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für ein gleichförmig bewegtes System, nur die Ortszeit, kann aber nicht zur Feststellung der Bewegung dienen.

H. A. Lorentz hat dargetan[1], daß die Vorstellung von der elektromagnetischen Konstitution der Materie ausreicht, um das negative Ergebnis aller bisherigen Versuche über den Einfluß der Erdbewegung zu erklären. Allerdings muß er dabei die Kontraktionshypothese nicht nur auf die Materie, sondern auch auf die Elektronen anwenden, in der in § 22 angeführten Weise.

Um so die Einflußlosigkeit der Erdbewegung auf die elektromagnetischen und optischen Vorgänge zu deuten, nimmt Lorentz zu Hypothesen seine Zuflucht, die mit dem Raum- und Zeitbegriffen der klassischen Mechanik nicht verträglich sind. Wenn wirklich die Bewegung alle Maßstäbe verkürzt, so kann die Ausmessung mit solchen Maßstäben im bewegten Systeme nicht zur Kenntnis der „absoluten Form“ der Körper führen, von der die klassische Geometrie handelt. Andererseits soll eine elektromagnetische Uhr — und nach der Hypothese der elektrischen Konstitution der Materie verhält sich jede Uhr wie eine elektromagnetische — im bewegten System die Ortszeit, nicht die „absolute Zeit“ der alten Kinematik anzeigen. Man muß sich fragen, ob unter diesen Voraussetzungen den überlieferten Anschauungen der Geometrie und der Kinematik überhaupt noch eine Bedeutung zukommt.

Diese Frage wurde von A. Einstein verneint. Seine Theorie[2], die meist kurzweg „Relativitätstheorie“ genannt wird, gründet sich auf zwei Postulate.

Das erste Postulat verlangt die Äquivalenz zweier Systeme, die gegeneinander in gleichförmiger, geradliniger Translationsbewegung begriffen sind. (Postulat der Relativität). Es gibt hiernach kein ausgezeichnetes, etwa im Äther verankertes Bezugssystem, sondern lediglich eine dreifach unendliche Schar ausgezeichneter, gleichberechtigter Bezugssysteme, welche sich gegeneinander mit gleichförmiger Geschwindigkeit bewegen.


  1. H. A. Lorentz, Akad. v. Wetenschaften te Amsterdam 12. S.986, (1904).
  2. A. Einstein, Ann. d. Phys. 17. S. 891, (1905).