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Schiedsspruch unbeteiligter Stände zu schlichten, dem sich zu unterwerfen beide Theile angehalten werden müssen.

Wenn nun ein Föderativstaat ein Oberhaupt an seine Spitze stellt, so ist dabei die größte Vorsicht zu beachten, um den Versuchen, eine monarchische Herrschaft zu gründen, vorzubeugen. Vor Allem dürfen Heer und Festungen nicht unter dem Bundesoberhaupte allein stehen. Dieses [1] ist ferner auf bestimmte Grundgesetze zu verpflichten, und es muß ihm ein ständiger Bundesrath zur Seite stehen, der die Bundesgenossen repräsentirt und die laufenden Verwaltungsgeschäfte nach vorher von ihnen festzustellenden Grundsätzen und nach ihren Beschlüssen besorgt. Alle auswärtigen Angelegenheiten müssen zuerst vor diesen Rath kommen, dann muß den einzelnen Ständen darüber berichtet und zuletzt ein allgemeiner Beschluß gefaßt werden. Der Bundesrath muß ferner bei wichtigen und schwierigen Angelegenheiten die Bundesgenossen zu außerordentlichen Versammlungen zusammenberufen, die aber keine großen Kosten verursachen dürfen und deren Geschäftsordnung eine schnellere Beschlußfassung ermöglicht.

Freilich ist wenig Hoffnung, daß Oesterreich in die Errichtung eines solchen Rathes willigen wird, da es jeder Beschränkung seiner Macht, selbst einer mäßigen, abhold ist. Und doch ist es für Deutschland eine Unmöglichkeit, so lange die männliche Linie des Habsburgischen Hauses fortbesteht, die Kaiserwürde einem anderen Geschlechte zu übertragen. Es wird also nichts anderes übrig bleiben, als auf gütlichem Wege von Oesterreich die Selbstbeschränkung zu verlangen, daß es wenigstens mit seiner jetzigen Macht zufrieden sein und nicht nach einer Erweiterung derselben auf Kosten der Stände streben möge. Die Aufgabe der Stände aber wird es sein, alle Versuche gegen ihre Sicherheit und Libertät entschlossen und einmüthig entgegen zu treten.

Insbesondere muß verhütet werden, daß einzelne Stände unter einander oder mit auswärtigen Mächten Bündnisse schließen, welche gegen ein Glied des Reiches in Kraft treten könnten. Bei Bündnissen gegen auswärtige Staaten aber muß dafür gesorgt werden, daß Deutschland nicht dadurch in einen Krieg verwickelt werden kann.[2] Vor Allem muß ferner die Einmischung fremder Mächte in die inneren Angelegenheiten Deutschlands oder die weitere Verringerung des Reichsgebietes verhütet werden. Ja es muß auch verhindert werden, daß etwa eines der Nachbarländer von einem mächtigeren, ländergierigen Feinde erobert werde, der Deutschland

  1. Statt der folgenden Sätze heißt es in der Ed. posth.: Auch erscheint es nöthig, daß in einem nicht monarchischen Staate ein ständiger Bundesrath besteht, zusammengesetzt aus denen, welche Theil an der Reichsregierung haben. Er muß über die wichtigsten inneren und alle auswärtigen Angelegenheiten berathen und nach vorangegangener Verständigung mit den einzelnen Ständen beschließen. Einen solchen Rath bildet aber jetzt beinahe schon der 1663 begonnene und seitdem fortgesetzte Reichstag. Es liegt aber im Interesse Deutschlands, daß er zu einer permanenten Versammlung werde, die das Reich zusammenhält und über die gemeinsamen Angelegenheiten beschließt. Insbesondere muß verhütet werden u. s. w.
  2. Die Ed. posth. fügt hier hinzu: Ist aber ein Krieg mit dem Auslande begonnen, so darf kein Stand seine eigene Politik verfolgen und neutral bleiben; sondern jedes angegriffene Glied des Reiches ist von Allen zu schützen, auch von denen, die fern von jeder Gefahr liegen.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)