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Orden, welche im 13. Jahrhundert und später errichtet sind, sind ihren Provincialen und Generalen unterstellt und anerkennen nur den Papst als ihren obersten Richter.[1] Die Verwaltung ihrer Güter stand meist unter Vögten, von denen sich im Laufe der Zeit einige Klöster freigemacht haben, während die meisten ihre alte Verfassung beibehalten haben. Einige sind auch von öffentlichen Lasten befreit.

§. 17. Fortsetzung. Gerichtsstand der Unterthanen.

Processe der unteren Stände[2] wurden schon zur Zeit Karls des Großen wie erwähnt, entweder vor den Bischöfen, deren Gerichtsbarkeit sich mit der Zeit ausdehnte, oder vor den weltlichen Richtern entschieden. Die erste Instanz bildete das Gericht der Schöffen, welche in den Gauen und Ortschaften eingesetzt waren. Von diesen ging man an die Grafen, deren Befugnisse mit der Zeit vielfach an die Herzoge oder Bischöfe übergingen. Von den Grafen konnte an die königlichen Missi, und in letzter Instanz an den König selbst appellirt werden, an dessen Hofe die Processe endgültig entschieden wurden. Als aber im 15. Jahrhundert durch die Weitschweifigkeiten des Proceßverfahrens und die Kniffe der Sachwalter die Appellationen anfingen häufiger zu werden, berieth man, um sie schneller erledigen zu können, über die Einsetzung eines stehenden höchsten Reichsgerichts, das endlich zu Speyer seinen festen Sitz nahm. Der eigentliche Grund seiner Einrichtung war also nicht, daß der kaiserliche Hof meist ohne feste Residenz im Reiche umherzog, sondern die Erwägung, daß die Last der Geschäfte so am leichtesten bewältigt werden konnte.

§. 18. Fortsetzung und Zusammenfassung.

Heutzutage ist nun die Ordnung der Gerichte in Deutschland die folgende. Streitigkeiten zwischen Privaten kommen in erster Instanz vor den Richter der Stadt oder des Dorfes, in welchem der Beklagte wohnt, wenn dieser nicht durch ein Privileg davon eximirt ist. Weiter besteht dann, so viel mir bekannt ist, in allen Fürstenthümern ein hoher Gerichtshof für das ganze Land, Hof- oder Landgericht genannt, an welchen appellirt wird, während in den meisten Städten nur eine Instanz vorhanden ist.[3] Die gemeinsamen Gerichtshöfe für das ganze Reich sind das Kammergericht zu Speyer und der kaiserliche Reichs-Hofrath. Doch haben einige Reichsstände das Privileg, daß ihre Unterthanen nicht an jene Gerichte appelliren können. Dahin gehören alle Kurfürsten, auch die geistlichen, bei denen man nur bezweifeln kann, daß sie von diesem Privileg Gebrauch machen, nicht daß sie es besitzen. Dasselbe Recht haben das Haus Oesterreich und

  1. Die späteren Ausgaben, auch Ed. posth., fügen hinzu: was, wie es scheint, den Zweck hat, die bischöfliche Macht zu verringern.
  2. P. braucht hier den Ausdruck plebeji. Thomasius will darunter nicht die der Patrimonialgerichtsbarkeit unterworfenen Bauern, sondern die Bürger der Städte und den landsässigen Adel verstanden wissen. Doch sehe ich nicht, was hinderte, auch die Bauern mitzuverstehen.
  3. Doch hatten viele größere Städte schon damals ein Ober- und Unter- oder Niedergericht.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)