der der Heredität entspricht. Die pathologischen Veränderungen der Leber zeigen makroskopisch wie mikroskopisch fast in jedem Falle der Nierenpathologie analoge Erscheinungen, wobei uns in erster Linie natürlich die primären Erkrankungen interessieren. Es erscheint uns weiter überflüssig, darauf einzeln hinzuweisen, handelt es sich doch um ein in der allgemeinen Pathologie genügend klar hingestelltes Problem, wie sich bestimmte Veränderungen in jedem einzelnen Organ wiederfinden lassen. Nur der Mangel einer zureichenden Ätiologie soll in diesem Zusammenhange hervorgehoben werden. Das Problem dagegen, das in dieser Schrift aufgeworfen und zu lösen versucht wird, hat vielmehr die Frage zum Inhalt, welche Gründe sind dafür maßgebend, daß gewisse Erkrankungen gerade ein bestimmtes Organ befallen? Die von uns angenommene Lösung, die eine primäre Minderwertigkeit dieses Organes als Grundlage der Erkrankung ansieht, steht mit den Meinungen und Forschungen vieler Autoren in Einklang. Vielleicht dürfen wir in dieser Frage bloß in Anspruch nehmen, die Lehre von der Minderwertigkeit der Organe umfassender in Angriff genommen und ihre Bedeutung für wesentlicher angesehen zu haben. Größerer Widerspruch dürfte sich aber gegen die weitere Behauptung erheben, daß auch andere, nicht als genuin angesehene Erkrankungen, wie Infektionskrankheiten und „zufällige“ Erkrankungen des Entgegenkommens einer Organminderwertigkeit oft bedürfen oder wenigstens in ihrem Verlaufe davon abhängig sind. Eine noch größere Anzahl von Krankheiten wären hier zu nennen. So die Tuberkulose, die sich wohl stets im minderwertigen Organ lokalisiert, eine Behauptung, durch deren endgültigen Nachweis viele der schwebenden Fragen, die Heredität, Eintrittspforten und Wege der Infektion, Immunität und Therapie betreffend, einer Lösung näher gebracht wären. Desgleichen fallen die Ansiedlung der Löfflerschen Bazillen und anderer Mikroorganismen am Rachenring, der Fränkl-Weichselbaumschen Diplokokken in der Lunge, der Typhus-, Cholera- und Dysenterieerreger an bestimmten Stellen des Darms und manche anderen Infektionen in diese Betrachtung. Dabei soll die Rolle der Bakterieninvasion nicht geleugnet werden. Aber besonders seit der Nachweis vieler pathogener Mikroorganismen bei Gesunden gelingt, erscheint die Annahme einer Minderwertigkeit der erkrankten Organe gesichert. Freilich wird man in diesen Fällen oft nur undeutliche Zeichen der Minderwertigkeit zu erwarten haben, ja für viele dieser Erkrankungen muß die Affektion selbst und ihr Verlauf vorläufig als Beweis der Minderwertigkeit angesehen werden. Dies führt uns dazu, für diese weitverbreiteten Erkrankungen die Auffassung von einer „absoluten“
Alfred Adler: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1907, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerStudie.djvu/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)