Daß es dem Haus Oesterreich gelinge, das übrige Deutschland in wahrhaft monarchischer Weise sich zu unterwerfen, wird keiner der Nachbarstaaten wünschen, und keiner von ihnen wird so thöricht sein, ein derartiges Unternehmen irgendwie zu begünstigen. Wenn auch Spaniens Hilfe Oesterreich hierbei gewiß wäre, so würden doch Frankreich, Schweden und die Niederlande sich um so eifriger widersetzen, je gewinnreicher es stets für sie war, die deutsche Libertät zu unterstützen. Auch der Papst dürfte einen derartigen Versuch Oesterreichs nicht begünstigen. Zwar würde es ruhmvoll für den Oberhirten der Christenheit sein, so viel Myriaden verirrter Schafe zur Mutterkirche zurückkehren zu sehen, aber lieber würde man einige Seelen verlieren, als es zulassen, daß Oesterreichs oder Spaniens Uebermacht gebieterisch in die italiänischen Verhältnisse eingriffe.
Wollte[1] endlich Frankreich Deutschland angreifen, so würde es wiederum Spanien, England, Italien und die Niederlande zu erklärten Gegnern haben, die sich vielleicht etwas abergläubisch an den alten Spruch erinnern würden: Habe den Franken zum Freund, aber nicht zum Nachbar. Die Dänen dagegen würden sich vielleicht nicht scheuen, sich einer französischen Schutzherrschaft zu unterwerfen, wenn sie so der beständigen Furcht vor den verhaßten Schweden ledig werden könnten. Am meisten Gefahren aber scheint ein Bündniß zwischen Frankreich und Schweden zu haben, besonders wenn der König des letzteren Reiches ein kriegsliebender Herr wäre. Aber erfahrene Politiker wollen bemerkt haben, daß Frankreich zwar Schwedens Hilfe bezahlen, aber die mit jener Hilfe erlangten Vortheile nur für sich ausnutzen will. Denn die Franzosen wünschen gar nicht, daß Schweden mit ihrem Gelde seine Macht hinreichend erweitert, um ihre Freundschaft für die Folge entbehren zu können. Und umgekehrt halten es die Schweden für thöricht, zum Vortheil Frankreichs und nicht zu ihrem eigenen Krieg zu führen. Auch sind sie klug genug, um vorauszusehen, daß nach einer Unterwerfung Deutschlands durch Frankreich letzteres ihnen ebensogut, wie allen anderen Reichen, Gesetze vorschreiben würde. Daher[2] ist die Freundschaft zwischen beiden Staaten seit einiger
Truppen von Oberdeutschland weit entfernt waren und er unerwartet über den Rhein losbrechen konnte, einmal um den Türken Zeit zu geben, sich wieder zu sammeln, die sonst leicht ganz aus Europa hätten verjagt werden können, sodann um das, was Deutschland noch auf dem linken Rheinufer geblieben, sich zu unterwerfen. Ob diese Treulosigkeit Ludwig, dem Ruhestörer Europas seit langer Zeit, dessen Ehrgeiz unersättlich ist, ungestraft hingehen wird, wird die Zeit lehren. -
- ↑ Auch die folgende Ausführung ist in der Ed. posth. wesentlich verändert. Namentlich weist P. hier auf die Gefahren hin, die Frankreichs Uebermacht nach Deutschlands Eroberung ganz Europa drohen würde und wie diese Gefahr alle Staaten gegen Frankreich vereinen würde. Nur Polen, meint er, könnte vielleicht durch Bestechung von Frankreich gewonnen werden; Dänemark schon deshalb nicht, weil Frankreich zur Erringung einer Universalmonarchie auch der Herrschaft über die Ostsee bedürfe.
- ↑ Statt der folgenden Ausführung wird in der Ed. posth. noch einmal auf die Gefahr hingewiesen, die Frankreichs Uebermacht ganz Europa drohe. Insbesondere fordert P. Deutschlands Fürsten auf, sich nicht durch französisches Gold gewinnen zu lassen.
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/115&oldid=- (Version vom 1.8.2018)