Zum Inhalt springen

Schiras in Persien

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCCI. Hamburg Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band (1840) von Joseph Meyer
CCCII. Schiras in Persien
CCCIII. Das Brandenburger Thor in Berlin
  Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
[Ξ]

SCHIRAS IN PERSIEN

[66]
CCCII. Schiras in Persien.




Schiras, der Preis der Dichter, die berühmte Hauptstadt Persiens zur blühendsten Epoche des Reichs, jetzt aber nur noch ein Schatten von ehedem, liegt in Süd-Persien in einer von hohen Gebirgen umgebenen weiten Ebene, der nämlichen, die einst das unermeßliche Persepolis trug, dessen Trümmer noch jetzt die Gegend schmücken. Bevor Reich und Volk unter der Geißel einer Reihe von Despoten verwilderten, war diese Ebene, von Canälen durchschnitten und bewässert, ein Bild der Fruchtbarkeit, mit Flecken und Dörfern übersäet, und die Dichter besangen sie als den irdischen Garten des Himmels. Seit länger als fünfzig Jahren ist alles das verwandelt. Das von seinen Gewalthabern ausgesogene Volk hat, muthlos, die Canäle versanden und verschlammen lassen, und nachdem so die Quelle der Fruchtbarkeit verstopft worden war, ertrugen die Felder die Steuerlast nicht mehr; die unglücklichen Einwohner wanderten aus, viele auch verdarben durch Noth und Elend. Das gepriesene Thal von Schiras ist jetzt öde. Viele Stunden zieht der Reisende über eine Haidefläche hin, in welcher kaum 2 oder 3 verfallene Dörfer mit einigen Gärten und Feldern die letzten Spuren der ehemaligen Cultur zeigen, und selbst der von ferne noch immer prächtige Anblick der Stadt täuscht nur auf kurze Zeit. Unverändert dauern die Zeichen der Verlassenheit bis unter die Stadtmauern fort und kaum begegnet ein lebendiges Wesen. Die Menge von Schutt außerhalb der Mauern deuten auf eine Katastrophe hin, welche das Verwüstungswerk der Zeit beschleunigte, und die zum Theil eingestürzten, zum Theil gespaltenen Mauern und Thore machen es kenntlich, daß vor kurzem erst ein Erdbeben wüthete. Wirklich war es eins der furchtbarsten unserer Zeit.

Am 25. Juni 1824 gerieth nämlich die Ebene in wellenförmige Bewegung; drei Viertel der Häuser von Schiras stürzten ein, und 20,000 Menschen, die größere Hälfte der kaum 3 Jahre vorher von der Cholera dezimirten Bevölkerung wurde unter den Trümmern begraben. Gegenwärtig enthält die Stadt, die noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts etwa 200,000 Einwohner in 12,000 Häusern hatte, nicht über 11,000 Seelen und die Zahl der Wohnungen übersteigt nicht 2100. Anarchie, mit der stupiden Despotie der persischen Herrscher im Bunde, werden das Werk der Zerstörung und Entvölkerung der einst herrlichen Stadt vollenden, wenn nicht brittische oder russische Waffen das arme Land in der nächsten Zukunft erlösen.