verlor. Reibersdorf, sowie die ganze Herrschaft Seidenberg, wurden vom Churfürsten Johann Georg I. von Sachsen, als Pfandinhaber der Oberlausitz, durch den Landeshauptmann des Budissiner Kreises eingezogen und sequestrirt; der geächtete Freiherr von Räder aber entwich auf seine Besitzungen in Schlesien.
Vier Jahre nach erwähnter Confiscation (1630) gelangte die Herrschaft Seidenberg für den Preis von 46000 Thalern an den Freiherrn Christian von Nostiz, kaiserlichen Rath und Kämmerer, auch Oberkanzler von Schlesien. Dieser nahm seinen Wohnsitz auf dem Schlosse zu Reibersdorf, das seit jener Zeit bleibender Aufenthalt der Standesherren wurde. Nach Christians von Nostiz Tode, der 1660 erfolgte, erbte die Herrschaft dessen Sohn Otto, kaiserlicher Obrist, welcher 1679 die Reichsgrafenwürde erlangte und 1689 starb. Ihm folgte als Besitzer Seidenbergs der kaiserliche Kämmerer Graf Georg von Nostiz, der sich auch „edler Pannerherr und Freiherr der Standesherrschaft Seidenberg“ nannte, dabei aber ein höchst unbeliebter Herr war. Unaufhörliche Reibungen und Streitigkeiten mit seinen Unterthanen, namentlich aber der Trotz des Städtchens Seidenberg, dessen Bürgerschaft ihm die Huldigung verweigerte, veranlassten den Grafen Georg von Nostiz schon im vierten Jahre nach seiner Ankunft in Seidenberg die Herrschaft an den Sächsischen Geheimrath und Oberforstmeister Hans Haubold von Einsiedel auf Wolkenburg, Ehrenberg und Lobigau zu verkaufen. Von jetzt an blieb die Familie von Einsiedel im ununterbrochenen Besitz von Reibersdorf, und mancher ausgezeichnete Mann dieses ehrwürdigen Geschlechts erscheint in der Reihe der Standesherren. Hans Haubold von Einsiedel gründete in Reibersdorf zwei Jahrmärkte, und hinterliess nach seinem 1700 erfolgten Tode drei unmündige Söhne, deren Mutter Frau Anna Sophie, geborne von Rumohr, die Güter einige Zeit verwaltete, und sich dabei als eine höchst kluge und umsichtige Dame zeigte. Bei der Theilung des väterlichen Erbes erhielten die beiden älteren Brüder die im Meissnischen gelegenen Besitzungen, der Jüngste aber, Kammerherr Detlev Heinrich von Einsiedel, übernahm 1720 die Standesherrschaft Seidenberg, welche er in ein Majorat verwandelte. Ihm folgte 1746 sein ältester Bruder Johann Georg, churfürstlich Sächsischer Hofmarschall, Herr von Wolkenburg, Ehrenberg, Gersdorf, Knau, Saathain und Börigen, der in den Reichsgrafenstand erhoben wurde und 1760 mit Tode abging. Nach ihm besass die Herrschaft Johann Georg Friedrich, Reichsgraf von Einsiedel, königlich Sächsischer Kabinetsminister, ein eifriger Freund und Beförderer der Wissenschaften und Künste, welcher die im Reibersdorfer Schlosse noch vorhandene treffliche Bibliothek gründete und eine ausgezeichnete Kupferstichsammlung anlegte, die leider seit 1848 nicht mehr vorhanden ist. Von 1812 bis 1840 gehörte die Herrschaft dem Grafen Georg von Einsiedel, Sächsischem Gesandten erst am Französischen, dann am Russischen Hofe. Graf Heinrich, sein Nachfolger, besass die Herrschaft nur bis 1842, in welchem Jahre der jetzt regierende Graf, Herr Curt Heinrich Ernst, Reichsgraf von Einsiedel, in ihren Besitz gelangte.
Das alte Schloss Reibersdorf, vor welchem seit Jahrhunderten zwei merkwürdige Linden in seltsamer Gestalt ihre Aeste weithin ausbreiten, ist jetzt zu einem Amthause für die standesherrliche Justizkanzlei umgewandelt, und war im dreissigjährigen Kriege einige Male Hauptquartier kaiserlicher und Schwedischer Feldherren, wie 1631, wo der Feldmarschall von Tieffenbach, und 1648, wo General Königsmark darin wohnten. Das neue Schloss, zu welchem 1760 der Grund gelegt wurde, gelangte erst nach einer langen Reihe von Jahren zu seiner Vollendung und gehört jetzt zu den prachtvollsten und stattlichsten Schlössern der Oberlausitz. In dem obern Stockwerke verwahrt man die schon erwähnte, vom Grafen Johann Georg Friedrich von Einsiedel gegründete Bibliothek, welche namentlich an geschichtlichen, staatswirthschaftlichen und belletristischen Werken ungemein reichhaltig ist. Sie enthält im Ganzen mehr als 20,000 Bände.
Der Flecken Reibersdorf hat das Ansehen eines Städtchens, und auf seinem von Häusern eingeschlossenen Marktplatze finden jährlich zwei Märkte statt. Der Ort besteht aus 80 Häusern und zählt mehr als 800 Einwohner, die hauptsächlich Ackerbau und Handwerke betreiben. Die Kirche, über deren Entstehung keine Nachrichten vorhanden sind, wurde im Jahre 1735 niedergerissen und an ihrer Stelle das jetzige schöne Gotteshaus von Grund auf neu erbaut. Altar und Kanzel sind höchst zweckmässig angebracht; Beide, sowie der Taufstein, wurden der Kirche in den Jahren 1780 und 1807 von dem damaligen Patron Herrn Kabinetsminister Grafen von Einsiedel geschenkt, dessen grosse Verdienste um Kirche und Schule noch jetzt in dankbarem Andenken der Reibersdorfer fortleben. Im Jahre 1836, bei ihrem hundertjährigen Jubiläum, empfing die Kirche ein neues Geläute.
Die Standesherrschaft Reibersdorf führte bis 1815 den Namen Seidenberg, und besteht jetzt aus den Rittergütern Reibersdorf, Dornhennersdorf, Friedersdorf und Oppelsdorf, den Gütern Markersdorf, Oberweigsdorf und Dörfel – welches Letztere in Böhmen liegt – und der Stadt Seidenberg in der Preussischen Oberlausitz. Zum Rittergute Reibersdorf gehören 444 Acker Fläche, worunter 305 Acker Feld – guter Mittelboden – 114 Acker Wiesen und Gärten, sowie 6 Acker Gebäude und Hofraum. Als lebendes Inventarium befinden sich hier 50 Stück Rindvieh, 10 Pferde und 700 Schafe.
G. A. Poenicke: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section. Leipzig 1859, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Ritterg%C3%BCter_und_Schl%C3%B6sser_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_III.djvu/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)