Schriftmäßige Belehrung über den Antichrist

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Autor: Martin Deinzer
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Titel: Schriftmäßige Belehrung über den Antichrist
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Auflage: 3
Entstehungsdatum: 1917
Erscheinungsdatum: 1917
Verlag: Verlag des Missionshauses
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Erscheinungsort: Neuendettelsau
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Schriftmäßige Belehrung
über den Antichrist


von


Kirchenrat M. Deinzer,
Missionsdirektor.


Traktat der Gesellschaft für innere und äußere Mission im Sinne der lutherischen Kirche.


Dritte Auflage


Preis: 25 Pfennig


Herausgegeben Dezember 1917
Neuendettelsau
Verlag des Missionshauses.


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Der Antichrist.




Vorbemerkung.

 Der Antichrist ist in der heiligen Schrift als der letzte und heftigste Feind des Reiches Gottes geweissagt. Er tritt am Ende der gegenwärtigen Weltperiode auf. Niemand weiß, wann dieses Ende eintritt; doch ist so viel sicher, daß Vieles in der Weltentwicklung dem Ende zudrängt. Es ist daher angezeigt, daß die Gläubigen mit diesem Stück der christlichen Lehre sich befassen, zumal man jetzt auch in der weltlichen Literatur Ausführungen über ihn begegnet.

 Dem ersten Weltherrscher (oder vielmehr dem am Hofe des ersten Weltherrschers lebenden Propheten Daniel) wurde von Gott ein Einblick in den Gang der Weltgeschichte gewährt. Vier Weltherrschaften folgen auf einander, die babylonische, die medisch-persische, die griechisch-mazedonische, richtiger wohl genannt: die mazedonisch-syrische, die römische. Es wird ihnen mit Allem, was sie erarbeitet haben, schließlich – nicht durch Menschenmacht – ein Ende bereitet, und das Reich Gottes ist es, das die Welt erfüllen wird. –

 Im Kapitel 7 wird dem Propheten ein näherer Einblick in das innere Wesen dieser Weltmächte gegeben; sie tragen alle tierischen Charakter, und zwar in einem sich steigernden Maß. Kapitel 7 führt aber über Kapitel 2 dadurch noch hinaus, daß es auch die aus dem 4. Weltreich noch sich bildenden Weiterentwicklungen aufzeigt. Aus der letzten Gestalt der Entwicklung des Weltreichs ersteht der Antichrist.

 Möge die nachfolgende Abhandlung dem Einen und Anderen eine Handreichung tun. Prüfet Alles und das Gute behaltet!

 Herrn Pfarrer Dr. Eichhorn von Ansbach bin ich für manche wertvolle Anregung, Ergänzung und Aufklärung zu herzlichem Dank verbunden.


 Neuen-Dettelsau, im August 1917.

M. Deinzer. 


| Für die Lehre vom Antichrist kommt aus dem alten Testament insbesondere in Betracht der Prophet Daniel, Kap. 7, Kap. 8, Kap. 10–12; auch Kap. 9. enthält in dem letzten Vers wohl einen Hinweis auf ihn. In seiner Weissagung von der Zerstörung Jerusalems, Ev. Matth. 24, bezieht sich der Herr Vers 15 darauf. Ausführlich handelt St. Paulus im 2. Brief an die Thessalonicher darüber und zwar auf Grund der Weissagung Daniels, doch ohne ihn zu nennen, sodann der Apostel Johannes im 1. Brief im 2. Kap. Vs. 18–22, Kap. 4, 3, ebenso im 2. Brief im Vs. 7; endlich redet von ihm die Offenbarung Johannis, und zwar in dem Abschnitt Kap. 11 bis Kap. 19, resp. bis Kap. 20, 6.

 Mit dem Wort „Antichrist“ wird jene gottfeindliche und christusfeindliche Persönlichkeit bezeichnet, in welcher am Ende der gegenwärtigen geschichtlichen Entwicklung die Gottes- und Christusfeindschaft der von Gott und Christus abgefallenen christlichen Welt sich vollenden wird. Die Bezeichnung dieser Persönlichkeit mit dem Wort „Antichrist“ hat der Apostel Johannes geprägt. Luther hat es übersetzt mit „Widerchrist“. Im Volksmund des Mittelalters ist aus Antichrist der „Endechrist“ geworden, eine Bezeichnung, welche auch Luther wiederholt gebrauchte.

 Nach Daniel Kap. 7 ist dieser Antichrist also ein Weltherrscher und sein Reich der Abschluß der Entwicklung der mit Nebukadnezars Reich beginnenden Reihe der Weltreiche, welche mehr oder weniger Vorläufer des letzten antichristischen Reiches sind. Während die früheren Weltreiche mehr einheitlich waren, haben sich die späteren in eine Mehrzahl von Reichen aufgelöst und in ihnen ihre Fortsetzung gefunden, zumal das vierte, das römische.

 Die aus dem römischen Weltreich herkommenden Reiche werden in ihrer letzten Gestalt eine Zehnzahl bilden. Zwischen diesen Reichen tut sich am Ende ein anfänglich kleines Reich hervor, vor welchem aber drei der früheren Reiche zu Fall kommen; dies ist das Reich des Antichrists. Es ist in seinem inneren Wesen von den früheren unterschieden. Mit ihnen allen hat es den tierischen Charakter gemein, aber es steht über ihnen durch den Besitz von Erkenntnis, wie sie ein Mensch hat, und durch das Vermögen, seine Gedanken in menschlichen Worten auszusprechen. Der Herrscher dieses Reiches gebraucht aber diese seine Ueberlegenheit über die früheren zur Betätigung seiner Gottesfeindschaft. Dem ersten Weltherrscher Nebukadnezar hatte sich der lebendige Gott durch große Wunder bezeugt| und er war auch darüber zur Erkenntnis gekommen und hatte Gott die Ehre gegeben (darauf weist hin Kap. 7, 4: „Es wurde ihm ein menschliches Herz gegeben“). Der letzte Weltherrscher, der Antichrist, wird das gerade Gegenteil davon sein. Die früheren Weltherrscher stammten aus heidnischen Völkern, kannten Gott nicht. Der Antichrist dagegen hat eine Erkenntnis von Gott, mißbraucht sie aber.

 Es besteht die Meinung, wenn die Landkarte Europas eine Zehnzahl von Reichen zeige, dann sei eine der Vorbedingungen für das Auftreten des Antichrists gegeben. Doch das alte römische Reich erstreckte sich auch über den Orient. Ein deutlicheres Anzeichen seiner Erscheinung wird es daher sein, wenn zwischen den bisher bestehenden Reichen ein anfänglich kleines Reich hervorkommt, von dem drei der bisherigen gestürzt werden.

 Die weitere Entwicklung dieses gottfeindlichen Reiches wird Daniel 7 näher geschildert. Der Antichrist beginnt seine Herrschaft mit der Verfolgung der Gläubigen, oder wie es heißt: „der Heiligen des Höchsten“, welche ihm bis zu einer bestimmten Zeit preisgegeben werden. Seine Feindschaft gegen Gott tut sich weiter kund in der Lästerung Gottes und endlich in der Aenderung von Zeit und Gesetz. Was unter Aenderung der Zeit zu verstehen sei, haben seinerzeit die Vorgänge in der französischen Revolution von 1789 gelehrt, da man die Jahre nicht mehr nach Christi Geburt zählte, sondern nach dem Beginn der Revolution und nicht mehr die Schöpfungswoche von 7 Tagen einhielt, sondern dafür eine Woche von 10 Tagen. Unter der Aenderung von Gesetz hat man die Aufhebung der Gottesordnungen, unter deren Herrschaft das Leben der Menschheit verlief, zu verstehen, in erster Linie wohl die Aufhebung der von Gott eingesetzten Ordnung der Ehe, die Aufhebung weiter der gottgeordneten Autoritäten, wie der Eltern, die Aufhebung der Ordnung des Eigentums, also die Aufhebung aller der Ordnungen und Gesetze, auf welchen der Bestand der menschlichen Gemeinschaft beruht.

 In Daniel 7 wird auch Vers 25 angegeben, wie lange dieses Wüten des Feindes Gottes dauern wird: „Die Heiligen des Höchsten werden eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit der Gewalt des Antichrists preisgegeben sein.“ Unter den Zeiten sind wohl Jahre zu verstehen, und es mag das erste Jahr der Entstehung seiner Herrschaft dienen, die beiden nächsten mögen ihn in dem dauernden Besitz derselben zeigen, das letzte halbe Jahr deutet vielleicht darauf hin, daß in diesem Abschnitt die von ihm hervorgerufene Not und Bedrängnis ihren Höhepunkt erreicht. Auf Daniel 7 mag zum Teil die Selbstbezeichnung Jesu als des Menschensohnes zurückgehen. Der Mensch erscheint da in der Gestalt, wie er von Gott, dem Schöpfer, am Anfang gedacht war, die Tierwelt dagegen, wie sie durch den Fall des Menschen zur Verfolgung ihrer wilden Triebe entfesselt worden ist. Es ist doch merkwürdig, wie die meisten großen| Weltreiche gerade auch in der Gegenwart wilde Tiere als Symbol ihrer Macht für ihre Fahnen erwählt haben. Das heilige römische Reich deutscher Nation führte einst die Gestalt des Erzengels Michael in seiner Fahne.

 Doch der Prophet Daniel läßt uns Kap. 7 nicht bloß den Ausgang der von Gott abgewendeten Menschheit erkennen mit allem, was derselbe für die Gläubigen an Schrecklichem in sich schließen wird, er verkündet auch das schließliche Eingreifen Gottes, des Höchsten. Dem Antichrist und den Weltreichen überhaupt in ihrem gottfeindlichen tierischen Charakter wird gewaltsam ein Ende gemacht: ein Gericht wird über sie gehalten. Eine in des Himmels Wolken kommende, einem Menschensohn gleichende Persönlichkeit erhält das Reich über die Welt, und die Heiligen, für die Gott eingetreten ist, nehmen das Reich ein. Dieser Menschensohn ist nach Hebr. Kap. 2 und Matth. Kap. 25, 31 und 26, 64 der Herr Christus.

 Nach dem 8. Kapitel des Propheten Daniel haben diese Vorgänge der Endzeit ein Vorspiel in der Zeit des dritten Weltreiches, des griechischen. Schon zur Zeit der vier aus dem Reich Alexanders des Großen hervorgehenden Reiche kommt aus einem derselben ein kleines Horn hervor, das sehr groß wird gegen Mittag, gegen Morgen und das werte Land; und ein König kommt auf, in welchem die Feindschaft gegen den Gott des heiligen Volkes und gegen seinen Dienst sich offenbart. Das Volk Gottes war unter Cyrus aus der babylonischen Gefangenschaft heimgekehrt, und der Dienst Gottes hatte in Jerusalem wieder seinen Anfang genommen. Aber durch den aus dem griechischen Weltreich erstehenden gottfeindlichen König wurde das tägliche Opfer weggenommen, das Heiligtum verwüstet, das heilige Volk zertreten. Alles dies trat ein unter dem syrischen König Antiochus Epiphanes, gestorben 164 vor Christi Geburt.

 Besonders bemerkenswert ist in diesem Kapitel, daß diese Bedrängnis und dieser Feind des heiligen Volkes als ein Strafgericht über den im Volk Gottes um sich greifenden Abfall kommt. Wenn die Uebertreter überhand nehmen, wird er aufkommen, zur Zeit des letzten Zornes. Es scheint aber, als gingen die Schilderungen von diesem Vorläufer des Antichrists unvermerkt auf die Schilderungen des Antichrists selber über, wenn es Vs. 25 heißt: „Er wird sich auflehnen wider den Fürsten aller Fürsten, aber er wird ohne Hand zerbrochen werden.“

 Sowohl in Kap. 7 wie in Kap. 8 wird der geweissagte Feind Gottes und seines Volkes mehr allgemein geweissagt, in Kap. 10—12 dagegen trägt er bestimmte geschichtliche Kennzeichen an sich und wird sein Auftreten in den Gang der geschichtlichen Entwicklung hereinbezogen. Nach Kap. 11 ist keine andere geschichtliche Persönlichkeit zu verstehen, als der in Kap. 8 schon erwähnte Antiochus Epiphanes; ihm ist eine Unternehmung gegen Egypten fehlgeschlagen.| Die Römer haben ihn in seinem Siegeslauf aufgehalten, da will er wenigstens im heiligen Volk unumschränkter Herrscher und Gebieter sein, und so zieht er die abtrünnigen Juden an sich und verfolgt die Gläubigen, welche auf seinen Plan, die griechische Religion im heiligen Volk und die griechische Kultur einzuführen, nicht eingehen wollen. Antiochus Epiphanes wollte also dem besonderen Charakter des heiligen Volkes ein Ende machen, ein Versuch, worin sich recht ein antichristischer Geist geoffenbart hat.

 Aehnlich aber wie in Kap. 8, nur noch deutlicher, geht schließlich die Weissagung von dem gottfeindlichen Unternehmen dieses Fürsten über in die Schilderung des Antichrists selber. Kap. 11, 36 heißt es wie Kap. 7, 25: „Er wird wider den Gott aller Götter greulich reden“, und wie Kap. 8, 19 und 23 ist sein Auftreten die Folge eines göttlichen Strafgerichtes. Und wie er sich Kap. 8, 11 und 25 gegen den Fürsten aller Fürsten erhebt, so erhebt er sich auch jetzt wider den Gott aller Götter: „Er wird“, Kap. 8, 25 „ohne Hand zerbrochen“ nach Kap. 12, 1 durch das Eingreifen des großen Fürsten Michael, der für das Volk Gottes steht. Und die Bestimmung der Zeit, während welcher der Antichrist herrscht, Kap. 7, 25, kehrt auch Kap. 12, 7 bei der Bestimmung der Gewaltherrschaft dieses Königs wieder. Aus dem Allen hat man den Schluß gezogen, daß der aus dem griechischen Reich aufkommende Gottesfeind und der aus den letzten Ausläufern des römischen Reiches aufstehende, Kap 7, ein und dieselbe Person ist. Ist es ein und dieselbe Persönlichkeit; so ist allerdings sein erneutes geschichtliches Auftreten etwas Geheimnisvolles, nie Dagewesenes, womit übrigens auch die Offenbarung St. Johannis übereinstimmt, Kap. 17, 8. Hervorgehoben wird in der letzten Schilderung, Daniel Kap. 11, daß dieser gottfeindliche König sich gegen Alles, was bisher Gott hieß, erheben werde und einen neuen Gott und Gottesdienst einführen werde. Von der Beihilfe zu solchem Tun macht er die Ehrenstellung auf Erden abhängig.

 Der Sturz seiner Herrschaft findet schließlich statt bei Gelegenheit einer letzten, siegreichen Unternehmung gegen Egypten. Diesesmal beraubt ihn kein Eingreifen einer fremden Macht der Früchte seines Sieges über jenes Land, gegen welches Antiochus Epiphanes in geschichtlicher Zeit wiederholt, aber das letzte Mal im Jahre 168 v. Chr. Geb., vergebens gezogen war. Aber es wird ihn ein Geschrei von Morgen und Mitternacht erschrecken. Was der Inhalt dieser Botschaft sei, wird nicht gesagt, aber wie im Jahre 168, so ist es auch jetzt. Jerusalem und das heilige Volk ist es, welches seinen Zorn aufs höchste erregt. Aber wie schon gesagt, es wird ihm durch das Eingreifen der Engelscharen Gottes unter Führung des großen Fürsten Michael, der für das Volk Gottes steht, ein Ende gemacht werden, „und Niemand wird ihm helfen“. Damit sind wir wieder bei der großen Gerichtsszene in Kap. 7 des Propheten angelangt.

|  Auf den Aussagen des Propheten Daniel beruht nun die Belehrung des Apostels Paulus im 2. Kap. des 2. Briefes an die Thessalonicher. Es begegnen uns da auf Schritt und Tritt Züge, die uns von Daniel her bekannt sind, zum Teil aber geht der Apostel über Daniel hinaus oder wird deutlicher. Er schildert den Antichrist nach seiner sittlichen Beschaffenheit als die leibhaftige Darstellung der Sünde, als die schlechthinige Verneinung des göttlichen Gesetzes, als den vollendeten Widersacher Gottes, der sich setzt wider alles, was Gott oder Gottesdienst heißt. Aber das sind nicht die einzigen Kennzeichen, die er an sich trägt; er trägt auch an sich das Kennzeichen der Folgen der Sünde, nämlich das Verderben: „Kind des Verderbens“ nennt ihn der Apostel gleichfalls. Sünde und Verderben der Sünde wird an ihm im höchsten Maße offenbar sein.

 Etwas Neues aber bringt der Apostel über ihn, nämlich dies, daß er sich selber göttliche Ehre anmaßt und göttlich sich verehren läßt.

 Wie im Propheten Daniel so wird auch hier vom Apostel die Erscheinung des Antichrists zurückgeführt auf ein göttliches Strafgericht. Wenn der allgemeine Abfall vom Evangelium eingetreten ist, dann erscheint er, und seine Erscheinung ist mit solchen Umständen begleitet, daß sie von der abgefallenen Welt aufs willigste angenommen wird. Die Kräfte des Satans werden mächtig sein, Zeichen und Wunder werden geschehen, und allerlei Betrug der Ungerechtigkeit wird betäuben diejenigen, welche der Wahrheit sich nicht hatten zuwenden wollen; so müssen sie der Lüge glauben und werden dadurch für ihre Lust, die sie an der Ungerechtigkeit hatten, bestraft und gerichtet.

 Wir haben also beim Auftreten des Antichrists mit außerordentlichen und wunderbaren Ereignissen zu rechnen, und es läßt sich wohl denken, daß jene wunderbaren Ereignisse mächtig genug sind, bei der Welt allen Zweifel niederzuschlagen und ihr alle Besinnung zu rauben.

 Man gewinnt aus 2. Thess. 2 den Eindruck, daß die Persönlichkeit des Antichrists zur Zeit, da der Apostel dies schrieb, nicht erst geschichtlich erweckt werden mußte, nicht eine ausschließlich der Zukunft angehörige Erscheinung sei, sondern daß sie damals bereits vorhanden war. Der Apostel spricht ja von einer Offenbarung desselben: offenbart werden aber kann bloß Vorhandenes. Es ist der Rat des Satans, der in dem Antichrist beschlossen ist, auch ein Geheimnis; denn wer von den Menschen hätte je erkannt, wo die sündige Entwicklung schließlich hinauswolle, und wer hätte sich davor nicht entsetzt? Der Apostel kann auch bereits Wirkungen, die von diesem Geheimnis der Bosheit ausgehen, deutlich erkennen und wahrnehmen, ja es könnte überraschend schnell hervorbrechen, wenn nicht noch eine aufhaltende Macht vorhanden wäre. Unter der aufhaltenden Macht hat man den Bestand der gesetzlichen Ordnungen| verstanden, und soviel ist gewiß, daß natürlich, solange die Gesetze in Kraft sind, Gesetzlosigkeit nicht eintreten kann. Nach Daniel Kap. 10–12 aber hat man darunter vielmehr jenen großen Geisterfürsten zu verstehen, welcher von Gott aufgestellt ist, um der Beeinflußung der Völker durch die Geistesmächte der Bosheit Widerstand zu leisten. An dem Erzengel Michael, der für das heilige Volk steht, hat dieser Geisterfürst einen Bundesgenossen. Wenn aber dieser Fürst sich, jedenfalls durch göttliche Veranlassung, zurückzieht und seine aufhaltende Tätigkeit abbricht, dann gibt es für das Hereinfluten der höllischen Mächte kein Aufhalten mehr, und die abgefallene Welt ist dem Verderben rettungslos preisgegeben.

 Doch steht das Ende dieses Gottesfeindes und seines ganzen Lügenwerkes unmittelbar vor der Türe. „Der Herr wird ihn umbringen“, sagt der Apostel, „mit dem Geist seines Mundes“, nach Jes. 11, 4, und das ganze Lügengebäude des Teufels wird angesichts der herrlichen Erscheinung des wahren Herrschers über die Welt in sein Nichts zerfallen.

 Er ist sehr bemerkenswert, daß der Apostel diese Belehrung seinen neugewonnenen Gläubigen in Thessalonich schon bei seiner ersten Anwesenheit unter ihnen gegeben hat. Et hat sie also für ein durchaus notwendiges Stück christlichen Unterrichts und christlicher Erkenntnis gehalten.

 Auf Daniels Weissagungen vom Antichrist nimmt Bezug auch der Herr selber in seiner Rede, mit welcher Er auf die Frage der Jünger: „Welches wird das Zeichen sein Deiner Zukunft und der Welt Ende?“ Antwort gibt, Matth. 24, 15: „Wenn ihr nun sehen werdet den Greuel der Verwüstung, davon gesagt ist durch den Propheten Daniel, daß er stehe an der heiligen Stätte,“ usw. Der Herr bezieht sich hier auf Daniel Kap. 9, 27, wo dieses Ereignis dargestellt wird als Strafgericht über das christusmörderische Volk. Daß es aber nicht mit der Zerstörung Jerusalems durch Titus im Jahre 70 nach Christo gleichzusetzen ist (ein Vorspiel mag diese Zerstörung gewesen sein), ergibt sich daraus, daß ja der Herr in seiner Rede vom Ende der Welt reden will. Wir werden also auch die Ausführungen des Herrn in dieser seiner Rede vom Ende, wo sie die letzte Drangsal schildert, zu verstehen haben von der antichristischen Zeit. Doch kommt der Herr nicht auf die Einzelperson des Antichrists zu sprechen, statt dessen redet er von dem Aufstehen falscher Christi, von denen sich die vom Antichrist bedrängten Gläubigen nicht dürfen verlocken lassen, sowie von dem Aufstehen falscher Propheten, von deren Auftreten in der Endzeit wir hier zum ersten Mal in diesen Weissagungen hören. Außerdem hebt der Herr hervor die Schrecklichkeit dieser letzten Zeit; es wird eine einzigartige Trübsalszeit sein; die Trübsal wird so hoch steigen, daß eine Verkürzung derselben eintreten muß, wenn überhaupt| noch ein Rest der Menschheit erhalten bleiben soll. Das Ende derselben und die Errettung bringt dann die Erscheinung des Herrn in seiner Herrlichkeit.

 Die nächste Schrift, an welche wir uns zu halten haben, ist dann der 1. Brief St. Johannis; Kap. 2, 18, Kap. 4, 1–6, sodann der 2. Brief, Vs. 7 handeln vom Antichrist oder Widerchrist.

 Auch die Leser der Johannesbriefe sind bereits von dem Kommen des Antichrists unterrichtet und daß mit seinem Erscheinen die letzte Stunde anbricht. Der Widerchrist kommt erst, ist aber in gewissem Sinne jetzt schon in der Welt; es sind, wie auch St. Paulus sagte, bereits von ihm ausgehende Wirkungen wahrzunehmen. Sein Geist ist wirksam in all denen, welche an Jesu leugnen seine Menschwerdung, seine messianische Stellung, seine Gottessohnschaft. Also in falschem Prophetentum war bereits zur Apostelzeit der Antichrist hervorgetreten und erkannt worden. Sein verborgenes Gegenwirken gegen die christliche Wahrheit hat die ganze Kirchenzeit hindurch in keiner Periode derselben aufgehört; ja man könnte die Geschichte der christlichen Kirche von diesem Gesichtspunkte aus schreiben: Angriffe des Antichrists und Abwehr.

 Der Gedanke an den Antichrist ist in den verschiedenen Zeiten der Kirche in verschiedener Stärke lebendig geworden. Für uns ist wichtig, was unsere Reformatoren an antichristischen Wirkungen zu ihrer Zeit wahrgenommen und welche Stellung sie dazu eingenommen haben. Ihnen erschien, kurz gesagt, der römische Papst als der Antichrist. Zwar ist das verweltlichte Papsttum schon vor der Reformation als Sitz des Antichristentums bezeichnet worden, aber Luther hat diese Anschauung nicht von anderen entlehnt, sondern es drängte sich ihm beim Studium der päpstlichen Bücher angesichts des Gegensatzes gegen die Wahrheit des Evangeliums, welcher ihm aus demselben entgegentrat, der Gedanke auf, ob nicht der Papst in seinem Gegensatz gegen die evangelische Wahrheit für den Antichrist anzusehen sei.

 Es trat unserm Reformator noch von anderer Seite her Christusfeindschaft entgegen, nämlich von Seiten des damals mächtigen türkischen Reiches. Es ist ja auch der Islam im Unterschied von den heidnischen Religionen eine eigentlich christentumsfeindliche Religion. Wenn freilich Luther die beiderseitige Gegnerschaft, des Papstes und des Türken Mord, gegeneinander abwog, so mußte er die erstere für die viel schlimmere, weil für die Seele verderblichere halten, und er mußte den Papst, wie er auch in den schmalkaldischen Artikeln tat, als den rechten und eigentlichen Antichrist bezeichnen.

 Doch die Reformatoren stellten nicht sowohl eine Untersuchung an über die Lehre der Schrift vom Antichrist, sondern sie sprachen vielmehr ein Urteil aus über das Papsttum und über den in der päpstlichen Kirche sich findenden Gegensatz gegen die evangelische| Wahrheit. Wir verstehen Luther und unsere Reformatoren in ihrem Urteil wohl; es waren gewaltige Machtwirkungen des Antichrists, die ihnen in ihren Hauptgegnern gegenüberstanden und von ihnen zu bekämpfen waren, doch der Antichrist selber war noch nicht aus den Plan getreten.

 Seit der Reformation hat die römische Kirche zu dem Vielen, was sie gegen die Schrift und gegen die christliche Wahrheit trotz des Gegenzeugnisses der Reformation mit sich fortschleppt und festhält, in dem Unfehlbarkeitsdogma ein neues Stück Antichristentum hinzugefügt, denn für jeden Christen bleibt das in Gottes Wort gebundene Gewissen der oberste Richter in allen Glaubenssachen, wie aus Römer Kap. 14 und 1. Kor. 8 und 10 hervorgeht, desgleichen aus 1. Joh. 2, 20 und 27; kein Mensch darf über das Gewissen des Christen sich eine bindende Autorität anmaßen, noch braucht der Christ von einer menschlichen Autorität eine sein Gewissen bindende Weisung zu holen, er steht ohne menschliche Mittelsperson Gott dem Herrn gegenüber, wie auch ein jeder für sich selber Gott Rechenschaft geben muß. Römer 14, 12.

 Es wäre aber ganz verkehrt zu meinen, daß nur in der römischen Kirche Wirkungen des Antichrists zu erkennen seien, es steht vielmehr so, daß im Bereich des Protestantismus gegenwärtig die Hauptwirkungen des Antichristentums zu erkennen sind: alle die Lehrer und Prediger, welche Jesum nicht als den Sohn Gottes anerkennen, und alle diejenigen, welche das Wort Gottes meistern und nicht als Wort der Wahrheit anerkennen und sich ihm nicht unterwerfen wollen, stehen unter dem Einfluß des antichristischen Geistes, und lassen den katholischen Mitchristen ihre von der Reformation bekämpfte römische Kirche als den Hort der Wahrheit erscheinen. Der Abfall von Gott hat in der protestantischen Christenheit schon seit langem begonnen. Wo sind die Theologen, welche sich Luthers Mahnung zu Herzen nehmen: „wer an die Schrift herangehe, der müsse es mit Furcht tun, sonst werde er sicherlich Schaden davon haben.“? Wir gedenken jetzt der Reformation und ihrer Segnungen. Neben verschiedenen Fürsten waren es damals vornehmlich die Städte Deutschlands, welche die Träger der Reformation waren, Gut und Blut dafür einsetzten. In der Gegenwart tragen sie den Stempel der Kirchenverachtung an sich und ziehen häufig die vom Lande Zuwandernden gar schnell in die gleiche Richtung hinein.

 Zur Vorbereitung des Antichristentums gehört auch die internationale Sozialdemokratie; ihre Losung: „Religion ist Privatsache“ – eine Losung, die auch bei anderen Richtungen Anklang findet – weist das Christentum aus der Volksgemeinschaft hinaus, und es sollen doch Völker zu Jüngern gemacht werden.

 Auch die Freimaurerei, die wir übrigens den Engländern verdanken, ist Vorbereitung auf das Antichristentum, denn sie setzt das| reine Menschentum über das Christentum. Von der katholischen Kirche wird sie ja ernstlich bekämpft; in der evangelischen Kirche hat man von einem Kampf gegen diese Feindin – abgesehen von den lutherischen Kirchen Amerikas – so viel wie nichts gehört. So ist es kein Wunder, wenn der Abfall sich immer weiter ausbreitet. Auch der die Kirchen auflösende und die kirchliche Wahrheitsgewißheit zerstörende Unionismus gehört hierher.

 Das gegenwärtige Antichristentum erstreckt sich aber über die Gebiete der Kirche hinaus weit ins öffentliche Leben hinein. Alle jene Propheten, welche neben und wider die Kirche für ihre „klug ausgedachten Fabeln“ Propaganda machen, alle diejenigen Lehrer, welche die auf den zehn Geboten ruhenden Grundlagen der menschlichen Gemeinschaft angreifen, alle Schriftsteller, die das sogenannte Uebermenschentum proklamieren, wie der Schriftsteller Friedr. Nietzsche, dessen Buch viele ins Feld mitgenommen haben, alle, die den Menschen auf den Thron setzen und Gott gegenüber selbständig machen wollen und das Recht sich auszuleben proklamieren, gehören hierher. Auch Männer, wie der Präsident Wilson und seines Gleichen, welche die demokratische Staatsverfassung als die einzig richtige und ihre Einführung als das zu erstrebende Ziel hinstellen und die anderen dermalen bestehenden Formen staatlicher Obrigkeit verdrängen wollen, stehen, ob auch unbewußt, unter dem Einfluß des antichristischen Geistes. – So ist derselbe vom Anfang des Christentums bis zum heutigen Tage in der Welt wirksam.

 Die ausführlichste Belehrung über den Antichrist erhalten wir von der Offenbarung St. Johannis in dem Abschnitt von Kap. 11, 12 und 13, 17 und 19.

 In Kap. 13 erscheint er als die Zusammenfassung aller in den bisherigen Weltmächten beschlossenen Gewalt. Ein Tier sah der Seher, Kap. 13, aus dem Meer steigen mit 7 Häuptern und 10 Hörnern; auf den Hörnern 10 Kronen, auf seinen Häuptern Namen der Lästerung. Die 7 Häupter bilden ab die Reihe der 7 Weltmächte, die uns aus Daniel Kap. 2, Kap. 7, auch Kap. 8, bekannt sind; sie stehen im Zusammenhang, die Errungenschaften des einen gehen auf die Nachfolgenden über. – Mit den 10 Hörnern werden abgebildet 10 Könige, die zugleich mit dem Tier eine Königs-Herrschaft empfangen und mit ihm aufs innigste verbunden sein werden. Das Reich des Antichrists wird also eine Art Staatenbund darstellen.

 Das Tier selber kommt nicht aus der auf Erden lebenden Menschenwelt, sondern aus dem Abgrund, d. h. also aus der Stätte, in der sonst Gottfeindliches verschlossen wird, Lucä 8, 31. Hiermit stimmt überein, daß seine Zukunft geschieht mit den Kräften des Satans, 2. Thess. 2, 9. Hier in der Offenbarung fallen alle Hüllen; es ist der Erwählte des Teufels, der aus dem Völkermeer in dieser Ausrüstung mit den Werkzeugen der reißenden Tiere aufsteigt. Der| Drache gibt ihm seine Kraft; er gibt ihm sogar seinen Thron. Ein wunderbarer Vorgang spielt sich vor den Augen der Welt ab: Eines der Häupter dieses Tieres trägt eine Todeswunde, aber diese Todeswunde wird heil. Es kann sich aber diese Aussage auch beziehen auf sein zum Tode verwundetes Reich. In dieser Persönlichkeit ist also der Tod überwunden. Es ist verständlich, daß infolge davon die ganze Erde in höchster Verwunderung herzuläuft und zur Anbetung des Tieres und seines Schutzherrn sich verführen läßt. Von Allen wird erkannt, es sei ganz aussichtslos, diesem Herrscher mit Gewalt begegnen zu wollen. Da ihm Niemand zu widerstehen vermag, wird er der Welt als Friedensbringer erscheinen und als solcher von ihr verehrt werden; er ist der „Heiland der Welt“. Seine Gewalt erstreckt sich über alle Geschlechter, Sprachen und Heiden. Die Einzigen, die ihm widerstehen, sind die Heiligen, die wir aus Daniel 7 kennen, die aber nicht mit Waffengewalt Widerstand leisten, sondern durch das Bekenntnis zu Christo bis in den Tod, Kap. 13, 10; 15, 2. Die Dauer dieser Drangsal, welche über die Heiligen kommt, ist dieselbe wie bei Daniel: 42 Monate, 31/2 Jahre.

 Wir lernen aber Kap. 18 noch eine andere gottfeindliche Persönlichkeit der Endzeit kennen, eine Persönlichkeit nämlich, welche das falsche Prophetentum in sich zusammenfaßt. Auch diese wird als Tier bezeichnet, sie steigt aber nicht aus dem Abgrund auf, sondern von der Erde, d. h. sie entstammt der natürlichen geschichtlichen Entwicklung der Menschheit. Aeußerlich gleicht sie dem Lamm. Sie gehört also dem Stand der Geistlichen an oder gibt sich doch als Angehörigen desselben, ihr Wesen aber ist dasselbe wie das des Drachen. Dieser falsche Prophet verherrlicht den Antichrist durch einen neuen Kultus, zu welchem er die Menschen durch große Zeichen verführt. An Stelle der Verehrung Gottes wird also von ihm die Verehrung des Antichrists gesetzt. Das Bild desselben wird aufgestellt, und dieses Mal ist es kein stummes Bild, wie sonst die Götzenbilder der Heiden: dieses Bild redet. Unweigerlich bei Strafe des Todes muß jeder Erdenbewohner diesem Bild des Herrschers die Ehre der Anbetung erweisen, und nur derjenige hat noch auf Erden ein Recht zu leben, der sich öffentlich und vor aller Welt als Untertan dieses Herrschers ausweist. Zu diesem Zweck hat ein Jeder entweder den Namen des Tieres oder die aus dem Zahlenwert der Buchstaben des Namens sich ergebende Summe, nämlich 666, entweder auf seiner rechten Hand oder auf seiner Stirne anbringen zu lassen; ein Sklavenzeichen! Schon die Kaiser Roms ließen sich göttlich verehren, die Christen, welche solche Ehre verweigerten, wurden als ungetreue Untertanen mit dem Tode bestraft; aber sie ließen die anderen Gottheiten neben sich bestehen. Der Antichrist stellt sich als einzige Gottheit dar.

 Die Buchstaben des griechischen Alphabets sind es, die als| Zahlzeichen verwendet werden; daraus könnte man den Schluß machen: Der Antichrist tritt auf in einem Gebiet, wo diese Zeichen noch im Gebrauch oder sonst noch allgemein bekannt sind. (Im östlichen Teil Europas.) Was St. Paulus 2. Thess. 2 über die Forderung des Antichrists, ihm göttliche Ehre zu erweisen, sagt, finden wir also Kap. 13 der Offenbarung näher ausgeführt.

 Jene Verführung der Welt zur Anbetung des Antichrists und des Drachen, der hinter ihm steht, findet jedoch nicht statt, ohne daß nicht, nach Kap. 14, 9–12, eine ernstliche Warnung Gottes vor diesem Teufelsdienst vorhergegangen wäre.

 Es ist in der Behandlung von Offbg. Kap. 13 noch nicht der Zusammenhang desselben mit Kap. 12 in Betracht gezogen, und doch besteht ein enger innerer Zusammenhang zwischen den Vorgängen der beiden Kapitel. Zu den Maßnahmen, welche der Drache Kap. 13 ergreift, scheint er bewogen zu werden durch das unmittelbar vorhergehende Ereignis seiner gewaltsamen Verstoßung aus dem Himmel. Es liegt ein Geheimnis über der Tatsache, daß der Satan bis zu jenem Ereignis eine Stätte im Himmel hatte; sie wird aber nicht blos durch Hiob Kap. 1 und 2 bestätigt, sondern auch durch Stellen, wie Lucä 10, 18 und besonders durch Kap. 22, 31. Nun aber wird er aus dem Himmel gewaltsam entfernt. Raum war für ihn im Himmel nur deswegen, weil Anklagen gegen die Gläubigen erhoben werden konnten und nur, so lange sie erhoben werden konnten. Nun aber haben sie den Ankläger überwunden durch das Blut des Lammes und durch ihren Märtyrertod. Durch Christi Blut gereinigt, haben sie durch ihren Zeugentod einen Beweis völliger Glaubenstreue abgelegt, es gibt jetzt nichts mehr zu verklagen, und so hat der Verkläger keinen Raum mehr im Himmel.

 Diese Verstoßung aus der Herrlichkeit der himmlischen Welt übt nun auf den Satan die Wirkung aus, daß er sozusagen offen mit Gott bricht und ein Gegenreich gegen Gott und seinen Christ auf Erden aufrichtet, d. h. seinen längst gefaßten Plan zur Ausführung bringt.

 Eine sehr schwierige Frage ist es, wen man unter den siegreichen Gläubigen Kap. 12, 11, die ihr Leben nicht geliebt haben bis in den Tod und dadurch dem Teufel die Möglichkeit weiteren Verklagens genommen haben, zu verstehen hat. Man könnte an die in der Zeit der antichristischen Herrschaft getöteten Gläubigen denken; allein diese letzte Verfolgung tritt erst nach Ausrichtung des antichristischen Reiches ein, während der Sturz des Teufels aus dem Himmel schon infolge eines vorhergehenden Sieges der Gläubigen geschehen ist. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Erklärung: Entweder wird der in der antichristischen Verfolgungszeit erfochtene Sieg der Gläubigen als unumstößlich sicher vorausgenommen, in ähnlicher Weise wie sonst in der Weissagung, die durch den Herrn| und sein Leiden geschehene Erlösung z. B. Ps. 22 bereits als Tatsache behandelt wird, oder aber, es geht dem Aufkommen der antichristischen Herrschaft noch einmal, wie beim Eintreten des Christentums in die Welt, eine Zeit der Verfolgung der Gläubigen voran, nach Matth. 24, 9, in der man die Gläubigen für die eintretenden schweren Plagen gewissermaßen verantwortlich machen wird, die Gläubigen aber ihre Treue bis zum Tode beweisen werden. Mit dieser letzten Verfolgung könnte Gott das Maß der durch die ganze Kirchenzeit hindurchgehenden Verfolgung für erfüllt ansehen und nunmehr dem Verklagen ein Ende machen. Es ist aber auch möglich, daß jene Worte „sie haben ihr Leben nicht geliebt bis in den Tod“, sich beziehen auf das unter den größten Todesgefahren sich bekehrende Volk Israel der Endzeit. Es hat damit einen Beweis völligster Hingabe an seinen Herrn und Heiland geliefert, sodaß der Ankläger völlig zurückgewiesen werden kann. Für diese Anschauung scheint zu sprechen, daß nunmehr der Erzengel Michael, der ja für das Volk Gottes steht, auf den Plan tritt und den Satan aus dem Himmel entfernt.

 Die Volsksgemeinde Israel wird, wie wir Kap. 11, 1 und 2 angedeutet und Kap. 12 näher außgeführt sehen, vor dem Angriff deß auf die Erde geworfenen Drachen geschützt – denn das in einem Bild zusammengeschaute gläubige Volk Israel der Vorzeit und der Endzeit haben wir unter dem Sonnen-Weib zu verstehen, welches den Knaben gebar, der die Heiden mit eiserner Rute weiden sollte. Unter den Flügeln des großen Adlers, die ihm zur Flucht gegeben wurden, haben wir wohl die zwei großen Propheten zu verstehen, die der Herr nach Kap. 11 zur Vertretung der Sache Seines Reiches am Ende erweckt. Das bekehrte Israel bleibt auch geschützt die ganze antichristische Zeit hindurch und wird für zukünftige große Entwicklung aufbewahrt, während die Heidenchristenheit durch daß Martyrium das herrliche Ziel erreicht, welches Offbg. Kap. 20 schildert. Gegen diese Uebrigen von der Gemeinde der Gläubigen, welche in der ganzen Welt zerstreut sind, wendet sich nun der Zorn des Teufels.[1]

 Weiteren Ausschluß gibt dann besonders Kap. 17. Hier wird dem Seher nicht blos das Tier gezeigt, sondern auch die Stätte, da der Antichrist sein Wesen hat, der Mittelpunkt seines Reiches, die große Babylon, und Vers 8–14 erhält derselbe über das Tier genauen Unterricht. Nach dieser Belehrung ist der Antichrist ein aus| der Welt der Abgeschiedenen, aus der Unterwelt, wiederkehrender Herrscher. Die Reihe der Weltmächte kehrt hier in der Beschreibung wieder; es ist aber schwierig, sie im Einzelnen zu bestimmen. Den Ausgang haben wir zu nehmen von Vers 10, wo es heißt: „Fünf Könige“, d. h. 5 Weltherrscher, „sind gefallen, und Einer ist.“ Dieser eine kann nur das römische Reich sein; nun fragt es sich, welches die 5 bereits gefallenen sind. Die Bestimmung ist unsicher. Will man mit Nebukadnezar nach Daniel Kap. 2 beginnen, so muß man die Herrschaft der Meder und Perser in zwei Herrschaften auseinanderlegen, auch muß die Herrschaft der syrischen Könige als eine besondere gezählt werden. Wir haben dann das Reich Nebukadnezars, das Reich der Meder, der Perser, Alexanders des Großen, der syrischen Könige (Antiochus Epiphanes). Der andere, der noch nicht gekommen ist und eine Zeit bleiben soll, dürfte der Erbe des römischen Reiches sein. Soviel ist indeß sicher, der Antichrist kommt aus der Reihe der vorhergehenden Weltherrscher. Es läßt sich kaum an eine andere Persönlichkeit denken als an den schon wiederholt genannten Antiochus Epiphanes. Daß wir in dem Antichrist den Herrscher eines früheren Weltreiches zu verstehen haben, geht auch daraus hervor, daß es Vers 11 von ihm heißt: Er (oder sein Reich) sei in der Reihe derselben der achte, doch sei er andererseits einer aus der Reihe der sieben Weltherrscher; er kommt ja auch nicht aus der gewöhnlichen menschlichen Entwicklung, sondern nach Kap. 17, 8 und Kap. 11, 7 aus dem Abgrund, d. h. aus jenem übersinnlichen Ort, in welchem nicht dieser irdischen Welt angehörige, gottfeindliche Mächte verschlossen gehalten werden.

 Der Antichrist hat einen Kreis von Trabanten um sich: zehn Könige; es sind das nicht aus der bisherigen Geschichte stammende Könige, sondern mit dem Antichrist zur Herrschaft gelangte Persönlichkeiten, die jedoch ganz und gar ihm ergeben sind. Diese Verhältnisse der Endzeit erinnern ganz auffallend an die Verhältnisse der Napoleonischen Zeit; auch der erste Napoleon umgab sich mit einem Kranz neugeschaffener Könige.

 Eine besondere Bedeutung kommt dann noch der letzten Weltstadt zu. In ihr ist alle Herrlichkeit der Erde vereinigt. Sie erscheint charakteristischer Weise als der Mittelpunkt des Handels der Welt. Alles, aber auch alles, was das fleischlich gesinnte Menschenherz wünscht, ist dort zu haben, sie ist die vollendete moderne Großstadt| mit ihren Schätzen und Gütern, aber auch mit ihren Schäden und Verderben; sie ist ein Anziehungspunkt für alle Welt, sie ist aber auch das Verderben für alle Welt. Sie ist der Sitz aller Verführung und aller Sündengreuel und stimmt in der Feindschaft gegen die Gläubigen durchaus mit dem Antichrist überein. Johannes schaut diese Stadt unter dem Bild eines Weibes auf rosinfarbenem Tier, voll Namen der Lästerung, mit 7 Häuptern und 10 Hörnern, worunter eben das antichristische Reich zu verstehen ist, und er sieht es trunken vom Blut der Heiligen und der Zeugen Jesu.

 Wir sehen uns noch einmal um, wo sich in der antichristischen Zeit die Gemeinde Gottes befindet und in welcher Verfassung. Kap. 11 und 12 berichtet uns darüber, wie schon oben gesagt; es wird uns Kap. 11, 1 und 2 gezeigt, daß der eigentliche innerste Kern derselben, nämlich das bekehrte Volk Israel, dem Wüten des Antichrists entnommen ist. Kap. 12, 13 ff. lesen wir, daß diese Gemeinde Gottes die Jahre der antichristischen Zeit wunderbar in der Wüste ernährt wird. Versuchte Verfolgung muß der Drache beschämt aufgeben. Endlich Kap. 14, 1–5 sehen wir die bereits aus Kap. 7 bekannten 144000 Versiegelten aus den 12 Geschlechtern Israels um das Lamm auf dem Berg Zion versammelt, jedenfalls zu einem besonderen großen Werk.

 Von Gegenwirkungen Gottes wider das antichristische Reich lassen sich vier erkennen. Erstens stellt er Kap. 11 für die ganze antichristische Zeit zwei große Propheten auf von ähnlicher Macht, wie sie einst Moses in Egypten besaß, oder Elias in Israel. Sie haben eine Art unbeschränkte Vollmacht in Bezug auf die Mittel, mit welchen sie die Herrschaft des Antichrists bekämpfen wollen. Nach Kap. 11, 8 wirken sie von Jerusalem aus und zwar die ganze antichristische Zeit hindurch bis kurz vor dem Abschluß derselben, wo sie scheinbar dem Antichrist unterliegen. Aber Gott wandelt das Unterliegen in Sieg.

 Eine zweite Gegenwirkung geschieht durch schwerste Plagen, welche von Gott über die Anhänger des Antichrist und sein Reich verhängt werden, Kap. 16. Auch muß die Natur das Beginnen des Antichrists unterstützen, jedoch zu seinem Verderben.

 Zum Dritten sendet Gott einen bösen Willen zwischen die Weltstadt und den Weltherrscher; die Weltstadt will ihren eigenen Weg gehen, so wird sie von demselben, den sie bisher verehrt und der sie bisher zum Mittelpunkt der Welt gemacht hat, in Grund und Boden zerstört und verbrannt.

 Die letzte Gegenwirkung besteht in der Vernichtung des Antichrists und seines Heeres. Diese Vernichtung erinnert uns wieder an Daniel Kap. 12, 1. Sie kündigt sich an bereits durch das Wunder, welches Kap. 11, 11 an den beiden getöteten großen Zeugen der Endzeit geschah. Die abgefallene Menschheit litt schwer unter| den von jenen Propheten über sie verhängten Strafgerichten. Als daher diese zwei Propheten von dem Tier aus dem Abgrund überwunden und getötet worden waren, kennt die Freude der befreiten Welt keine Grenzen. An dem Anblick der Leichname kann man sich nicht satt genug sehen; allenthalben werden darum Feste gehalten. Aber die Freude ist verfrüht, denn nach 31/2 Tagen fährt in die Getöteten der Geist des Lebens, und unter einem schweren Erdbeben folgen die beiden der Aufforderung, in den Himmel emporzusteigen angesichts ihrer Peiniger.

 Mit einer gewaltigen und großen Schlacht, von welcher in den alttestamentlichen Propheten viel die Rede ist, endigt der Kampf zwischen Weltreich und Gottesreich. In dieser Schlacht wird auch das bekehrte Israel mitkämpfen, was besonders deutlich aus Sacharja 12, 1–9 auch Kap. 9, 13–15 hervorgeht; auch aus Stellen wie Jesaja 41, 14–16, oder wie Micha 4, 11–14. Der Antichrist im Bund mit dem Drachen und dem falschen Propheten „eine höllische Dreieinigkeit“ bietet Kap. 16, 13 ff. alle seine Anhänger zu einem großen Angriff auf. Eine göttlich verordnete Austrocknung des Euphrat muß ihnen dabei zu Hilfe kommen und die Macht des östlichen Teiles der Welt ihnen zuführen. Kap. 19, 11–21 sehen wir den Auszug des himmlischen Heeres unter Führung des Herrn selber, der nunmehr die Heiden mit eiserner Rute regieren und die Kelter des Zornes Gottes treten wird. Das Tier wird gegriffen und mit ihm der falsche Prophet, der die Menschen zur Anbetung des Tieres verführt hat; lebendig werden die beiden in den feurigen Pfuhl geworfen. Die Kelter wird, Kap. 14, 20 außer der Stadt gekeltert, und das Blut von der Kelter sieht der Seher gehen bis an die Zäume der Pferde durch 1600 Feldwegs. Damit endet die Herrschaft des Antichrists. (1600 Feldwegs = 40 Meilen.)

 Kap. 20, 1–6 bringt den Bericht über den letzten Abschluß der antichristischen Zeit. Der Drache, der Teufel, aus dessen Anstiftung im letzten Grund all die schrecklichen Vorgänge zurückgehen, wird gebunden und auf 1000 Jahre in den Abgrund geworfen. Die Heiligen, welche um ihres Bekenntnisses zu Jesu willen den Tod erlitten haben, und die in der antichristischen Verfolgung ihre Treue bewährt haben, werden auferweckt und regieren mit Christo 1000 Jahre. So haben sie also den Sieg in ihrem äußeren Unterliegen davongetragen.

 Die Aussicht auf diesen Ausgang ihres Martyriums wird für diejenigen, welche von der antichristischen Verfolgung betroffen werden, jedenfalls eine große und mächtige Stärkung sein. Nach Kap. 7, 9 ist es eine große Schar, von Niemand zu zählen, aus allen Heiden und Völkern und Sprachen.




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Kurze Zusammenfassung.


1. Am Ende der gegenwärtigen Weltperiode wird eine Herrscherpersönlichkeit auftreten, die von der Schrift als Antichrist bezeichnet wird, d. h. als ein erklärter Feind Christi und seiner Gläubigen.

2. Derselbe wird auftreten, wenn der Abfall vom Christentum innerhalb der christlichen Völker seinen Höhepunkt erreicht hat, und zwar als göttlich verhängte Strafe über dieselben.

3. Derselbe ist keine gewöhnliche menschliche Persönlichkeit, sondern ist ein aus dem Abgrund aufsteigender früherer Weltherrscher.

4. Daher geschieht auch sein Hervortreten kraft besonderer Wunderwirkungen des Satans, der ihm als seinem Auserwählten seinen Stuhl und seine Macht zur Verfügung stellt.

5. Sein Auftreten ist begleitet von der Verführung, die von einem falschen Propheten ausgeht, der jedoch nicht aus der jenseitigen Welt stammt, sondern aus der diesseitigen, und durch große Wunder der Lüge die Welt zur Anbetung des Antichrists verführt.

6. Der Antichrist setzt sich in den Tempel Gottes, erklärt sich selber für Gott und fordert bei Todesstrafe von allen Menschen die Anbetung.

7. Da er als Wiederauflebender und sein Reich als wiedererstehendes den Tod überwunden zu haben scheint, fällt ihm alle Welt zu und läßt sich nach Art von Sklaven als das Eigentum dieses Herrschers kennzeichnen. Nur die Gläubigen widerstehen ihm, erleiden aber dafür den Märtyrertod; doch das bekehrte Volk Israel wird seiner Gewalt entnommen und in einem Bergungsort geschützt.

8. Er läßt sich nicht nur als Gott verehren, sondern stürzt auch alles, was göttlich ist, um. Er hebt die christliche Zeitrechnung auf und die Schöpfungswoche.

9. Sein Herrschersitz ist in der letzten großen Weltstadt, welche als Hure bezeichnet wird. Sie ist mit ihrem Herrscher ganz und gar einig in der Verfolgung und Ermordung der Gläubigen.

10. Seine schreckliche Herrschaft dauert dreieinhalb Jahre. Wenn die Zeit derselben nicht verkürzt würde, so würde kein Mensch gerettet, und so groß ist das Maß der Verführung, daß, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten Gottes von ihr mit fortgerissen würden.

| 11. Es fehlt indes in dieser Zeit nicht an göttlichen Gegenwirkungen. Es wird der Herr am Ende zwei große Propheten erwecken, durch welche die Anhänger des Antichrists mit schweren Strafgerichten heimgesucht werden, während das Volk Gottes durch sie Schutz erfährt. Doch die Gläubigen aus der Heidenchristenheit werden in unzählbarer Menge den Märtyrertod zu erleiden haben. Nur in größter Verborgenheit mögen etliche Gläubige durch die antichristische Zeit sich hindurch zu retten imstande sein. Offenb. Joh. 18, 4. 12.

12. Endlich aber naht das Gericht, zuerst über die Weltstadt, dann über diesen Weltherrscher selbst.

13. Zwischen der Weltstadt und ihrem Herrscher entsteht Uneinigkeit. Der Ausgang derselben ist, daß er sie mit seinen zehn mit ihm verbundenen Unterkönigen in Grund und Boden zerstört und in Rauch ausgehen läßt.

14. Eine Zwist mit dem König des Südens veranlaßt ihn, seine gesamte Macht aufzubieten. Auch die Unternehmung gegen diesen gelingt ihm, und auch die zwei Propheten, die ihm bisher Widerstand leisteten, darf er töten, und die Welt feiert über diese Befreiung große Feste; aber die Freude ist nur eine kurze.

15. Wie es scheint, will er nun, wie es vordem unter dem König Antiochus Epiphanes geschah, der wohl nicht bloß als Vorläufer, sondern als der erstmals in der Geschichte auftretende Antichrist selber zu betrachten ist, dem Volk Gottes den Garaus machen. Aber dies Mal tritt der Herr selber mit seinen Engelscharen für sein Volk ein. Vor der Erscheinung seiner Herrlichkeit erblaßt das Trugbild und der trügerische Glanz des Antichrists. Er selber wird mit dem falschen Propheten, so wie sie sind, ohne die Zwischenstufe des Totenreiches in den Feuersee geworfen, sein Heer aber in einer Schlacht, welcher keine andere an Größe gleichkommt, vertilgt.

16. Der Drache aber, die alte Schlange, auf dessen Verführung all dies Schreckliche zurückgeht, wird auf tausend Jahre gebunden, sodaß während dieser Zeit die Welt von seiner Verführung befreit sein wird.

17. Die um ihres Bekenntnisses willen zu Jesu hingemordeten Gläubigen stehen auf und regieren mit Christo diese tausend Jahre.

18. Vorhanden ist der Antichrist nach 2. Thessalonicher 2 schon seit den ersten Zeiten des Christentum und auch in der Welt wirksam, aber hervortreten kann er nicht, weil ein mächtiger Geisterfürst ihn nach göttlicher Bestimmung noch aufhält. Wenn derselbe aber seine aufhaltende Tätigkeit zurückzieht, dann wird er hervortreten. In der Vorbereitung auf dies sein Hervortreten ist von seiten der ungläubigen Welt schon ein großes| Stück Vorarbeit geschehen. So wie die Zeitverhältnisse gegenwärtig liegen, kann der Antichrist schnell und unerwartet auftreten.


 Die Gläubigen mögen sich das Wort des Apostels 1. Thessalonicher 5, 2 usw. gesagt sein lassen: „Ihr selbst wisset gewiß, daß der Tag des Herrn wird kommen, wie ein Dieb in der Nacht, denn wenn sie werden sagen: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, so wird sie das Verderben schnell überfallen, gleich wie der Schmerz ein schwangeres Weib, und werden nicht entfliehen.“ So wird auch die Stunde der Versuchung kommen, ohne daß die Welt es merkt, und sie wird kommen über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die da wohnen auf Erden; aber die des Herrn Wort behalten, die wird auch Er behalten vor dieser schrecklichen Stunde. Die Gläubigen sind nicht in der Finsternis, daß sie der Tag wie ein Dieb ergreife: „Ihr seid allzumal Kinder des Lichts,“ sagt der Apostel, „und Kinder des Tages, wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis,“ aber er fügt auch hinzu: „So lasset uns nicht schlafen, wie die anderen, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein, denn die da schlafen, die schlafen des Nachts, und die trunken sind, die sind des Nachts trunken, wir aber, die wir des Tages sind, sollen nüchtern sein, angetan mit dem Krebs (Panzer) des Glaubens, und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit, denn Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen durch unsern Herrn Jesum Christum.“

 Es ist nicht zu leugnen, daß die Entwicklung der Welt in mehr als einer Beziehung zu einem Abschluß gekommen ist. Das Bild der gegenwärtigen Welt stellt nicht mehr eine in viele Teile zerspaltene Menschheit dar, schon der Welthandel hat die verschiedensten Völker einander nahe gebracht, und nun ist es unseren Feinden, speziell England und Amerika, gelungen, fast die Gesamtheit der Völker für das von ihnen gewollte Ziel zu vereinigen; ein und dasselbe Interesse verbindet die Völker, soweit sie auch sonst von einander getrennt sind. Unvergleichlich mehr als in früheren Zeiten hat sich die Nacht der Lüge auf die Welt herabgesenkt und hält die Völker in ihrem Bann. Dabei ist merkwürdig, daß alles auf eine Zeit glücklichen Friedens hofft, wenn nur einmal der Krieg gegen den vermeintlichen Störenfried siegreich zu Ende geführt ist. „Man solle nicht meinen,“ sagte kürzlich in einer öffentlichen Rede der englische Premierminister Lloyd George, „daß ein solcher Weltkrieg noch einmal zu erwarten sei, der sei wie die Sintflut, die auch nicht mehr wieder gekommen sei“ – eine Aeußerung, wie jene aus dem Mund des Hohenpriesters Kaiphas in der Leidensgeschichte. Allerdings wird für die Welt eine glücklichere Zeit anbrechen, aber Menschen werden sie nicht herbeiführen, sondern der Herr, wenn er dem Reich des Antichrists ein Ende macht. Nach| Jesaja 66, 19 wird es ja Errettete geben, und nach Jesaja 2 werden noch Völker zum Berg des Herrn strömen, aber in der Christenheit wird es einen heißen Kampf geben; wir dürfen annehmen, daß die Gläubigen, welche in den schrecklichen Schlachten dieses Weltkrieges dem Tod so oft in das Auge geschaut und große Heldentaten vollbracht haben, auch vor dem Tod des Martyriums nicht zurückschrecken werden und andern ein Beispiel des Mutes, der Treue und der Standhaftigkeit geben werden. Gott walt’s in Gnaden! Hilf siegen Herr Jesu! Amen.





Buchdruckerei der Diakonissenanstalt Neuendettelsau.



  1. Unter den Auslegern der Offenbarung Johannis ist die Meinung vertreten, der für das Sonnenweib in der Wüste bereitete Ort sei der von Gott für die Gläubigen der antichristischen Zeit bereit gehaltene Bergungsort, der sie retten wird, wenn sie denselben im Glauben aufsuchen. Diese Meinung hat keinen Anhalt im Text, es ist da gar keine Rede davon, daß die Gläubigen den Ort aufsuchen sollen, sie können es gar nicht, das Sonnenweib wird durch ein Wunder (getragen durch die zwei Flügel des großen Adlers) dorthin gebracht. Der Ausdruck [14] läßt es ausgeschlossen erscheinen, daß man die Spur des Weges, den sie genommen hat, aussinden könnte; ihre Flucht hinterläßt gar keine Spur; sie ist also vollkommen von der übrigen Welt geschieden; die sonst in der Welt noch weilenden Gläubigen sind dem Drachen preisgegeben nach Offenbarung 12, 17. Es kann sich daher kein Gläubiger mit der Aussicht auf einen Bergungsort trösten, es muß sich jeder fertig machen den Herrn als Blutzeuge zu bekennen.