Sedan
[580] Sedan. (Zu dem Bilde S. 568 und 569.) „Schwer zu verstehen ist,“ sagt Moltke in seiner Geschichte des deutsch-französischen Krieges, „weshalb wir Deutsche den zweiten September feiern, an welchem nichts Denkwürdiges geschah, als was unausbleibliche Folge war des wirklichen Ruhmestages der Armee, des ersten September.“
So unser unvergeßlicher Schlachtendenker, der nach ernstem Wägen zu dem kühnen Wagen schritt: dem Befehl zum Rechtsabmarsch der III. Armee, zur Unterbrechung des Vormarsches auf Paris, als die kaum glaubliche Kunde von Mac Mahons abenteuerlichem Zuge zur Vereinigung mit Bazaines in Metz eingeschlossener „Rhein-Armee“ sich mehr und mehr bestätigte. Nun ging von Süden her die III. Armee, von Osten die Maas-Armee auf Mac Mahon los, die Schlacht von Beaumont am 30. August schaffte völlige Klarheit und durch die meisterhaft geleiteten, rastlosen Märsche der beiden deutschen Heere wurde Mac Mahon gegen die belgische Grenze gedrängt, so daß ihm nichts übrig blieb, als sich bei der kleinen Grenzfestung Sedan zum letzten Kampfe zu stellen, ein verzweifelter Fechter, dessen Streiter sich nur noch schlagen konnten, wo sie standen, unfähig zu marschieren und zu manövrieren. Von allen Seiten wurde das Franzosenheer eingekreist: die Schlacht war gewonnen, schon ehe sie begann, das Schicksal des unglücklichen Heeres und des ratlosen Kaisers in seiner Mitte besiegelt, noch bevor die ersten deutschen Kanonenschüsse den Franzosen das unabwendbar hereinbrechende Verhängnis verkündeten.
Wenn wir dankbar freudigen Herzens den Nationalfesttag, den 2. September feiern, der die Kapitulation der feindlichen Armee zum Abschluß brachte, dann wollen wir auch der genialen Heeresleitung gedenken, die zu jenem Erfolge führte, nicht minder des Heldenmutes der deutschen Streiter, die in den heißen Kämpfen des 1. September mustergültig durchführten, was die Heeresleitung ihnen zugewiesen.
Unser Bild versetzt uns in die späten Nachmittagsstunden des 2. September. Die Donner der Schlacht sind verhallt, Napoleon hat unserm König seinen Degen überreicht, König Wilhelm hat das prophetische Wort gesprochen: „Ich fürchte, dieser welthistorische Sieg bringt uns den Frieden noch nicht!“ und nun ist er von der Höhe von Frénois, wo er dem Kampfe beigewohnt, mit seinen Paladinen aufgebrochen, um beim Ritt über das Schlachtfeld seine wackeren Soldaten zu begrüßen, die freudig Blut und Leben eingesetzt haben und die dem glorreichen Kriegsherrn entgegenjubeln in stürmischer Begeisterung. Bei Donchéry hat er den tapferen Württembergern seinen Gruß entboten, hatte selbst für die in der Schlacht gefangenen Franzosen – auf der Maasinsel Iges – ein freundliches Wort und jetzt erscheint er auf der Höhe bei Floing, wo die Kavalleriedivision Marguerite unter Gallifets Führung sich in tollkühner Attacke auf die siegreich vordringenden Streiter des 11. und 5. Corps gestürzt hatte, aber von dem Feuer der unerschrockenen Infanterie niedergemäht, hinweggefegt wurde. So dicht bedeckt war das Gefilde von toten Reitern und Rossen, daß erst Raum geschafft werden mußte für den König und seine Begleiter, den Kronprinzen, Moltke, Roon und Bismarck. Siegesfroh flattern die Banner dem Kriegsherrn entgegen, hoch schwingt der Offizier den Säbel in der Linken, den wunden rechten Arm in der Binde, und auch die schwer getroffen danieder liegenden Krieger wenden das leuchtende Antlitz dem Heldenkönig zu. Wie umdrängen die Tapferen „Unsern Fritz“, dessen III. Armee heute ihr Meisterstück gemacht hat, das ihrem Führer den Marschallstab einbringen wird, wenn Metz gefallen ist, die von Friedrich Karls Scharen umklammerte Feste.
Und nun vorwärts nach Paris, wo der morsche Kaiserthron zusammenbricht, wo aber mit gewaltigem Krähen der gallische Hahn sich erhebt, nachdem der napoleonische Kaiseradler sich verblutet hat – vorwärts nach Paris!