Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section | |
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Die Ortenburg von Bautzen, reich an geschichtlichen Erinnerungen, gehört zu den denkwürdigsten und interessantesten Schlössern von Sachsen. Möchte es uns gelingen, in kurzen Umrissen ein treues Bild davon zu entwerfen:
Das Schloss Ortenburg liegt am Ende des Granitfelsens, auf welchem die Stadt Bautzen erbaut ist, dem Bretzschen oder Proitzschenberge, einem andern eben so hohen Berge gegenüber, zwischen welchen beiden im Thale die Spree fliesst. Schon im Jahre 807 soll der Schlossberg von den wendischen Anwohnern der Furt unter demselben, nach Zerstörung ihrer Veste auf dem Proitzschenberge in Folge des Sieges der Deutschen über die Böhmen und Sorbenwenden angebaut worden sein; doch ist dies blos Sage.
Erst im Jahre 958 wurde der Schlossberg durch die Erbauung einer Burg der Sitz eines Burggrafen und gegen das Ende des 10. Jahrhunderts entstand die Stadt Budissin, welche 1002 der polnische Herzog Boleslaus Chobri eroberte, 1005 Kaiser Friedrich II. ihm wieder abnahm und mit deutscher Besatzung in dem Markgrafen Herrmann von Meissen versah, aber der 1018 geschlossene Friede wieder unter polnische Hoheit brachte.
Im 11. und 12. Jahrhundert waren die Grafen von Groitzsch mit dem Schlosse Ortenburg und mit der Herrschaft Bautzen beliehen, welche es ebenfalls wohl mehr als Burggrafen verwalteten oder der Stelle des Statthalters unter böhmischer Herrschaft vorstanden.
Diese erste Landesstelle, die des Landvoigts, behauptete sich auch im 15. Jahrhundert unter dem Könige Matthias Corvinus fort, welcher im Jahre 1483, nachdem die alte Ortenburg abgebrannt war, ein neues Schloss erbauen und dem Landvoigte als Sitz und Residenz anweisen liess. Dieser Matthias Corvinus steht in voller Rüstung über dem äussersten Thore ausgehauen.
Dieses neue Schloss wurde aber zum Theil im Jahre 1620 ein Raub der Flammen, so dass das jetzige in der Abbildung zu erschauende eigentlich aus dem Jahre 1635 stammt.
Johann Georg I. erwarb in diesem Jahre am 30. Mai die beiden Lausitzen durch den Separatfrieden mit dem Kaiser zu Prag und zwar als ein Mannlehn der Krone Böhmens als erblichen Besitz mit Beibehaltung aller ihrer Rechte und Freiheiten. Johann Georg I. behielt deshalb auch den Landvoigt bei, dessen Stelle nachher Johann Georg III. und Friedrich Christian als Kurprinzen verwalteten.
Der Sitz des Landvoigts in der Ortenburg war daher auch die Veranlassung zu den häufigen Besuchen von Königen und Kaisern. Denn auf demselben halten Johann 1319, Karl V., Wenzel IV., Ferdinand I., Maximilian II., Rudolph II. Hof gehalten, vorzüglich in unruhigen Zeilen, wo sie sich in Prag nicht sicher hielten. Auch Georg III. floh hieher vor der Pest.
Mit dem Jahre 1777 hörten die Landvoigte auf und von dieser Zeit an versorgte ein Oberamts-Verwalter, der seit 1800 den Titel eines Oberamts-Hauptmanns führte, die damit verbundenen Geschäfte; denn der Landvogt hatte sehr wichtige Functionen. Ihm stand der Vorsitz beim Oberamte wie bei dem Judicio ordinario zu, er bestätigte die von den Ständen gewählten Amtshauptleute zu Bautzen und Görlitz, er besetzte vom Oberkanzler an alle Stellen beim Oberamte, empfing in des Landesherrn Namen von allen Vasallen den Eid der Treue und hatte überhaupt den wichtigsten Einfluss auf alle Angelegenheiten der Provinz.
Im Parterre des Schlosses und im ersten Stockwerk befand sich daher auch der Sitz der Oberamts-Kanzlei und des Oberamtsarchivs. Auch wurden in demselben die Gerichte der Verordneten von Land und Städten und die Vorbeschiede des Bautzner Amtes gehalten. Die ganze Gerichtsverfassung der Lausitz beruhte später auf der vom König Matthias II. im Jahre 1611 bestätigten Amts- und Gerichtsordnung, welche durch spätere Gesetze und Verordnungen des Hauses Sachsens die bekannten Abänderungen erlitten hat.
In dem Schlosse Ortenburg ist auch der grosse Versammlungssaal, wo der jedesmalige Landesherr der Oberlausitz die Huldigung annimmt, und daneben ein grosses, schönes, mit einer Stuckaturdecke versehenes Audienzzimmer, welches wegen seiner Decke besonders merkwürdig ist, weil dieselbe 9 Felder mit Scenen aus der lausitzischen Geschichte enthält. In dem einen Felde wird Graf Wieprecht von Groitzsch im Jahre 1086 von Heinrich IV. mit dem Lande und der Herrschaft Bautzen beliehen. Wieprecht kniet vor dem auf dem Throne sitzenden Kaiser und greift mit seiner Rechten nach dem Panier, worauf die Wappen des neuen Lehens zu sehen sind. Auf seinem Schilde bäumt sich ein Ross, hinter ihm erblickt man einen Ritter mit dem herzoglichen Hute, und neben dem Kaiser stehen zwei Herolde mit dem kaiserlichen Wappen und Handzeichen.
In einem anderen Felde erblickt man den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zu Pferde, wie er mit gesenkter Lanze im starken Galopp auf das böhmische und lausitzer Wappen zurennt: eine deutliche Anspielung auf seine Bemühungen um die böhmische Krone, mit welcher auch der Besitz der Lausitz verbunden war. In einem dritten Felde sieht man Prag im Hintergrunde und den dahin fliehenden Friedrich. Im vierten Felde kniet der Kurfürst Johann Georg I. vor dem Kaiser und empfängt von demselben die Lehn.
Im Jahre 1815 fiel die ganze Niederlausitz und der grössere Theil der Oberlausitz an Preussen, und von den bekannten 6 Städten sind der Lausitz blos vier geblieben: Zittau, Löbau, Camenz und unser Bautzen mit der Ortenburg, wo heute noch der Sitz der jetzigen Landesbehörden ist.
Der Raum jenseits der Spree, oder auf der Westseite derselben heisst die Seydau, wo einige 100 Häuser sich befinden.
Lausitzer Kreis, 25. Heft oder 120. d. g. Folge.
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1854–1861, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Ritterg%C3%BCter_und_Schl%C3%B6sser_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_III.djvu/288&oldid=- (Version vom 2.10.2016)