Sehr geehrter Herr Huebner (Van Doesburg)

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Textdaten
Autor: Theo van Doesburg
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Titel: Sehr geehrter Herr Huebner!
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aus: De Stijl, 2. Jahr, Nr. 8 (Juni 1919): S. 96.
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Erscheinungsdatum: 1919
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SEHR GEEHRTER HERR HUEBNER!

Bei der Begründung des „Stijl” hat die Absicht eine internationale geistige Gemeinschaft zu schaffen, stillschweigend vorangeleuchtet. Wir zielten hierauf in der Einleitung, worin der Ton gelegt war auf: „die gemeinschaftliche Verwesentlichung des neuen bildenden Kunstbewusstseins” und auf „das In-sich-vereinigen der heutigen Denkrichtungen, welche der neuen Bildung gelten und die zwar im Wesen gleich, sich doch unabhängig von einander entwickelt haben (S 1, Jahrgang I)”.

Durch das Anknüpfen von Verbindungen mit den ausländischen Kunstmittelpunkten und durch die Einladung ausländischer Persönlichkeiten zur Mitarbeit, stellten wir uns unmittelbar auf einen internationalen Standpunkt. Wenn die Gewichtigkeit unserer Absichten erst heute nach den ausländischen Kunstzentren durchdringt, ist die Schuld daran nicht uns zuzuschicken, sondern an die apriori feindliche Haltung der offiziellen äusserst konservativen holländischen Presse, welche die künstlerische und kulturelle Bedeutsamkeit unseres Strebens von Anfang an unterschätzte oder durch vollkommenes Stillschweigen trachtete zu ersticken. Ich nenne in diesem Zusammenhange die offizielle Kunst-journalistik der Herren Plasschaert, Borel, J. de Meester, Van Eeden, Querido, Just Havelaar, Spoor, Veth & Co., kurzum alle, zu denen die ersten Offenbarungen eines neuen Zeitbewusstseins noch nicht durchgedrungen ist.

Die Stellung Hollands während des Kriegs setzte einige, von einem neuen Weltwillen erfüllte holländische Künstler in die günstige Gelegenheit — trotz des Abbrechens der Fühlungnahme mit der ausländischen Geistigkeit — von dem seit etwa zehn Jahren eroberten neuen Standpunkt aus, folgerecht weiter zu schreiten, um vornehmlich in der Malerei und Baukunst, sowohl praktisch als theoretisch, die ersten Grundlagen zu legen für eine neue, absolute Kunstgestaltung. Will diese wirklich die Bedeutung eines groszen Gemeinschaftsstils erlangen, so werden sich sämtliche schaffenden Künstler Europas unter Vernichtung aller kurzsichtigen nationalen Vorurteile, einander in einer einzigen Geisteshaltung zu begegnen haben.

Hierzu ist ein Austausch von Gedanken und Werken notwendig. Um dies zu erreichen, veröffentlichten wir unser bewusstes und mathematisch-aufgestelltes Manifest No. 1. Der Wirkungserfolg desselben hat uns nicht enttäuscht. Aus den modernen Kunstmittelpunkten von Frankreich, Italien, Deutschland, Belgien, empfingen wir begeisterte Beifallserklärungen, aus allen denen das gleiche Vertrauen in die Berufung des „Stijl” sprach, nämlich als Bewegung wie als Organ beizutragen zu Verwirklichung des groszen Verbruderungsgedanken der Völker mittels der allgemeinen Sprache der Kunst.

Es versteht sich von selbst, dasz wir nun, wo die Gewichtigkeit unseres Strebens von den wahrhaft geistigen, schaffenden Naturen Europas erkannt ist, dasz wir nun nicht mehr am gemeinsamen Erreichen der künftigen Form dieses groszen Weltgedankens — dem eines monumentalen Gesamtstils — zu zweifeln brauchen.

Mit freundlichem Grusz.

THEO VAN DOESBURG.