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§. 3. Handel und Metallreichthum.

Auch hat Deutschland Mittel und Wege genug, bequeme Handelsverbindungen anzuknüpfen und zu unterhalten. Dazu aber sind erforderlich einmal eine günstige Lage, sodann aber das Vorhandensein eines Ueberschusses von Produkten über den eigenen Bedarf, die also zum Export verwendbar sind. Eine vortreffliche Lage für den Handel haben nun die Städte an der Nord- und Ostsee; weniger begünstigt sind schon die an schiffbaren Flüssen belegenen Orte, deren Verkehr durch lästige Zölle sehr behindert wird. Auf Landwegen endlich ist der Transport von Waaren wenig einträglich. Zur Ausfuhr geeignete Produkte hat Deutschland in Menge, ich erwähne nur Roheisen und verarbeitetes Eisen, Blei, Quecksilber, Wein, Bier, Branntwein, Getreide, Wolle, grobe Wollentuche,[1] wollene und leinene Gewebe verschiedener Art, Pferde, Schafe u. dgl.

Uebrigens will ich hier nicht verschweigen, daß manche Länder Europas an Geld reicher sind, als Deutschland. Dafür giebt es aber mehrere Gründe. Einmal ist es kein Wunder, daß ein Land sehr erschöpft ist, in welchem 30 Jahre lang der Krieg gewüthet hat und welches während dieser ganzen Zeit von deutschen und ausländischen Soldaten ausgesogen und geplündert ist. Sodann giebt es Länder in Europa, deren Handelsverkehr durch die geographische Lage weit mehr begünstigt wird, als der deutsche. Denn am Meere liegen in Deutschland nur wenige Städte, während England, Italien, Spanien, Portugal, Frankreich und die Niederlande sich einer außerordentlich reichen Küstenentwickelung erfreuen. Ebenso haben Länder, wie Spanien, Portugal, England und die Niederlande auswärtige Besitzungen, deren Schätze alle im Mutterlande zusammenfließen und sich hier vereinigen, während Deutschland gar keinen Colonialbesitz hat. Auch[2] pflegt in manchen Ländern der Glanz der Hauptstädte, nach denen unermeßliche Reichtümer zusammenströmen, die Augen der Fremden zu blenden, und von Paris, London und Lissabon schließt man leicht auf ganz Frankreich, England und Portugal, während Deutschlands Reichthum über das ganze weite Land, gleichmäßig vertheilt, schon dadurch unbedeutender erscheint. Sodann fließen durch die Thorheit der Deutschen große Summen Geldes in’s Ausland für Waaren. welche man theils im Inlande fabriciren, theils ganz entbehren könnte.[3] endlich könnte man hier noch anführen, daß durch die vielen Reisen der jungen Deutschen viel Geld in’s Ausland geschleppt wird.[4] Denn wenn auch die Unbeholfenheit des deutschen Geistes sich durch den Verkehr mit Fremden abschleift, so verdienen doch die nur Spott und Verachtung, die, wie jetzt so viele, aus unserem Italien nur einige in Deutschland unbekannte Laster und ein paar

  1. Grob Laken ist der Ausdruck, den P. braucht, wie Laken überhaupt im 17. Jahrhundert Tuche bezeichnet.
  2. Dieser Satz ist in der Ed. posth. weggelassen; weshalb, ist kaum erfindlich.
  3. Wie man aus dieser und ähnlichen Stellen ersieht, ist P. in gewisser Beziehung ein Anhänger des Mercantilismus.
  4. Das ist ein Punkt, über den in jener Zeit viel und oft geklagt worden ist. Auch Leibniz, in dem Bedenken über die Securität, kommt oft darauf zurück.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/110&oldid=- (Version vom 1.8.2018)