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Rudolstadt (Meyer’s Universum)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCCXII. Messina Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band (1840) von Joseph Meyer
CCCXIII. Rudolstadt
CCCXIV. Das Amphitheater zu Nismes
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RUDOLSTADT

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CCCXIII. Rudolstadt.




Gar anmuthig liegt die kleine Hauptstadt des schwarzburg-rudolstädtischen Landes zwischen steil ansteigenden, mit Fichten bewachsenen Bergen im üppigen Saalgrunde, und imposant prangt über ihr die hohe Heidecksburg, das fürstliche Schloß.

Rudolstadt führt seine Geschichte in jene Frühzeit der Thüringer hinauf, wo das kräftige, freiheitsliebende Volk unter ihren Herzögen gegen Sorben und Wenden und Franken für seine Unabhängigkeit standhaft kämpfte. Ein Herzog Rudolf soll im sechsten Jahrhunderte denjenigen Theil Rudolstadts erbaut haben, welcher noch jetzt die Altstadt heißt. Thüringer Gaugrafen, das nun längst ausgestorbene Geschlecht der Orlamünde, besaßen die Stadt später und bis in’s vierzehnte Jahrhundert, wo sie, erst als Pfand, dann durch Kauf, an die schwarzburger Grafen kam. Als diese Dynastie sich spaltete, ward sie Residenz der rudolstädtischen Linie.

Hübscher als Rudolstadt ist kaum irgend ein deutsches Städtchen gebaut, das, wie dieses, nicht einmal 5000 Einwohner zählt. Die Anwesenheit des durch Humanität und Leutseligkeit ausgezeichneten Hofs und die sich daran knüpfende Vereinigung fast aller Notabilitäten des kleinen Landes drücken den geselligen Zirkeln den Stempel einer hohen Bildung auf, und man erstaunt über den weiten Kreis kenntnißreicher Menschen an einem so [100] kleinen Orte. Handel und Fabriken haben dabei gar keinen Antheil, denn beide sind ohne Bedeutung und die bürgerlichen Gewerbe beziehen sich fast ausschließlich auf die Bedürfnisse des Hofs und der zahlreichen Beamten. In Rudolstadt haben alle höhern Landesbehörden ihren Sitz. Das Gymnasium genießt einen guten Ruf und hat einige ausgezeichnete Lehrer. Der Ton ist frei, der Ständeunterschied weniger bemerklich als in andern kleinen Residenzen und der Hof, der gern und ungezwungen an anständigen Volksvergnügungen Theil nimmt, geht dabei mit dem besten Beispiel voran. Sinn für Wissenschaft und Kunst ist heimisch und aus ihm sind mit der Zeit mehre Privatbibliotheken von Bedeutung und einige Sammlungen erwachsen, die manches Werthvolle und Gute enthalten. Das fürstliche Naturalien-, Conchilien- und besonders das Mineralien-Cabinet sind sehr reich, und in letzterm sind die Suiten der Erzeugnisse des ehemals so reichen Bergbaus in den kostbarsten und seltensten Stufen aufgestellt. Da sieht man z. B. große Stücke Waschgold aus der Schwarza, Quecksilber aus dem blankenburger Reviere u. s. w. Die sämmtlichen hiesigen sowohl fürstl., als Privatbibliotheken zählen zusammen über 110,000 Bände. In der fürstlichen Gemäldegallerie sind kostbare Werke der größten niederländischen Meister und ein herrlicher Dürer, der Schmuck der ehemals Rath Werlichschen Sammlung, ist noch im Besitz der Familie. Die Umgebungen Rudolstadts sind reizend, die Spaziergänge herrlich. Von den Mauerterrassen des Schloßbergs hat man eine weite Aussicht hinauf und hinab in’s Saalthal, und noch schönere Blicke von den höher gelegenen Punkten des Wildparks, welcher sich hinter dem Schlosse weit über den Bergrücken hin in das Dunkel der Wälder fortzieht. Malerisch an der Saale hingestreckt, ganz nahe liegt das kleine Volkstädt. Dort lebte der größte Dichter seiner Zeit und seines Volks einige Jahre in stiller, heiterer Zurückgezogenheit dem Genuß der Liebe und Freundschaft. Aus seiner Wohnung, die vor dem Dorfe liegt, konnte er die Saale sehen und ihre lachenden Gründe, und gegenüber Rudolstadts Fürstenhaus, das ihn oft gastlich willkommen hieß. Eine Anhöhe dabei, Schiller’s Lieblingsplätzchen, ist mit sinnigen Anlagen und seinem Bronzebilde geschmückt, einem Werke Danneckers. Kein Reisender zieht des Wegs, der nicht hinauf zur Schillershöhe pilgerte und ausruhete unter der Eiche, wo der Dichter so oft geweilt hat.