Freiheit Deutschlands schützen. Nun wäre es aber doch sehr unbescheiden, wollte man eine solche Mühe von ihnen umsonst verlangen; und es dürfte sich auch kein Schatzmeister finden, der die Beute so gewissenhaft für den Reichsfiscus in Anspruch nehmen könnte. Einsichtige Politiker glauben vielmehr, wenn die Pläne der Feinde Oesterreichs gelingen sollten, so würden die deutschen Stände bald die alte Klage der Frösche erheben, welche statt des Klotzes den Storch zum König bekamen. Da nun aber auch nach dem Sturze Oesterreichs Deutschland eines Hauptes nicht entbehren kann, will Hippolith die Wahl eines anderen Kaisers, den er - in lauter Phrasen und Gemeinplätzen - mit den herrlichsten Tugenden ausstattet: und doch soll der neue Kaiser nur des leeren Titels sich erfreuen und ohne monarchische Rechte nur die Rolle eines Direktors oder Beamten spielen. Nun kann zwar eine derartige Stellung eines obersten Beamten in einem aristokratischen Staate, in welchem die Magnaten alle in einer Stadt leben, von gewissem Nutzen für den Staat sein: aber viel einfacher wäre es doch gewesen, dann die Kaiserwürde überhaupt abzuschaffen.
Was nun Hippolithus dem Kaiser an Macht nimmt, das giebt er ihm an Einkünften wieder; denn es wäre doch eine Schmach, einen solchen Fürsten hungern zu lassen. Der Kaiser soll also aus den österreichischen Besitzungen dotirt werden, und wenn diese vielleicht nicht ausreichen sollten, sollen die Kurfürsten wiedergeben, was ihnen von Karl V. geschenkt oder bestätigt ist. Ein wie schlechter Menschenkenner muß aber Hippolith sein, wenn er meint, mit solcher Macht ausgestattet, werde der neue Kaiser sich auf einen so engen Kreis von Rechten beschränken lassen. Uebrigens werden nach der Vernichtung Oesterreichs die Kurfürsten auch gar nicht so bereit sein, wieder heraus zu geben, was sie nun seit drei Jahrhunderten oder noch länger ruhig besitzen. Denn abgesehen davon, daß Fürsten im Allgemeinen einen viel zu schwachen Verstand haben, als daß sie das fassen könnten, was die Gewissensräthe über die Wiedererstattung unrechtmäßig erworbenen Gutes predigen, so haben die Kurfürsten auch Grund genug, sich an die übrigen Stände zu halten. Und mancher Reichsstand würde gewiß mit einem recht geringen Besitz sich begnügen müssen, sollte er über jeden Erwerb strenge Rechenschaft ablegen. Am billigsten ist es also, daß ein Jeder behalte, was er seit so langer Zeit besitzt.
Zu viert verordnet Hippolithus gegenseitiges Vertrauen der Stände und will alles Mißtrauen mit der Wurzel ausrotten. Zu diesem Behufe will er alle Streitigkeiten, von denen die meisten aus der Religionsverschiedenheit stammen, durch gütlichen Vergleich beigelegt wissen. Das war aber schon in seinem ersten Vorschlage inbegriffen: wozu also mit dieser Arznei noch ein besonderes Büchschen füllen?
Was er endlich über die Errichtung eines ständigen Reichsregiments, über die Zusammenberufung des Reichstages in wichtigen Angelegenheiten, über die Aufhebung des Hofrathes, über die Errichtung eines stehenden Reichsheeres und über die Erhebung von jährlichen Abgaben zur Gründung eines Kriegsschatzes vorschlägt, wird nach dem, was ich im Folgenden sagen werde, beurtheilt werden können.
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/124&oldid=- (Version vom 1.8.2018)