Seite:Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III.djvu/90

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jetzige Eigenthümer aber ist der Landesälteste der Oberlausitz Herr H. E. A. von Thielau auf Plotzen.

Kemnitz hat mannigfaltige Schicksale erlitten. Als der Hussitenkrieg namenloses Elend über die Lausitz brachte, und wol hauptsächlich bei den Belagerungen der Städte Reichenbach, Bernstadt und Löbau, mag auch Kemnitz von den rohen Horden unendlich viel gelitten haben. In den Jahren 1583 und 1599 grassirte hier eine schreckliche Pest, während der sogar die Kirche geschlossen und auf freiem Felde gepredigt wurde. Der dreissigjährige Krieg brachte neues Unheil, und als die Preussen im siebenjährigen Kriege Kemnitz plünderten erlitt der Ort einen Schaden von 18,693 Thalern. In dem Französischen Kriege mussten die Bewohner von Kemnitz durch Einquartierungen, Durchmärsche, Contributionen und Spanndienste gleichfalls manche Misshandlung und grosse Verluste an ihrem Eigenthume erleiden. Hagelwetter berührten die hiesigen Fluren in den Jahren 1640, 1641, 1733, 1737, 1757, 1773 und 1787. Durch Feuersbrünste gingen 1590 der herrschaftliche Oberhof und fünf Bauergüter in Flammen auf, 1637 brannte ein Gärtnerhaus und 1645 wie auch 1647 ein Bauergut durch Bosheit schwedischer Soldaten nieder. Ein gleiches Schicksal traf 1647 die Scheunen des herrschaftlichen Niederhofes und 1666 brannte bei Gelegenheit eines Gastmahls abermals das Herrenhaus des Oberhofes ab. Ausserdem verzehrten die Flammen 1685, 1697, 1713, 1776, 1812 und 1826 jedesmal ein Bauergut, 1749 den Gerichtskretscham mit der Schöppenlade und dem Archiv, 1806 die Buschschenke, 1816 ein Haus und 1834 die Wohngebäude des Kretschams.

Ein altehrwürdiges Gebäude ist die Kirche zu Kemnitz, die wahrscheinlich im Hussitenkriege durch Feuer zerstört wurde, da man bei dem 1794 vorgenommenen Durchbruche einer Wand zwar Brandspuren entdeckte, keine Nachricht aber von einem stattgefundenen Kirchenbrande spricht. Den Altar zieren das Reichwald’sche und Kyau’sche Wappen mit der Jahreszahl 1657, und die Kanzel ist 1659 erbaut. Von dem Kirchenschmucke raubten die Kosaken 1813 einige goldgestickte sammetne Tücher und 1835 wurde durch Einbruch ein silberner Kelch sammt Patene, Kanne und Oblatenbüchse, Geschenke der 1701 verstorbenen Frau Susanne von Gersdorf, gestohlen, so dass nur noch ein alter silberner Becher vom Jahre 1540 mit der Umschrift: „Kniez: Girzir: Niekdi, Diekan: Bidzowski: Arodic: Kadanski: Audiclan: Gest: Anno 1540“ im Gebrauch ist. Als Denkmäler der Vorzeit sind noch die Leichensteine Adams von Kyau und seiner Gemahlin, des Obersten Reichwald von Kämpfen und der Pfarrherrn seit 1617 vorhanden, auch befinden sich hier zwei uralte Leichensteine mit längst verwitterter Schrift, einen Ritter und eine Dame, wahrscheinlich aus der Familie der Gersdorfe, darstellend. Zwei der Glocken tragen Mönchsschrift, die dritte ist 1606 gegossen worden. Im Jahre 1725 traf der Blitz den Kirchthurm, und obgleich er nicht zündete, verursachte die Erschütterung doch so gewaltigen Schaden, dass die Reparatur beinahe dreihundert Thaler kostete. An Legaten ist ein von dem Grafen Gersdorf gestiftetes von 200 Thalern vorhanden, dessen Zinsen zugleich mit dem Ertrage des Gotteskastens der Armenkasse zufliessen, ein zweites von 200 Thalern aber gründeten die letzten Grafen von Hrzan und Harras mit der Bestimmung dass davon alljährlich am Todestage ihres Bruders ein ausgewählter Armer drei Thaler empfangen solle. Der Kammerherr von Uichtritz schenkte bei Uebernahme des Rittergutes 50 Thaler an die Armen, die zur Hälfte sogleich vertheilt zur Hälfte aber zinsbar angelegt wurden. Die Schule zu Kemnitz besuchen durchschnittlich zweihundertunddreissig Kinder. –

O. M.     




Lehndorf.


Als die Franken nach unsäglichen Anstrengungen die Slavischen Einwohner der Lausitz unter ihre Botmässigkeit gebracht hatten, mussten sie vor Allem daran denken, durch Erbauung fester Burgen und Thürme sich gegen etwaige Empörungen des gedemüthigten Volkes zu sichern, und so entstand nebst vielen anderen Festungen auch die Burg Camenz, auf welcher ein vom Kaiser eingesetzter Burggraf als Beherrscher eines nicht unbedeutenden Distrikts hauste. Dem Beispiele des Burggrafen folgten bald andere von ihm mit Ländereien und Unterthanen belehnte Vasallen welche die Slavischen Leibeigenen dazu verwendeten auf ihrem Grund und Boden feste, mit Wall und Graben umzogene Zwingburgen aufzuthürmen, in denen die strengen Herren von dem Schweisse der armen Fröhner bereichert ein üppiges Leben führten. Zu diesen Gütern, welche theils von Edelleuten theils aber nur von sogenannten Freien bewohnt wurden, gehörte auch Lehndorf, und der Lehnsmann welcher dort seinen Sitz hatte, war verpflichtet, dem Burggrafen von Camenz Vasallendienste zu leisten. Die Entstehung Lehnsdorfs fällt somit etwa in das elfte Jahrhundert.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Poenicke: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1859, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Ritterg%C3%BCter_und_Schl%C3%B6sser_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_III.djvu/90&oldid=- (Version vom 31.7.2018)