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Gautzsch.


Das uralte von den Sorben erbaute Dorf Gautzsch mit seinem stattlichen Rittergute liegt zwischen Leipzig und Zwenkau, nicht weit von der Mündung des Flossgrabens am östlichen Rande der wald- und wiesenreichen Elsteraue, und wird wegen seiner angenehmen Lage und eines trefflichen Gasthofes von den Leipzigern häufig besucht. Ausser dem Rittergute besteht der Ort aus vierundzwanzig Gütern und etwa funfzig Häusern mit circa 450 Einwohnern, die zum Theile in dem nahen Leipzig Beschäftigung finden oder bei der Landwirthschaft thätig sind.

Das Rittergut ist durch verschiedene hinzugekaufte Güter ziemlich stark geworden und besitzt vortreffliche Waldungen, eine Ziegelscheune, Jagd und Gerichtsbarkeit, sowie die in früheren Zeiten vielgeltende Fasaneriegerechtsame. Die Gebäude des Gutes befinden sich in sehr gutem Zustande und haben einen bedeutenden Umfang, auch ist hier ein grosser hübscher Garten.

Wie schon erwähnt, ist Gautzsch ein sehr alter von den einst in hiesiger Gegend hausenden Slaven angelegter Ort, doch ist es ein Irrthum, wenn verschiedene Geschichtsschreiber ihn für das Cothug, Cotowe oder Cothuh halten, welches Kaiser Otto II. im Jahre 973 dem Merseburger Bisthum schenkte. Wäre Gautzsch dieser Ort gewesen, so musste es bei der Theilung des Bisthums, 981, an das Bisthum Zeitz kommen, während Cothug unter den Ortschaften aufgeführt wird, die an das Bisthum Magdeburg fielen. Dieses Cothug war vermuthlich das Dorf Gotha bei Eilenburg. In den frühesten Zeiten wurde Gautzsch Kussatz und Kutzschatz geschrieben und noch im siebzehnten Jahrhundert kommt es urkundlich unter dem Namen Kautzschitz vor, auch war die Schreibart Gautschitz gewöhnlich, wie eine Handschrift des Pastor Stollberg vom Jahre 1630 beweist. Vor dem funfzehnten Jahrhundert scheint Gautzsch Eigenthum des Thomasklosters in Leipzig gewesen zu sein, wenigstens übte dasselbe hier bedeutende Gerechtsame aus. Von den adeligen Besitzern war der erste, historisch nachzuweisende, Ritter Nickel Pflugk, Dam Pflugks auf Grosszschocher ältester Sohn, der wegen seiner Tapferkeit nur der eiserne Pflugk genannt wurde. Er stand bei dem Churfürsten Friedrich dem Sanftmüthigen in hohen Gnaden und leistete ihm viele und wichtige Dienste. Während der Belagerung Gera’s durch den Herzog Wilhelm von Thüringen schickte der Churfürst Friedrich die beiden Ritter, Nickel Pflugk und Kunz von Kaufungen, mit einem Geschwader gepanzerten Reiter der bedrängten Stadt zu Hülfe, dieses konnte jedoch dem furchtbaren Angriffe des Böhmischen Fussvolks, welches Herzog Wilhelm in seine Dienste genommen hatte, nicht widerstehen, sondern wurde über den Haufen geworfen und in die Flucht geschlagen, Pflugk und Kaufungen aber mussten sich nach tapferer Gegenwehr den Böhmen gefangen geben, und Jeder 4000 Gülden Lösegeld zahlen. Da Nickel Pflugk als des Churfürsten Lehnsmann, Kunz von Kaufungen aber als Söldner die Anführung der Panzerreiter übernommen hatten, erstattete der Churfürst nur Ersterem das gezahlte Lösegeld zurück, worüber Kaufungen so entrüstet wurde, dass er dem Churfürst Rache schwur und nach bald darauf erfolgter Entziehung seiner ihn auf Zeit überlassenen Güter Kriebstein und Schweikershain dieselbe durch den bekannten Prinzenraub zu vollführen suchte. – Nickel Pflugk war im Jahre 1450 Amtshauptmann zu Leipzig, Borna und Groitzsch; und seine Gemahlin, Anna von Schleinitz, gebar ihm drei Söhne, von denen Andreas das Rittergut Gautzsch bis in die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts besass. Er starb 1543 und wurde in die Kirche zu Knauthain begraben, wo sein Leichenstein noch in neuerer Zeit zu sehen war.

Nach Andreas Pflugks Tode kam Gautzsch an dessen Sohn, Dam Pflugk, einen sehr gelehrten Mann, den der Kaiser Ferdinand I. an seinen Hof zog, ihn zum kaiserlichen Rathe ernannte und mit Ehren und Gnadenbezeigungen überhäufte. Da der Kaiser ihm mehrere Güter in Böhmen geschenkt hatte, so liess sich Dam Pflugk daselbst nieder und trat seine Sächsischen Güter an Valentin Pflugk, seinen jüngsten Bruder, ab, welcher mit einem Fräulein von Schönberg vermählt war, die ihm zwei Söhne schenkte. Diese beiden Söhne starben noch vor dem Vater und die Güter fielen nach Valentins Tode an Otto von Dieskau, der sich im Jahre 1593 mit Elisabeth Pflugk, aus dem Hause Frauenhain, vermählte. Ihm folgte im Besitze des Rittergutes Gautzsch Geissler von Dieskau, von dem es an Otto von Dieskau Churfürstlich Sächsischen Kammerherrn und Viceoberhofrichter sowie Obersteuereinnehmer in Leipzig überging, der 1683 in der Kirche zu Gautzsch begraben wurde. Nach ihm gehörte Gautzsch dem Churfürstlichen Kammerrath und Baumeister Wolfgang Jöcher, welcher viel für Gautzsch gethan hat. Er erbaute die noch jetzt stehende Kirche, die Mühle, den grossen Gasthof und die Wirthschaftsgebäude des Edelhofs, legte neue Fröhnerhäuser an, unternahm eine bedeutende Reparatur des Herrenhauses, und schuf einen prachtvollen Garten. Von Jöcher gelangte Gautzsch 1728 durch Kauf an den Rathsherrn und Kaufmann Theodor Oertel in Leipzig, welcher im Jahre 1734 in hohem Alter mit Tode abging, und das Gut seinem einzigen Sohne, dem Hof- und Justizrath, Oberhofgerichtsassessor und Rathsherrn Dr. Friedrich Benedikt Oertel, hinterliess, der 1748 starb. Seine Söhne veräusserten 1795 Gautzsch an den Kaufmann Johann Christoph Richter auf Rüben, von dem es jedoch schon 1799 durch Kauf an den Bergrath Herrn Johann Zacharias Schmidt gelangte.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/051&oldid=- (Version vom 21.5.2018)