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aus diesem Grunde in einen überaus merkwürdigen Kampf verwickelten. Sein Sohn und Nachfolger Heinrich V. verzichtete endlich, des langen Kampfes müde, auf dem Reichstage zu Worms (1122) auf das Recht, die Bischöfe zu ernennen und, wie früher üblich war, ihnen mit Ring und Stab die Investitur zu ertheilen. Dem Kaiser blieb nur die Befugniß, dem erwählten Bischof die Regalien und Reichslehen mit dem Symbol des Scepters zu verleihen. Daß dies Zugeständniß eine große Niederlage der kaiserlichen Macht bedeutete, ist leicht einzusehen. Denn wenn der Kaiser auch nur wenig Macht über die weltlichen Fürsten gehabt hatte, so war es ihm doch leicht gewesen, den weltlichen Fürsten die Spitze zu bieten, so lange ihm die geistlichen völlig untergeben waren. Wenn übrigens im Vertrage Heinrichs V. mit dem Papste bestimmt war, daß die Bischofswahl dem Clerus und der Gemeinde zustehen solle, so fingen doch die Kanoniker oder die Geistlichen des bischöflichen Domcapitels bald an, das Wahlrecht für sich allein in Anspruch zu nehmen, ohne Zweifel unter Connivenz des Papstes, dem es lieber sein mußte, wenn einigen wenigen, als wenn der ganzen Kirche das Wahlrecht zustand. Endlich ist es dahin gekommen, daß die vom Capitel erwählten Bischöfe sich in Rom die Bestätigung holen müssen, während früher Bestätigung und Weihe dem Metropolitan zugestanden hatte. Für eine directe Ernennung der Bischöfe durch die Päpste finden sich in Deutschland nur wenige Beispiele;[1] die Capitel würden eine derartige Ernennung auch nicht anerkennen, außer wenn etwa innere Wirren sie am Widerstande hinderten.

§. 7. Der Ursprung der Macht der geistlichen Fürsten.

Ihre große Machtstellung verdanken übrigens die deutschen Bischöfe vorzüglich der Freigebigkeit der ältesten Kaiser. Denn in jenen Zeiten beseelte eine heiße Frömmigkeit alle Fürsten und jeder glaubte, sich die Gottheit um so mehr zu verbinden, je mehr er der Geistlichkeit schenkte. Jetzt freilich sind schon viele von dieser Ansicht zurückgekommen und meinen, vielleicht nicht mit Unrecht, daß der fromme Eifer der Geistlichkeit durch allzugroßen Besitz mehr versiege als wachse. Auch waren die Pfaffen darin consequent, bei jenen rechtschaffenen Leuten, welche die Strenge der Geistlichen gern besänftigen wollten, ganz dreist ihre Forderungen zu stellen. Man schenkte also den Bischöfen und Kirchen nicht nur Güter und Zehnten, sondern auch ganze Herrschaften, Grafschaften und Herzogthümer, ja selbst die Rechte der Regalien, so daß sie zuletzt grade so unabhängig wie die weltlichen Fürsten dastanden. Zur Fürstenwürde gelangten die meisten zur Zeit der Ottonen oder etwas später; auch bekamen sie die Regalien nicht alle zugleich und auf einmal, sondern nach und nach und zu verschiedenen Zeiten. Daher haben manche noch heute nicht alle diese Rechte, andere üben sie nur mit bestimmten Beschränkungen aus. Uebrigens widmeten sich damals nur die edelsten Männer dem geistlichen Stande, wie denn auch nur unter der Geistlichkeit noch einige wissenschaftliche Bildung zu finden war, und grade deshalb konnten Macht und Ansehen der Geistlichkeit so schnell steigen. Man berief ja auch deshalb

  1. Die Ed. posth. verbessert: finden sich in den letzten Jahrhunderten weniger Beispiele als früher.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/59&oldid=- (Version vom 1.8.2018)