Russische Gesandtschaftsreise nach Bochara

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Autor: Baron Georges de Meyendorff
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Titel: Russische Gesandtschaftsreise nach Bochara
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 54; 57; 59; 63. S. 213–215, 226–227, 234–235, 249–251.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel: Voyage d’Orenburg à Boukhara etc., Paris 1826
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
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Russische Gesandtschaftsreise nach Bochara[1].


Der Anblick der kirgisischen Steppen, durch welche der Weg von Orenburg nach der Hauptstadt der Bucharey führt, hat etwas melancholisch einförmiges. Mit einem geheimen Schauer betritt der Reisende dieses Land des Schweigens, und kein erquickender Eindruck großer und erhabener Naturscenen belebt seine Einbildungskraft, und bleibt ihm als ein Ersatz für die überstandenen Mühseligkeiten, wenn er es wieder verläßt.

Man denke sich eine Wüste von siebenzig Tagreisen, einen dürren, durch die Hitze aufgeborstenen Boden, dessen Farbe ein schmutziges Gelb ist, einen unermeßlichen Horizont, ohne einen Gegenstand, worauf das Auge gerne verweilen möchte. Nachdem die Sonne schon im Monate Mai das spärliche Gras weggebrannt hat, ist ein armseliges Dorngestrüppe, das sich nicht drei Fuß hoch über die Erde erhebt, nebst einer Art von schwarzem oder grauem Wermuth das einzige Pflanzenleben. Die Steppen von Mittelasien, im Osten des caspischen Meers, vermögen, ihrer ganzen geologischen und klimatischen Beschaffenheit nach, weder viele noch mannigfaltige organische Erzeugnisse hervorzubringen. Dem mit einer schwachen Lage von Thon oder Sand belegten, und an vielen Orten mit Salzen geschwängerten Boden fehlt es an Zeugungskraft. Die strenge Kälte, welche unmittelbar auf eine unmäßige Hitze folgt, hindert das Wachsthum der Bäume und der eigentlichen Kräuter: daher die Seltenheit der Wälder, der Wiesen, und selbst der Heiden. Mag man je zuweilen Pappeln, Weiden oder Buschwerk, das die Höhe von fünf bis sechs Schuh erreicht, in Gruppen bei einander finden, so ist dieß nur in den kleinen Oasen der Fall, in welchen ein in seinem Lauf gesperrter Fluß einen fruchtbaren Schlamm unterhält, oder süße, oft warme Quellen das Erdreich während des ganzen Jahrs bewässern. Indessen bleibt im Ganzen auch hier die Pflanzenwelt der Steppe in ihrem zwergartigen Charakter: die Staudengewächse, und unter diesen die Schotengewächse, herrschen vor.

Dieselbe allgemeine Bemerkung gilt von der thierischen Bevölkerung der Steppe. Die großen Säugthiere Asiens kommen gar nicht oder selten vor. Hier ist das Vaterland der Mäuse, die vielleicht kein Land der Erde in so zahlreichen Variationen aufzuweisen hat. In dem durchlöcherten porosen Boden finden sie gegen den Wechsel der Witterung Schutz, und Nahrung von Wurzeln und Zwiebeln. Im Schilf der großen Flüsse trifft man jedoch auch wilde Schweine und Tiger an.

Vom Ural bis zum Sir-Deria (Jaxartes) oder vielmehr von einem Arme desselben, dem Kuwan-Deria bis zum Amu-Deria, (Oxus) auf einer Strecke von mehr als sieben hundert Wersten (zu 171/5 Min.) gibt es, nachdem der Djan (einst Kizil)-Deria seit etwa zehen Jahren versiegt ist, keinen einzigen Fluß. Man sieht gegenwärtig von Djan-Deria nichts mehr als sein hundert Toisen breites, und 3 bis 4 Toisen tiefes Bett, in welchem noch hie und da ein Loch mit Wasser angefüllt ist. In Gegenden, wo Erdbeben häufig sind, dürfen aber solche Erscheinungen nicht so sehr befremden. Warum, könnte man eben so gut fragen, tritt der Aralsee von Tag zu Tag weiter zurüdk, warum hat der gewaltige Amu-Deria, der sich früher in das caspische Meer mündete, seinen Lauf dergestalt geändert, daß er jetzt in den Aralsee fällt?

Durch das Verdünsten des Wassers und das Einschlucken des Sandes vertrocknen jedes Jahr im Sommer die meisten kleinen Flüsse. Manche von ihnen verwandeln sich dann in eine Reihe von Seen, die entweder gar nicht oder nur durch dünne Wasserfäden miteinander zusammenhängen; manche lassen kein Zeichen ihrer Existenz als das leere Bett übrig, welches sich erst wieder füllt, wenn im Frühling der Schnee schmilzt. Um diese Zeit schwellen die Flüsse und Bäche zu wilden Strömen an, die sich in den mit bunten Kieseln bestreuten, sonst so harten, nun durch das Schnee- und Regenwasser aufgelockerten Thongrund tief einwühlen.

Kleine Hügelketten, nackt und ohne Vegetation, mit abgewaschenem Gipfel, sanft gesenkt gegen Norden, schroff abfallend gegen Süden, durchs Wasser durchfurcht und zerrissen, mit einer Höhe von 10 bis 30 Toisen, laufen über die wellenförmig sich erhebende Ebene hin.

Das ganze Ansehen einer Sandwüste gewinnt das Land, wenn man die Mugladjargebirge, einen Zweig des Urals, zurückgelegt hat. Hier findet man den beweglichen Sand, der dem Reisenden in Afrika so gefährlich ist, vier bis sechs Toisen hohe Dünen, denen jeder Windstoß eine [214] neue Form gibt. Von da an, und überhaupt je weiter man gegen Süden vordringt, wird das Klima milder, im Winter der Schnee seltener, aber auch die Steppe dürrer und unfruchtbarer.

Der beste Theil der Steppe ist der nördliche bis zum 52°: der kulturfähige Boden bringt hier Nadelhölzer, Birken und schönes Gras hervor. Im westlichen Theil, das ist auf dem Weg von Orenburg nach Bochara, findet man keinen Grashalm bis zu den Muhgadjarbergen, die mit ihren sonderbar gruppirten kleinen kegelförmigen Hügeln, woraus sie bestehen, und mit ihren wilden Felsenpartien einen eben so interessanten Anblick darbieten, als die Fruchtbarkeit ihrer Thäler einen vergnüglichen Aufenthalt verspricht. Indessen ist die Höhe dieser Berge nicht bedeutend, da der höchste von ihnen, der Airuk, vom Fuß an gerechnet, nicht mehr als 150 Toisen hoch ist.

Die diplomatische Karavane des Staatsrathes von Negri mit ihrer Bedeckung von 500 Mann Kosaken und Baschkiren hatte unter den Vorbereitungen zur Reise die günstige Jahreszeit verstreichen lassen. Da man kein russisches Geld ausführen darf, so war man genöthigt, um die zum Unterhalt des Gefolges in Bochara benöthigten 72,000 (Papier-)Rubel in Dukaten zu bekommen, nach Moscau 1,500 Werste weit, zu schicken. In der Nähe von Orenburg, oder in Orenburg selbst, war eine solche Summe Goldes nicht aufzutreiben. Zum Transport des Gepäckes, der Reisevorräthe, der Wasserschläuche, der Pontons, der Munition für die Mannschaft und für zwei Stücke Artillerie, zum Bespannen von 25 Wagen, um Kranke und Verwundete zu führen, brauchte man eine bedeutende Anzahl theils Pferde, theils Kameele.

Die kirgisischen Häuptlinge, welche die Lieferung von 358 Kameelen, auf deren jedes eine Last von 640 Pfund gerechnet wurde, übernommen hatten, erschienen nicht auf die bestimmte Zeit. Man hatte mehrere Verhandlungen mit den Kirgisen, um die Richtung des Wegs, den man einzuschlagen hatte, und die Schwierigkeiten kennen zu lernen, auf die man vorbereitet seyn mußte. Fünf von ihnen wurden als Wegweiser, etliche und sechzig als Führer und Besorger der Kameele in Dienst genommen.

Am 10 Oktober, nachdem sich noch eine Anzahl Kaufleute angeschlossen, setzte sich die Karavane, 700 Kameele und 400 Pferde stark, in Marsch. Man wünschte sich Glück, daß der kirgisische Sultan Harun-Gasi Abul-gasi dem Gouverneur von Orenburg das Anerbieten gemacht hatte, die Gesandtschaft mit einigen hundert Kirgisen bis an den Sir-Deria zu geleiten. Denn obgleich die Kirgisen[2] zum Theil die russische Oberherrlichkeit anerkennen, so sehen sie doch diese militärischen Recognitionen (als eine solche muß eine bewaffnete Gesandtschaft angesehen werden) höchst ungern, und insofern waren sie den Russen, von deren Gebiet sie häufig ihre Sklaven holen, nicht minder ein Gegenstand ernstlicher Besorgnisse, als die im Süden des Aralsees wohnenden Kiwier, welche ihre Raubzüge oft in der Zahl von 4 bis 5000 Mann tief in das Innere der Steppen ausdehnen.

Die größte Gefahr für die russische Karavane lag nicht in einem etwaigen Angriffe von einer solcher Cavaleriemasse (die zweihundert Mann Infanterie, welche einen Theil der Bedeckung ausmachten, schienen dagegen hinreichend zu sichern), sondern in der Möglichkeit, daß die Kameele durch das wilde Geschrei der Feinde, womit sie ihre eben so unerwarteten als ungestümen Ueberfälle ankündigen, scheu gemacht und zersprengt werden könnten. Beugt man dieser Gefahr nicht dadurch vor, daß man die Thiere, noch ehe die Unordnung unter ihnen eingerissen ist, niederkauern läßt, so haben die Feinde gewonnen Spiel und mit dem Verlust der Kameele und dem damit verbundenen Verlust der Mittel der Subsistenz und des schnelleren Fortkommens ist der Untergang der Karavane entschieden.

Man lese das Reisejournal: die größte Tagreise betrug sechs und vierzig Werste, manche blos zwanzig, oder noch weniger, und in den ein und siebenzig Tagen, welche die ganze Reise dauerte, hatte man nichts aufzuschreiben, als Notizen wie folgende: „Wasser,“ „wenig Wasser,“ „schlechtes, salziges Wasser,“ „etwas Gras,“ „Stauden,“ und oft lautete es noch kläglicher „kein Wasser.“

Wenn also auf der einen Seite eine Armee, welche, um die Bucharei zu unterwerfen, durch die kirgisischen Steppen marschiren wollte, manche örtliche Schwierigkeiten zu überwinden hatte, indem sie ihren ganzen Bedarf auf Kameelen mit sich führen müßte, so brauchte sie auf der andern Seite, um ihren Zweck zu erreichen, nicht eben sehr zahlreich zu seyn. Uebrigens hat man im Oriente Heerden von 70,000 Kameelen im Gefolge von erobernden Armeen gesehen, welche gewiß hinreichend waren, um das Gepäck von 100,000 Mann zu transportiren.

Die Engländer möchten gerne jeden Umstand, der ein Vordringen Rußlands gegen Indien erschwert, als ein absolutes Hinderniß darstellen. Freilich sind Peter dem Großen zwei Versuche mißlungen.

Peter, in der Absicht sich der Goldmine von Vassilicara zu bemächtigen, und am Amru eine Festung zu bauen, die ihm eine direkte Verbindung mit Indien öffnen sollte, rüstete zwei Expeditionen gegen die Kirgisen aus. Der General Libarev, der den Irtisch aufwärts drei Tagreisen über Nor-Saisan hinaus vorgedrungen war, kehrte um, da er sich in den unermeßlichen Wüsten nicht mehr zurecht fand, und erreichte glücklich die russische Grenze; Der Prinz Bekevitsch Tscherkassi, dessen Unglück zum Sprichwort geworden ist, wurde mit seinem ganzen Korps aufgerieben. Aber Peter zeigte den Weg, den eine russische [215] Armee einschlagen mußte: nämlich über den Aralsee nach der Mündung des Amru.

[226] An den Ufern des Ilek, des bedeutendsten Flusses, welchen die Reisenden passirten, ehe sie den Sir-Deria erreichten, sahen sie zum ersten Male einen Aul, das heißt ein kirgisisches Dorf, welches aus etwa fünfzig Kibitken oder Zelten von weißem oder braunem Filze bestand. Der Fluß macht diese Gegend zu einem Lustort für die Kirgisen und für ihre Heerden: fünf bis sechstausend Schafe weideten auf den schönen Grasplätzen. Es war das Lager des Sultans Harun-Gasi, welcher hier die Caravane erwartete.

Von einem Besuche, den Herr von Meyendorff dem Beherrscher der Nomaden abstattete, macht er folgende Schilderung.

Der Sultan ließ uns einige Minuten warten, wahrscheinlich damit er Zeit hatte, seine Wohnung zum würdigen Empfang der russischen Gäste gehörig in den Stand zu setzen. Endlich hieß man uns eintreten. Wir fanden den Sultan, einen Mann von frischer Farbe, mit schönen schwarzen Augen, mit einem Gesicht, worin ein sanfter, jedoch ernster und dabei sehr gescheidter Ausdruck lag, sitzend in einem großen runden Zelte. Ihm zur einen Seite saßen im Halbkreise seine Freunde und zur andern standen die für uns bestimmten Bänke. Die Wände waren mit Teppichen bedeckt; verschiedene Kleidungsstücke, einige stattliche Tigerfelle, ein sehr reiches mit Türkissen und Balaß-Rubinen besetztes goldenes Diadem, der Kopfputz einer kirgisischen Dame, hingen an einer Schnur. Zugleich sah man aber auch recht auffallend den Contrast des Luxus mit der Natur, die eitle Liebe zur Pracht neben den einfachen Bedürfnissen des wilden Lebens: denn an einem Hacken hingen Vorräthe von rohem Fleisch, auf dem Boden lagen große lederne Schläuche, mit Kumes[3] gefüllt, und allerhand hölzerne Geräthschaften.

Die Kirgisen sind mit ganzer Seele Nomaden. Es geht eine alte Sage unter ihnen, daß sie die Freiheit verlieren, sobald sie in Häusern wohnen und Ackerbau treiben. Nur die Armuth hat Einzelne vermocht, einer ihren Begriffen nach so ehrenvollen Lebensart zu entsagen, die sie berechtigt, sich zu rühmen, „daß sie frei seyen, wie der Vogel in der Luft.“ Die Russen sahen den Bruder eines sehr angesehenen Sultans, der, in einem Gewand von rothem Zeug, zu Pferde seine Schafe auf die Weide führt und so vierzehn Tage lang die Reisenden begleitete. Mit der Tapferkeit der Araber verbinden sie deren Stolz und Rachsucht und auch die Liebhaberei für Erzählungen. Ein Kirgise setzt sich zu Pferde, und mit unglaublicher Geschwindigkeit durchrennt er fünf- bis sechshundert Werste weit die Wüste, wenn er einen Verwandten oder einen Freund bei einem fremden Stamme besuchen will. Einer gastlichen Aufnahme gewiß, kehrt er auf solchen einsamen Fahrten in jedem Orte ein, wo man, selbst ohne ihn zu kennen, die Mahlzeit, welche aus Kruk,[4], Hairan,[5] Fleisch, oder auch aus Kumes besteht, gerne mit ihm theilt. Er erzählt und man erzählt ihm wieder, und nach einigen Tagen kehrt er reich an Geschichten zu den Seinigen zurück, um sich den gewohnten Genüssen seiner unzerstörbaren Muße von neuem zu überlassen.

Der einzige Gegenstand, womit sich der Kirgise zu Hause beschäftigt, ist die Aufsicht über die Heerden, während seine Frau für ihn arbeitet, die Küche besorgt, seine Kleider verfertigt, sein Pferd sattelt.

Die Eintönigkeit des Lebens gibt dem Charakter der Kirgisen und selbst ihrem Aussehen einen gewissen finstern, schwermüthigen Anstrich. Stunden lang lauschen sie dem Murmeln der Wellen des rasch dahinströmenden Sir-deria, und sitzen Nächte lang vor der Hütte auf einem Stein, den Blick unverwandt auf den Mond gerichtet, gegen welchen sie die augenblicklichen Ergüsse ihres Gefühls in traurigen Weisen hinaufsingen. Der ernste lyrische Geist ihrer Poesie, mit einer starken Beimischung des den Orientalen überhaupt, und namentlich den Arabern, eigenthümlichen gnomischen Elements, spricht sich ebenfalls in ihren Heldenliedern aus, welche durch den Mund gelernter Sänger fortgepflanzt werden. Von einer andern Seite zeigt sich das poetische Talent der Kirgisen in den kurzen muntern oft schalkhaften und treffenden Einfällen ihres Humors, worin sie weder sich, noch Andere verschonen, den Khan oder den Sultan selbst nicht ausgenommen.

Einige Proben, die Herr von Meyendorff in letzterer Beziehung mittheilt, dürften indessen unserem europäischen Geschmack weniger zusagen als das Lied einer kirgisischen Schönen, welches die Reisenden singen hörten:

[227] „Siehst du den Schnee? Blendender ist die Weiße meines Leibes. Siehst du, wie das Blut des geschlachteten Lammes den Schnee färbt? Röther sind meine Wangen. Gehe auf jenen Berg und siehe die Kohlen von dem verbrannten Baume. Meine Haare sind dunkler. Bei dem Sultan sind Mollas, die schreiben viel; aber meine Augbrauen sind schwärzer als ihre Dinte.“

Mit Ausnahme des Islams, der sich der alten Sitte mehr schmiegte, als daß er sie unterjocht hätte, wußten die Kirgisen jeden fremden Einfluß abzuwehren. Bei einem Nomadenvolke wirkt die auf Sitte und Religion gegründete öffentliche Meinung gleich einem Verfassungsgesetz, von dem der Aelteste, der Bey, der Behadir[6], der Sultan oder der Khan schlechterdings nicht abweichen darf, ohne sich der Gefahr auszusetzen, daß seine Untergebenen ihn verlassen, und einen andern Gebieter suchen. Kein Khan wäre im Stande, den Kirgisen den Geschmack an Raubzügen zu benehmen, oder ihnen die Ausübung der Blutrache zu verbieten, oder überhaupt ihre Leidenschaften nach bloßen Gutdünken zu regeln.

[234] Eine unbedeutend scheinende Veranlassung kann den Zorn der Kirgisen dergestallt reizen, daß sie nicht eher ruhen, als bis sie sich durch Feuer und Schwert Genugthuung verschafft haben. Als vor einigen Jahren die Bucharen den Kirgisen die verlangte Hülfe gegen die Kierier abschlugen, schnitt ein Kirgise seinem Pferd den Schweif ab, ging zu dem ersten Vezier in Bochara und sagte zu ihm: „Wie ich diesen Schweif von meinem Pferde trenne, so trenne ich mich von dir: ich werde in Zukunft euer erbittertster Feind seyn. So erklärte ein einzelner Kirgise der ganzen Bucharei den Krieg, den er sofort durch Hinwegnahme einiger Menschen und Kameele selbst eröffnete, und derselbe würde vielleicht im Fall einer bloß persönlichen Beleidigung, ohne vorherige Rücksprache mit der Autorität des Fürsten, das gleiche zu tun kein Bedenken getragen haben.

Eines Tages waren die Reisenden Augenzeugen von kirgisischer Rechtspflege. Sulta Harun-Gasi hatte einen Pferdedieb von der Horde, den Verordnungen des Korans gemäß, zum Tode verurtheilt, auf die Verwendung einiger alten Kirgisen aber, welchen die Begnadigung des Verbrechers im Augenblick ihrer Vereinigung mit den Russen von glücklicher Vorbedeutung schien, die Strafe gemildert.

In dem Auftritt, der jetzt erfolgte, trat nun ganz wieder die rauhe kirgisische Sitte in die Stelle des muselmännischen Rechts. Der Dieb wurde halb nackt ausgezogen, ihm ein Stück schwarzer Filz auf den Rücken gehängt, und er so von zwei zu Pferde sitzenden Männern mit Peitschen genöthigt, nach dem nächsten Zelte zu laufen. Nachdem man ihm hier das Gesicht mit Ruß geschwärzt hatte, mußte er den nemlichen Weg mitten durch den Haufen der Umstehenden zurück machen. Nun ließ man ihn einen Strick, der einem Pferd an den Schwanz gebunden war, zwischen die Zähne fassen, und hinter dem Pferd, das in Gallopp gesetzt wurde, herlaufen. Mehrere Personen schlugen indessen tüchtig mit der Peitsche auf ihn los, und das übrige Volk, das bloß zusah, lachte aus vollem Halse. Nach einer Hetze von einigen Minuten band man ihn los, worauf der sich bei dem Sultan für die gnädige Strafe bedankte, und nicht mehr zu stehlen versprach. Schlimmer ergieng es aber dem Pferde des Diebs: es erlitt das Schicksal, welches anfänglich seinem Herrn bestimmt war; man schnitt ihm die Gurgel ab, und in einem Augenblick war es zerstückelt und zertheilt. Man könnte vermuthen, den Kirgisen wäre noch aus ihrer heidnischen Vorzeit etwas vom Begriff des Sühnopfers als einer stellvertretenden Genugthuung geblieben, wenn nicht der profane Lärm, das Geschrei und das Geraufe unter welchem die Exekution vor sich gieng, wahrscheinlich machte, daß es ihnen in dem letzten Akte blos um die leckere Mahlzeit zu thun war, [235] worauf sie, als auf die Gerichtssporteln, von Rechtswegen Anspruch hatten. –

Welch ein Unterschied als die Reisenden endlich das langweilige Flachland mit der gebirgigen Bucharei vertauschten! Ehe sie an den Djan-Deria gelangten, hatten sie so wenig eine bestimmte Straße vor sich, daß selbst ihre Führer sich kaum zu orientiren wußten, obgleich die Kirgisen nie eine Gegend vergessen, wo sie nur einmal in ihrem Leben gewesen sind.

Einige Male, besonders in den finstern Decembernächten, wenn sich die Karavane verspätet hatte, überließen sie sich geradezu der Leitung losgeschirrter Kameele oder Pferde. Denn da der Weg immer die Richtung nach den Orten nimmt, wo Wasser ist, so sind diese Thiere, die dasselbe auf eine große Entfernung wittern, sicherere Wegweiser als die Menschen, sofern zwar das Gedächtniß, nicht aber der Instinkt irren kann.

Bei Tag sind die überall zerstreuten Grabmäler, für welche die Sitte immer die höchsten Punkte auf den kleinen Sandhügeln wählt, gute Erkennungspunkte. In der Nähe des Sir-Deria werden diese Denkmale, an deren manche sich eine religiöse Verehrung anknüpft, so zahlreich und beträchtlich, daß sie ganzen Städten gleichen. Sie sind gewöhnlich aus einem mit zerhacktem Stroh vermischten Lehm gebaut, und die Trockenzeit des Himmelsstrichs macht sie sehr dauerhaft. Reiche Kirgisen lassen zuweilen die Baumeister aus Bochara kommen, und bedienen sich statt des Lehms der an der Sonne getrockneten Backsteine.

Diese Grabmäler sowohl als noch mehr die zum Theil sehr weitläuftigen Ruinen, auf die man in der Nähe der Flüsse stößt, erinnern an eine vor-kirgisische Zeit, in welcher das Land ungleich mehr bevölkert und bebaut war. Um sämmtliche Ruinen herum liegen Felder, die durch eine Menge mühsam gegrabener Kanäle bewässert werden konnten, und auf ein vormaliges Vorhandenseyn eines thätigeren und kunstreichern Geschlechts schließen lassen. Von den Kirgisen erhielt man keine näheren Aufschlüsse über diese ältern Steppenbewohner: sie wußten blos, daß es die Nogaïs gewesen seyen, ein Name, den die Baschkiren auch ihren Voreltern beilegen.

[249] Zwei Bucharische Grenzposten, eine Art Douanen[7], liegen noch mehrere Tagreisen weit in der Wüste. Der Khan ließ die Gesandtschaft beim Eintritt in sein Gebiet durch einen Offizier begrüßen und ihr Erfrischung und Lebensmittel anbieten, eine Artigkeit, die sehr willkommen war. In Agfatma, dem zweiten Grenzorte, fand man das Erwartete. Es war ein Vorrath von weißem Brod, von Trauben, Melonen und Granaten, womit man sich nach der langen Reisekost, die aus Zwieback bestand, einmal wieder gütlich that. Auch für die Pferde und Kameele war gesorgt worden.

Endlich erreichte man das angebaute Land. Von hier an bis zu ihrem festlichen Einzug in der Hauptstadt wurde die Gesandtschaft mit Höflichkeiten überhäuft. Fast auf jeder Station erschien ein Abgeordneter des Khans, gleich zu Anfang sein erster Minister und mit diesem eine Ehrenwache für die Gesandtschaft von zweihundert Reitern unter den Befehlen eines Pansad-Baschi[8], und zuletzt ein Prinz von Geblüt, der ein Glückwunschschreiben des Khans überreichte. Augenscheinlich lag diesen Höflichkeiten mehr asiatische Förmlichkeit als wirkliches Wohlwollen zum Grunde und vielleicht auch ein gewisses Gefühl der Inferiorität gegenüber dem Repräsentanten einer großen Macht. Da uns aber Herr von Meyendorff über den Zweck der Gesandtschaft im Ungewissen läßt, so können wir bloß als wahrscheinlich vermuthen, daß die bucharische Regierung in diesem Augenblicke noch besondere Gründe zu ihrer Condescendenz gegen Rußland haben mochte.

Die Nachricht von der Ankunft der Gesandtschaft hatte eine Menge Neugieriger nach der Gegend hingezogen, durch welche die Russen kommen mußten. Oft wurde das Gedränge auf der Straße und in den Dörfern so groß, daß die Polizei zu ihren Stöcken greifen mußte, um die gute Ordnung zu handhaben und den Weg frei zu halten. Das Interesse der Europäer an den Tausenden von Orientalen mit blauen Gewändern und weißen Turbanen, die zu Fuß oder zu Wagen, auf Pferden oder auf Eseln ihnen entgegen eilten, konnte nicht größer seyn, als die staunende Aufmerksamkeit, mit welcher die letztern die ihnen fremde Erscheinung einer in militärischem Schritte, in vollständiger Uniform und unter Trommelschlag marschirenden Infanterie betrachteten. Die Russen suchten durch ihre kriegerische Haltung, die Bucharen durch die Pracht ihrer reich geschirrten, mit goldgewirkten Schabracken bedeckten Pferde zu imponiren.

Der Eindruck, den der Anblick des bucharischen Landes auf die Reisenden machte, war sehr vortheilhaft. Es ist aber zweierlei zu bemerken, einmal daß sie gerade aus der Wüste in die Bucharei kommen, und zweitens, daß sie im Winter hin- und im Frühling zurückreisten, also den Sommer, der wegen des dann allgemein[9] herrschenden Wassermangels und überall eindringenden Sandstaubes[10] den Aufenthalt daselbst sehr unangenehm macht, nicht dort zubrachten. Man kann, sagt Herr von Meyendorff, keine anmuthigere Gegend sich vorstellen, als diese mit Menschen, Häusern, Gärten und Feldern bedeckte Ebene.

Eine bunt anzuschauende Bevölkerung von dritthalb Millionen Menschen drängt sich in den Raum von drei hundert[11] Quadratmeilen. Da sieht man die stolzen, tapfern, [250] schön gewachsenen Usbeken[12], die von Astrakan eingewanderten Eroberer des Landes, aus deren Geschlechte die regierende Dynastie stammt, mit einiger, aber nicht sehr merklicher Beimischung der mongolischen Race; – Turkomannen, in deren etwas breiten Gesichtern, untersetzten Staturen, kleinen Augen, schon mehr mongolisches Gepräge ist; – Kirgisen, unfreundliche Gestalten, mit dem wilden Feuer in den großen ernstblickenden Augen, mit oft schon ziemlich bedeutender Annäherung der Nase zu der mongolischen Aufstülpung, aber ohne die Vierschrötigkeit der Mongolen und ohne die Ausdrucklosigkeit ihrer Gesichter; – Afghanen, Abkömmlinge von Geißeln, welche Timur ihrem Vaterlande entrissen, mit dem sinnenden Ausdruck einer hindustanischen Physiognomie; – Sarys und Tadschiks, die ursprünglichen Bewohner der Bucharei, Nachkömmlinge, wie man glaubt, der alten Sogdianer, sanfte, geschmeidige, gebildete, aber unkriegerische, Menschen, mit feinen, europäischen Zügen, weniger brauner Gesichtsfarbe als die Araber und Perser, deren es hier gleichfalls sehr viele gibt; – endlich Kalmuken, Lesgisen, Juden und Zigeuner, persische und russische Sklaven. Nicht leicht dürfte sich irgendwo in der Welt ein Staat von verhältnißmäßig so kleinem Umfange finden, der eine solche Menge der verschiedensten Völker-Individualitäten aufzuweisen hätte, wie die Bucharei, die dadurch den lebendigen Beweis liefert, daß sie seit Jahrtausenden der Tummelplatz aller asiatischen Eroberer gewesen ist.

Der Ackerbau ist eine ergiebige Quelle des Nationalreichthums, und wird mit bewunderswürdiger Einsicht und Sorgfalt behandelt. Seine zahlreichen Produkte sind, da die Industrie keine Fortschritte macht, fast die einzigen Gegenstände des Handels.

Die Felder sind in kleine Vierecke eingetheilt, und rings mit Rasen eingefaßt, damit das Wasser, womit sie gewässert werden, nicht abläuft. Zahllose Kanäle welche die Hauptflüsse des Landes, den Zer-afchâan und den Kachga sammt ihren Nebenflüssen aussaugen, durchkreuzen sich, und sind, wie die sehr schmalen Straßen, in der Regel mit Alleen besetzt. Da die Kanäle nicht gleichen Wasserspiegel haben, so bilden sie auf den Punkten, auf welchen sie zusammenlaufen, kleine Wasserfälle, deren Murmeln melodisch in das Ohr rauscht. Die regelmäßig angelegten Gärten, worin Iris, Aster, Herbstrose, Nelke, Mohn und Sonnenblume prangt, wo Pfirsich, Quitte, Feige und Granate blüht, die zwischen den Bäumen verstohlen durchblickenden Dörfer mit ihren Mauern und Zinnen, wodurch sie das Ansehen kleiner Festungen bekommen, tragen wesentlich bei, das Malerische der lebensvollen Landschaftsscene zu erhöhen.

Bochara sieht man nicht eher, als bis man sich bis auf drei Werste genähert hat. Welche Ueberraschung für den Europäer wenn sich auf einmal der Glanz einer muselmännischen Hauptstadt vor seinen Augen entfaltet, wenn sich die Thürme und Mauern einer Stadt von 70,000 Einwohnern, in einem Umkreis von fünfzehen Wersten, stolz aus der mit Gärten und Obstwäldern, mit Seen und Landhäusern bedeckten Ebene erheben, noch überragt von den Giebeln der Paläste, der Medressés[13], der Minarets und den Façaden und Kuppeln von drei hundert und sechszig Moscheen, auf deren mit farbigen Ziegeln, wie mit Blumen[14], bunt besäete Dächer die Sonne ihre Strahlen wirft.

Aber die Täuschung schwindet, wenn man die Stadt betritt. Schmutzige, krumme, kaum fünf bis sechs Fuß breite Gassen, graue Lehmhäuser, die, weil ihre Vorderseite gegen den Hof gerichtet ist, dem Vorübergehenden nichts als kahle Wände zeigen, das Gedränge der Menschen und Thiere, durch welches man sich mit Mühe und nicht ohne Gefahr durcharbeitet, eine Bevölkerung, die keinen Laut der Freude, nichts von Gesang oder Musik oder Festlichkeit vernehmen läßt, diese ganz gemeine Wirklichkeit hemmt mit einem Male den Schwung der Phantasie und zerstört die hochgespannten Erwartungen.

Ihr classisches Zeitalter hatte die Bucharei unter den Timuriden. Die schönsten Gebäude von Bochara und Samarkand sind aus jener Zeit. Noch jetzt hat letztere Stadt, die das aus Jaspis erbaute Grabmal Timur’s in sich einschließt, und wo einst Olug-begs berühmte Sternwarte war, vor Bochara den Vorzug ihrer marmornen Prachtgebäude, wenn sie auch eine vielleicht um 20,000 Menschen geringere Bevölkerung enthält.

Was von Gebäuden in Bochara neu ist, verdient kaum in Betrachtung gezogen zu werden. Die merkwürdigsten Gebäude[15], die Bochara aufzuweisen hat, der Palast des Khans, Arck genannt, und das Minaret von Mirgharab, sind sehr alt.

[251] Der Arck soll vor mehr als tausend Jahren von Arslan-khan erbaut worden seyn. Er steht auf einem künstlichen Hügel, und ist mit einer zehen Toisen hohen Mauer umgeben. Das einzige Thor, durch das man eingeht, hat zu jeder Seite einen fünfzehen Toisen hohen Thurm, dessen Dach ehedem mit grünen glasirten Ziegeln bedeckt war, wovon man noch einige sieht. An dieses Thor erstreckt sich ein gewölbter Gang, der sehr alt zu seyn scheint. Geht man diesen entlang, so kommt man auf die Spitze des Hügels, wo sich die mit Lehm gemauerten Häuser befinden, die von dem Khan und seinem Hof bewohnt werden.

Bei der Audienz hatten die Russen Gelegenheit, einen Blick ins Innere der Residenz zu tun. Als sie in den Audienzsaal traten, fanden sie den Khan auf Polstern sitzend, über welchen ein rother reich mit Gold durchwirkter Teppich lag. Auf dem Boden war ein persischer Teppich von ziemlich mittelmäßiger Qualität ausgebreitet; die Wand war gegipst und die Decke mit gemahlten Brettern verkleidet.

Das Minaret von Mirgharab, ein Werk Timurs oder, nach Andern, Kizil-Arslan-khans, ist ein dreißg Toisen hoher Thurm, der zwischen der Medressé dieses Namens und der Hauptmoschee, Mesdschidi-kalan, steht. An der Grundfläche beträgt sein Umfang ungefähr zwölf Toisen; derselbe vermindert sich aber mit zunehmender Höhe. Die architektonischen Verhältnisse dieses Gebäudes, das sich trotz seines Alters vollkommen erhalten hat, haben eine gewisse Leichtigkeit; besonders gefällig ist die Art, wie die Backsteine gelegt sind. Einst, erzählt Herr von Meyendorff, hatte ein vorwitziger junger Theologe, bei den gelehrten Unterhaltungen, denen der Khan selbst beiwohnt, seine neologischen Ansichten mit scharfsinniger Logik auseinander gesetzt: da wies ein bärtiger Ulema auf das Minaret von Mirgharab hin und sprach: Willst du von dieser Höhe herabgestürzt werden? – So disputirt man in der Bucharei! –


  1. Voyage d’Orenburg à Boukhara, fait en 1820, à travers des Steppes, qui s’entendent à l’est de la mer d’Aral et au delà de l’ancien Jaxartes, redigé par M. le Baron Georges de Meyendorff, Colonel à l’état, Major de S. M. l’empereur de toutes les Russies et revu par M. le Chevalier Amadée Jaubert etc. Paris 1826.
  2. Die Kirgisen werden bekanntlich in drei Horden, die große, die mittlere und die kleine, eingetheilt. Die große hat keinen Khan, sondern mehrere Sultane, die sich bald unter chinesischen, bald unter russischen Schutz begeben, nicht um Tribut zu bezahlen, sondern um Geschenke zu erhalten. Die beiden andern Horden haben sich Rußland unterworfen; ihre Khane müssen vom Kaiser bestätigt werden und ihm den Eid der Treue schwören, ohne jedoch tributpflichtig zu seyn. Die große Horde berechnet man zu 650,000, die mittlere zu 360,000, die kleinere zu 250,000 Individuen.
  3. Stutenmilch.
  4. Eine Art Käse, bekannt in Persien, Afghanistan und bei den Baschkiren.
  5. Säuerliche und etwas geronnene Schaf- oder Ziegenmilch.
  6. Ein erprobter Anführer, der über Freiwillige gebietet, die sich zur Ausführung kriegerischer Unternehmungen mit ihm verbinden.
  7. Die Zölle werfen dem Khan jährlich 400,000 Fr. ab. Die russischen Kaufleute entrichten 10, die Juden und Armenier 5, die Muselmänner 2½ Procent. In Rußland zahlen die Bucharen 25 Procent, genießen aber, wenn sie sich naturalisieren lassen, große Handelsfreiheiten.
  8. Befehlshaber über 500 Mann. Es gibt in der bucharischen Armee, die aus beiläufig 25,000 Mann Cavalerie besteht, den Titel des Obrists (Tuk-Sabai), des Brigadegenerals (Kurgan-Beghi), des Divisions-Generals (Dadkhâ) und des kommandirenden Generals (Perwanatschi).
  9. Man gräbt dann Löcher, und bei der niedrigen Lage der bucharischen Ebene ist man gewiß, in einer Tiefe von 7–8 Fuß immer Wasser zu finden. Dieß ist aber ein schlechtes stehendes Wasser, das kleine Würmer erzeugt, die man, ohne es zu merken, verschlucken kann; daraus entsteht eine Krankheit, Richta genannt. Der Kranke bekommt Beulen auf dem ganzen Körper, und wenn diese aufbrechen, so gehen daraus Würmer von der Classe der Anneliden hervor. Man kennt kein Mittel gegen dieß Uebel.
  10. Von Jahr zu Jahr wird das gebaute Land mehr vom Sand angegegriffen. Der Wind treibt ihn in solchen Massen daher, daß, wo er hinfällt, er sich zur Höhe von Mauern aufthürmt, daß er Gräben und Kanäle ausfüllt, und, wie die Asche des Vesuvs, Städte und Dörfer unter Schutt begräbt. Den Menschen ist es äußerst beschwerlich, indem er in die Augenöffnungen, in den Mund, in die Ohren eindringt; er erzeugt besonders Augenkrankheiten.
  11. Von der ganzen Ausdehnung des Landes (40°–37’ nördl. Breite, 61–66° 30’ östl. Länge von Paris) ist kaum der achte Theil bevölkert. Die Bucharei, eine bloße Fortsetzung der Steppe, ist nur im Bereich der Flüsse kulturfähig; in ihrem Innern liegen große wüste Strecken und auf den Grenzen hindert die Regierung aus Gründen orientalischer Politik den Anbau.
  12. Man sehe die beigefügte Lithographie: „Bewohner des innern Asiens.“ 1 Usbeke, 2 Turkomanne, 3 Kirgise, 4 Sarty, 5 Tadschik, 6 Tadschikin, Frau, 7 Tadschikin, Mädchen, 8 Afghane. Durch diese nach der Originalzeichnung treu wieder gegebene Abbildung erhalten wir indessen mehr eine allgemeine Vorstellung von dieser kräftigen asiatischen Völkerschaft, als von ihren durch die Vermischung der Racen mannigfaltig nüancirten Formationen.
  13. Es gibt sechszig Medressés oder Collegien in dieser Stadt, welche bei den Muselmännern die wissenschaftliche heißt. Die Medressé E-Nassar-Eltschi ließ die Kaiserin Catharina II mit einem Aufwande von 40,000 Silberrubeln, auf ihre Kosten bauen.
  14. Es werden Ziegel von verschiedenen Farben so gelegt daß sie Blumensträuße und Verse aus dem Koran darstellen. Die herrschende Farbe ist blau, doch gibt es auch Kuppeln, wo sie grün ist, und die Blumensträuße durch gelbe, blaue und grüne Ziegel gebildet werden.
  15. Man sehe die dem heutigen Blatt beigegebene Lithographie.