereck bildend, dem das Weissenfelser Schloss wohl zum Vorbilde gedient haben dürfte. Das geräumige Ganze schliesst einen Hof ein; ein geschmackvolles Thürmchen ziert das Schloss, das leider ein wenig versteckt liegt, aber von dem schönen und grossen Schlossgarten aus, der sich bis in die Aue hineinzieht, und einen Beweis von dem feinen Geschmacke der Besitzer giebt, einen reizenden Anblick gewährt. Im 30jährigen Kriege sehr verwüstet, wurde das Schloss in seiner jetzigen Ausführung von Carl Freiherr von Friesen erbaut, und nach den im Schlossthurmknopfe niedergelegten Urkunden, welchen ein Grundriss und genauer Bauanschlag beigefügt ist, im Jahre 1668 vollendet.
Im 7jährigen Kriege, zwei Monate vor der Schlacht bei Rossbach, im September 1758, hatten der König und Prinz Heinrich von Preussen ihr Hauptquartier daselbst. Am 2. Mai 1813, vor der Schlacht bei Lützen, übernachtete der Feldmarschall Blücher daselbst, und während der Schlacht bei Leipzig, im October 1813, wohnten Kaiser Franz, Kaiser Alexander und der jetzige König von Preussen, Friedrich Wilhelm IV., nebst dem Fürsten von Schwarzenberg, in dem Schlosse. Kaiser Franz blieb daselbst bis zum 20. October und bewohnte das Zimmer, welches der jetzige Besitzer, der Königl. Sächs. Kammerherr und Geheime Finanz-Rath a. D., Vorsitzender des Leipziger ritterschaftlichen Kreises, Friedrich Freiherr von Friesen, zu bewohnen pflegt. Die bedeutenden Wirthschaftsgebäude des Gutes, das eine der stärksten Oeconomieen des Königreichs Sachsen bildet, liegen in der Stadt, und gehören dazu, mit den Vorwerken Podschütz und Espenhain, in den Fluren von Rötha, Espenhain, Gaulis und Geschwitz, 804 Acker des besten Landes, darunter 502 Acker Feld, 177 Acker Wiesen, 96 Acker Holz. Ueber 100 Stück Rindvieh und 1000 Schaafe bilden das lebende Inventar.