beschuldigt werden können, wenn man behauptet, daß bei einer Aushebung von 5 Mann aus jeder Stadt und von 1–2 Mann aus jeder Dorfschaft, Deutschland leicht ein Heer von 200,000 Mann aufstellen könnte. Ich führe nur folgende Einzelheiten an. In den zehn Kreisen zählen einige Schriftsteller 1957 Städte und feste Plätze auf, wobei das Königreich Böhmen nicht mitgerechnet ist. In diesem allein gab es nach Hagec zur Zeit Ferdinands I. 12 größere Städte, 308 kleinere Städte und Flecken, 258 feste Plätze und Burgen, 421 Klöster, 30,363 Dörfer. In Schlesien[1] zählt man 411 Städte, 863 Flecken, 51,112 Dörfer; in Mähren 100 Städte, 410 kleine Flecken, 30,360 Dörfer. Die Zahl der Abteien und Klöster, ehe von den Protestanten eine so große Menge aufgehoben wurde, giebt man auf 11,024 an. Durch den Eifer Ferdinands II. sollen 10,000,000 Menschen für die katholische Kirche wieder gewonnen sein[2].
Die[3] deutsche Nation war von allen Zeiten her kriegerisch und streitbar, für ganz Europa ein unerschöpflicher Quell von Soldaten, die ihre Haut zu Markte tragen. Wenn ihnen Hitze des Angriffes und Ungestüm fehlen, so ertragen sie dafür um so besser langwieriges Ungemach des Krieges und fügen sich außerordentlich leicht der Disciplin. Ebenso sind sie zu allerlei Handwerken geschickt. Und, was außerordentlich wichtig für die Festigkeit einer Regierung ist, sie sind allen Tumulten abgeneigt und fügen sich gern einem nicht allzu harten Regiment.
Von den Besitzthümern ist zunächst das Land selbst zu erwähnen, welches sich von Cassubien bis nach Mümpelgard, von der Nordgrenze Holsteins bis zum südlichen Krain, von Lüttich bis an die Grenze Schlesiens erstreckt. In diesem ganzen weiten Gebiete sind, mit Ausnahme der Höhenzüge der Alpen, nur wenige Gegenden, die nichts hervorbringen, was zum menschlichen Leben dienlich ist und die Producte des Landes machen Einfuhr vom Ausland, wenn man von Luxusgegenständen absieht, fast ganz entbehrlich.
Gold wird freilich nur in wenigen Bergwerken oder Flüssen gefunden, und die Edelsteine, welche Deutschland hervorbringt, sind nur von geringem Werth; dagegen finden sich Silber, Kupfer, Zinn, Blei, Eisen, Quecksilber und andere Mineralien in großer Menge an verschiedenen Orten. Salzquellen sind in genügender Zahl vorhanden, obgleich Ortschaften am Meere
- ↑ Dieser Satz über Schlesien und Mähren fehlt in der Ed. posth.
- ↑ Hier fügt Ed. posth. hinzu: „eine Angabe, bei der indeß die katholischen Schriftsteller etwas übertrieben zu haben scheinen.“
- ↑ Von hier ab hat P. selbst in seiner „Einleitung zu der Historie der vornehmsten Reiche und Staaten, so jetziger Zeit in Europa sich befinden“, IV. Aufl. Frankfurt a. M. 1699. Cap. 12. §. 18 ff. (S. 609 ff.) einen großen Theil des im Monzambano Gegebenen deutsch wiederholt. Namentlich §. 2 unseres vierten Capitels ist fast wörtlich übersetzt. Ich schließe mich hierbei natürlich möglichst an die eigenen Ausdrücke P’s. an. Uebrigens sind auch schon in den vorangehenden Paragraphen der „Einleitung“ viele Stellen nur aus Monzambano übertragen.
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/108&oldid=- (Version vom 1.8.2018)