Seite:Über die Verfassung des deutschen Reiches.djvu/112

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der Grausamkeit der Türken selbst, theils wegen der Schlauheit[1] Oesterreichs, welches den Türkenschrecken benutzt, um den deutschen Geldbeutel zu schröpfen. Dazu kommt noch das Geschrei der Pfaffen und ihre Sucht, Böses zu prophezeien; denn ihnen liegt natürlich auch daran, die Menge in beständiger Furcht zu erhalten.[2]

§. 5. Fortsetzung.
2. Verhältniß zu den anderen Staaten.

Italien ist an Zahl und Reichthum der Bevölkerung weit schwächer als Deutschland und durch seine Zersplitterung zu auswärtigen Unternehmungen fast unfähig. Auch sind wir Italiener gern zufrieden, wenn die deutschen Kaiser ihre alten Rechte auf unser Vaterland nicht wieder geltend machen, zumal in unserer pietätslosen Zeit, in der die Scheu vor dem päpstlichen Bannstrahl, der einst die Deutschen schreckte, jetzt ganz verschwunden zu sein scheint.[3] - Polen kann ebensowenig seine Macht mit der Deutschlands vergleichen. Und da die polnische Politik ebenfalls mehr defensiv als aggressiv ist, die Deutschen aber ihre Verfassung zu gleicher Zurückhaltung zwingt, so ist ein Zerwürfniß zwischen diesen beiden Mächten kaum denkbar, außer in dem Fall, daß ein deutscher Fürst sich in die inneren Streitigkeiten der Polen mischen sollte.[4] - Die Dänen sind bis jetzt noch nicht einmal im Stande gewesen, Hamburg zu überwältigen,[5] so daß sie gegen ganz Deutschland sicher nichts auszurichten hoffen können; zumal[6] sie jede Bewegung ihrer Nachbaren, der Schweden, ängstlich überwachen müssen. - Auch von England und seinen übermüthigen Ansprüchen auf die Herrschaft des Meeres hat Deutschland nichts zu besorgen. Denn wie England sich in die Angelegenheiten des Festlandes stets ohne Erfolg mischen würde, so hat Deutschland andererseits keine gegen die englische irgend in Betracht kommende Seemacht. - Die vereinigten Niederlande haben weder den Willen noch die Kraft, gegen Deutschland etwas zu unternehmen. Sie leben auf dem Wasser und sind zum Kriegsdienste auf dem Lande fast ganz unbrauchbar, wie es sich denn auch mit ihren Anschauungen von Freiheit nicht verträgt, ein großes Landheer zu unterhalten, wozu sie sonst Mittel

  1. Ed. posth. fährt hier fort: „derjenigen, welche den Türkenschrecken benutzen, um die Deutschen zu Geldbewilligungen zu bewegen.“
  2. Die hier dargelegte Ansicht, die gewiß in vieler Beziehung durchaus richtig ist, ist hochst merkwürdig in einer Zeit, in der man allgemein den Türkenkrieg als ein Gott wohlgefälliges Unternehmen anzusehen pflegte. Sie ist jedenfalls ein schönes Zeugniß für die Unabhängigkeit der Denk- und Anschauungsweise unseres Schriftstellers.
  3. Die späteren Ausgaben (schon die von 1684) und nach ihnen auch die Ed. posth. fügen hier folgenden Satz ein: Auch die Schweizer sind angenehme Nachbaren, da sie nie aggressiv vorgehen und sich begnügen, ihr Eigenthum zu verteidigen; sie nützen Deutschland mehr, als sie ihm schaden.
  4. Ed posth. fügt hinzu, „oder Polen, durch französisches Gold erkauft, Deutschland im Rücken angreifen sollte.“
  5. Ed. posth. schreibt. „was ihnen freilich auch weder Nieder- noch Ober- Sachsen, haben sie ihr Interesse im Auge, gestatten werden.“
  6. Statt dieses Nachsatzes heißt es in Ed. posth.: „Sollten sie aber von anderen aufgereizt sein, so würde man ihnen leicht durch ein Bündniß mit dem Dänemark immer feindlichen Schweden genug zu thun machen können.“
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)