In der weiten, durch Wiesen und Busch in anmuthiger Abwechslung von Ortschaften verschönten Aue des rechten Ufers der Mulde, ¼ Stunde entfernt von der Theilung dieses Flusses in mehrere Aerme, welche auf Eilenburg, das sie gleichsam umschliessen, zueilen und zwar unmittelbar vor der Ausmündung des Thals der Lossa, die von hier aus, bedeutend breiter auf eine Stunde lang fast parallel mit dem Muldenufer durch Wiesen und Gehölze nach ihrer Mündung in diesen Fluss, oberhalb Eilenburg sich dahinschlängelt, liegt das alte Dorf Thallwitz, mit seinem Rittersitze. – Es darf aber keineswegs als das Stammschloss Derer von Dallwitz angesehen werden, wiewohl unser Thallwitz ebenfalls im Mittelalter also geschrieben vorkommt, da diese vielmehr aus dem alten Allod Dallwitz in der Mittelmark stammte.
Der Name Thallwitz, Tallwitz oder Thalwitz (alt: Dallwitz oder Dolewitz), ist unbedingt durch spätere deutschthümliche Schreibart ebenso wie die Mehrzahl unserer Ortsnamen, seiner ursprünglichen Entstehung entfremdet worden und hat seine Etymologie höchst wahrscheinlich in dem slavischen Dole: unter und wjes: Ortschaft (mit nicht an einander geschlossenen Höfen). – Die Gegend war zuverlässig bereits im Slaventhume von einiger Bedeutung, da der Filialort Wasewitz (wahrscheinlich vom slavischen Wasen: der Rechtsstreit) bis zum 24. Aug. 1650 einen eigenen Dingstuhl des Stifts zu Meissen besass. Interessant ist übrigens, dass bei dieser Deutung des Ortsnamens von Wasewitz mit Rücksicht auf den des nahgelegenen, dahin auch gepfarrten Canitz, – von Kani, die Busse –, ein eigenthümlicher Zusammenhang hervortritt, der durch die Bauanlage des erstern, mit Gassen und Marktplatz, noch mehr Vermuthung erhält.
Das hiesige Rittergut hat seine nicht unbedeutenden Fluren und liegenden Gründe zum Theil im Königreiche, zum Theil im preussischen Herzogthume Sachsen, indem die Grenze sich am westlichen Theile des Dorfs, zwischen dem nahgelegenen Collau nach Wasewitz in südwestlicher Richtung herabzieht, wo sie sich am Bührner-Werdt[1] immer etwas westlicher lenkt und jenseits der Mulde sich Püchau nähert. Das Schloss selbst, alt und etwas baufällig, mag wohl seine Entstehung den Bischöfen von Meissen verdanken und scheint zu verschiedenen Zeiten verschiedene Veränderungen erlitten zu haben. Indem es schon seit den 70ger Jahren des 18. Jahrh. zumeist unbewohnt war, so haben sich die Besitzer auch seltener um seinen baulichen Zustand bekümmert. Im Jahre 1787 widerfuhr jedoch diesem alterthümlichen Schlossbaue die ganz besondere Ehre, dass der Churfürst Friedrich August es zu seinem Standquartiere erkor, das er hier auf einige Tage nahm, um in der Nähe des grossen Lustlagers zu sein, das in der Fläche zwischen Wurzen und Eilenburg abgehalten wurde, bei welcher Gelegenheit er auch den Armen des Orts 50 Thlr. schenkte. Einer grösseren Beachtung hat sich aber der zum hiesigen Schlosse gehörige Garten mit seiner vortrefflichen Orangerie, die in neuester Zeit auch ein neues Winterhaus erhalten hat, stets erfreut. Diese Orangerie ist dem Vernehmen nach aus Nitzschwitz hierher gekommen. Das Rittergut Nitzschwitz nämlich, das damals dem bekannten Primierminister Grafen von Brühl (besten Andenkens?) gehörte, ward ebenfalls, wie alle Güter dieses missliebig arroganten Fürstengünstlings, der so lange unter dem furchtbarsten Scheine des Rechts und der Gesetzlichkeit vom Marke Sachsens zehrte, auf allerhöchste Ordre von dem preussischen Militär während des siebenjährigen Krieges feindselig behandelt, wobei die hiesige Orangerie versteigert ward. Dadurch erhielt der damalige Besitzer von Thallwitz, Graf von Hoym, Gelegenheit, sie um ein Billiges zu acquiriren. Uebrigens darf nicht unerwähnt bleiben, dass der hiesige anmuthige Schlossgarten weit und breit einen wirklichen und zwar nicht unverdienten Ruf hat, dass er aber auch dem Publikum möglichst zugänglich ist und dass namentlich an den Tagen, an welchen das Musikchor der Garnison Wurzen hier Concerte ankündigt, ein grosser Zusammenfluss von Gebildeten und Honoratioren aus der weiten Umgegend, ja sogar von Oschatz und Leipzig daselbst gesehen werden kann. – Was die Besitzer des hiesigen Guts betrifft, so ist vor Allem zu bemerken, dass es vor 1382 dem wurzner Collegiatstifte unmittelbar gehört haben und dann an Conrad von Schlieben für das burggräfliche Lehngut Grosspraussnitz bei Lommatzsch vertauscht worden sein soll, und dass es hierauf zu Anfange des 15. Jahrhunderts ein bischöflich-meissnisches Tafelgut geworden. Als solches ist es auch mit allen Rechten und Gewohnheiten, Zinsen und Nutzniesungen aller Pertinenzstücke in dem Register des Bisthums „de collacione episcopi misnensis“ unter „Districtus Worzen parrochie,“ unter den Namen Talwitz geführt worden. Doch soll es geschehen sein, das im Jahre 1502 der meissner Bischof Johann VI., der seine Schlösser zu Stolpen, Bischofswerda, Gödau, Nitzshwitz, Nemtau etc. in bessern Stand setzte, „Talewitz“ dem Ludwig von Canitz in Lehn gab. Diese Belehnung wird aber mit keiner Sylbe in dem bekannten „Epitome administrationis Johannis de Salhausen LII. Episcopi“ vom Jahre 1512 erwähnt, wie wohl „Talewitz“ wiederholt darin aufgeführt ist. Es heisst unter andern daselbst wörtlich: „Zu Bauss haben wir an örthern, da vor nichts wuchs, uffs neue eine wiese reumen und machen, und die andern Wiesen zu Pauss und Talewitz also aussbreiten lassen, dass uns reichlich alle iar noch eigs so vihl Heu wechst, als in der erste, do wir an dem Stiffte quamen, domit lassen wir die Schaff zu Pauss undt Talewitz nehren.“ Ferner: „Diese nachgeschriebenen Erbzins als neml. 4 silber ƒ 4 gr. zu Talewitz, 16 gr. zu Nitschwitz und 1 ƒ 36 gr. zu Retschitz haben wir ierlich unserm Stiffte mehr gemacht, dazuvor unser Stifft nichts hatte.“ – Auch geht aus diesem für die Geschichte der Besitzungen
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/025&oldid=- (Version vom 21.5.2018)
- ↑ Wahrscheinlich von einem Lager der Hussiten so genannt.