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funktionelle Minderwertigkeit, die sich in Anomalien der Sekretion geltend machen dürfte. Doch ist sicherlich zuweilen eine morphologische Minderwertigkeit (des Parenchyms, der Langerhansschen Inseln, abnorme Kleinheit) nachweisbar. Drittens kann die Minderwertigkeit in dem der Bauchspeicheldrüse zugehörigen Nervengebiet gelegen sein.

Fall Dr. G.: Vater litt an Morbus Basedowii. Der Sohn leidet seit Kindheit an schwerem Diabetes. Schilddrüse intakt. Hier findet sich gleichzeitige Minderwertigkeit zweier Organe, ohne daß über deren gegenseitige Beeinflussung etwas ausgesagt werden könnte. Dieser Fall veranlaßt uns aber, bei den nicht gar seltenen Glykosurien in Fällen von Basedow die Zuckerausscheidung nicht ausschließlich mit der Thyreoidea in Verbindung zu bringen, sondern lieber eine gleichzeitige Minderwertigkeit des Pankreas anzunehmen.

Bezüglich der Fettleibigkeit ist an diesem Orte hervorzuheben, daß sie sich in hervorragendem Maße als hereditär erweist. Dies sowie ihr Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, d. h. mit gleichzeitigen Minderwertigkeiten anderer Organe ist hinlänglich bekannt.

Erkrankungen der Lymphdrüsen werden, soweit mir bekannt ist, nicht geradewegs als hereditär angesehen. Der Grund liegt in folgendem: Sowie in einem Organe Tuberkulose festgestellt wird, scheint derzeit vielfach jedes weitere Interesse der Forscher erloschen oder richtet sich auf Infektionsmodus und Wege der Weiterverbreitung. Uns interessiert hier vor allem aber die Tatsache, daß Tuberkulose vielleicht jedes minderwertige Organ unter gewissen Bedingungen befallen kann. Die Minderwertigkeit der Lymphdrüsen, die ja sicherlich bei der Weiterverbreitung der Tuberkulose eine große Bedeutung gewinnt, ist angeboren und hereditär. 2 Fälle sollen zur Stütze dieser Ansicht dienen.

I. Alfred B. erkrankte im 16. Lebensjahre an zahlreichen Lymphdrüsenschwellungen des Halses, die alle erweichten, eitrigen Zerfall aufwiesen und mit den bekannten skrofulösen Narben ausheilten. Weder Patient noch sonst wer aus der Familie wies Spuren von Tuberkulose auf. Aber die Mutter hatte im 15. Lebensjahre gleichfalls an Lymphdrüsenschwellungen des Halses gelitten und zeigte einige skrofulöse Narben.

II. Frieda H., 15 Jahre alt, war bis zum Winter des Jahres 1905 stets gesund. Damals erkrankte sie an zahlreichen Lymphdrüsentumoren, die besonders die Supraklavikulargruben ausfüllten und emporwölbten. Dazu gesellte sich eine linksseitige Pleuritis, späterhin Lymphdrüsenschwellungen unter der linken Axilla. Eltern und Geschwister

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Alfred Adler: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1907, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerStudie.djvu/34&oldid=- (Version vom 31.7.2018)