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Seite:AdlerStudie.djvu/91

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vor Wasser und Feuer gesellt sich nicht selten Furcht vor der Nacht. Zuweilen gelingt es ihm, die Furcht in jeder Form zu überwinden und deren Kontrast, äußersten Mut und Kourage, zu gewinnen. Vieles von dem, was wir hier trocken schildern, hat Jean Paul in „Schmelzles Reise“ anschaulich dargestellt, deren Held, wie sich leicht erkennen läßt, eine Zwangsneurose auf Basis der Minderwertigkeit des Harnorganes aufweist. Nachtwandeln, das analog dem Sprechen, der unwillkürlichen Harn- und Stuhlentleerung im Schlafe, eine spielerische, lustvolle Organbetätigung darstellt, wird man bei Enuretikern entsprechend der häufigen segmentalen Minderwertigkeit oft vorfinden. Der Traum des Enuretikers, in der Zeit des Kinderfehlers mit Bettnässen verbunden, hat recht häufig den Akt des Urinierens, späterhin nach der Zeit der Enuresis die Vorstellung von Schwimmen, Baden, Bootfahren zum Inhalt, erlaubt mit Sicherheit die Diagnose überstandener Enuresis und stellt sich besonders in der Kindheit als primitive Wunscherfüllung nach ungebundener Organbetätigung dar (Freud). Bleibt manchen von ihnen die Wasserscheu fürs ganze Leben haften, so kommen andere zu hervorragenden Leistungen im Schwimm- und Rudersport.

Die gleichzeitige Minderwertigkeit des Sexualorganes und das dauernde Interesse für die Blasenentleerung sind es vor allem, die neben der Enuresis vielleicht regelmäßig einen zweiten Kinderfehler, die Frühmasturbation, autoerotische Berührungen der Genitalien entstehen lassen. Damit ist wieder neuer Anlaß gegeben zu Abwegen in der psychischen Entwicklung. Der früh erwachte Autoerotismus macht das Kind für die Erziehung ungeeigneter, die Eindämmung böser, unkultureller Triebe von außen her wird aus demselben Grunde schwierig, das Kind fügt sich nur schlecht in die Kultur, wird schlimm und ungeberdig. Daneben erwachen in ihm neue Verstärkungen für seine Feigheit, Scheu und Ängstlichkeit und es sucht mit unheimlicher Konsequenz Trost und Schutz vor dem gewonnenen Verständnis für die Sünde in „kindischem“ Aberglauben und religiöser Phantasie. In der Psychoanalyse neurotischer Personen findet man beide im ideologischen sexuellen Überbau. Physiologisch betrachtet, kommt es zur Kompensation im psychomotorischen Feld der Sexualorgane, zu Verstärkungen und Hemmungen. Wie oft diese Vorgänge zur Grundlage von Neuropsychosen werden, sobald sich Kompensationsstörungen und Wechselwirkungen zweier minderwertiger psychomotorischer Felder ergeben, hat Freud durch sein psychoanalytisches Material unwiderleglich nachgewiesen. Auch in meiner Kasuistik finden sich viele Belege dafür, die durch ihre feste Zugehörigkeit

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Adler: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1907, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerStudie.djvu/91&oldid=- (Version vom 31.7.2018)