Auch manche nicht durch Thäler und Hochland ausgezeichnete Gegend hat ihre vorzüglichen eigenthümlichen Reize, und wer durch Felsenhöhen und tiefe Schluchten ermüdet die freien fruchtbaren Ebenen unseres Vaterlandes betritt, hat die Empfindung, als vernehme er auf rauschende wilde Klänge den süssen Ton sanfter Harmonieen. Mit derartigen Gefühlen überschauen wir die anmuthige Ebene der Elster- und Pleisseniederungen, gesegnete Fluren, üppige von hellen Wellen durchströmte Wiesen, in frischem Grün prangende melodisch belebte Laubwaldungen, fruchtbare Obstbaumpflanzungen und freundliche wohlhabende Dörfer. Inmitten einer solchen anmuthigen Niederung liegt das Dorf Medewitzsch.
Medewitzsch ist ein alter von den Slaven gegründeter, am linken Ufer der Pleisse gelegener Ort, zwei Stunden von Pegau, vier von Leipzig, eine von Rötha und zwei von Borna entfernt. Es enthält fünfzig Feuerstätten mit etwa zweihundert fünfzig Einwohnern, darunter zwei Pferdegutbesitzer, dreiundzwanzig Häusler und vierundzwanzig Gartennahrungsbesitzer. Das Rittergut zeichnet sich durch schöne neue Gebäude und eine treffliche, sehr bedeutende Oekonomie aus.
Soweit die Nachrichten über Medewitzsch zurückgehen gehörte dasselbe in frühester Zeit den Herren von Ponickau, von welchen es zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts an die Familie von Uechtritz kam. Im Jahre 1537 ertheilte der Bischof Sigismund von Merseburg dem Ritter Götz von Uechtritz auf Hainichen, Lütschena, Freiroda und Medewitzsch und dem Pleban Conrad Kraft in Skeuditz auf bittliches Ansuchen ein kirchliches Unionsdekret für die Ortschaften Hainichen und Lütschena. 1550 gehörte Medewitzsch Margarethen von Uechtritz, 1584 Hannsen von Uechtritz, 1633 Wolf Rudolf von Uechtritz, der mit Sibyllen von Zschepplitz aus dem Hause Pomsen vermählt war, und 1674 Hans Christoph von Uechtritz. In neuerer Zeit gelangte Medewitzsch an die freiherrliche Familie von Streit, von der es im Jahre 1840 die verwittwete Frau Majorin von Streit, geborne von Wurmb besass. Der jetzige Eigenthümer von Medewitzsch ist der Freiherr Herr Ernst von Streit.
Die Kirche zu Medewitzsch ist ein altes, lange vor der Reformation errichtetes Gebäude, welches auf seinem Dache einen kleinen mit drei Glocken versehenen Thurm trägt. Die Glocken zeigen die Jahrzahl 1491 und eine von ihnen, die kleine, hat einen Sprung. Das Innere der Kirche ist für die Anzahl der Gemeindemitglieder völlig hinreichend und an den Emporen befinden sich bildliche Darstellungen aus der biblischen Geschichte. Mehrere alte Monumente aus den drei letzten Jahrhunderten erhalten das Andenken einiger längst in Staub zerfallenen Herren und Edelfrauen aus dem Geschlechte der Uechtritze, und ebenso hat sich das Bild eines 1602 hier gestorbenen Pfarrherrn, Friedrich Wenzels, erhalten, der von 1574 bis zu seinem Tode der hiesigen Parochie vorstand, die ersten noch vorhandenen Kirchenbücher anlegte und ein sehr geachteter Geistlicher gewesen zu sein scheint. Ausserdem besitzt die Kirche einen uralten, trefflich gearbeiteten und mit Schnitzwerk reich verzierten Altar, sowie eine 1680 erbaute Orgel, welche Hans Ulrich Petzschke, Bürger und geschworner Todtengräber zu Leipzig, hierher schenkte. Von den drei vorhandenen Legaten stiftete das von 200 Gulden 1674 Hans Christoph von Uechtritz und zwar der Art, dass von den jährlichen Interessen, welche das Rittergut zu zahlen hat, der Pfarrer die eine und der Schulmeister die andere Hälfte empfängt. Ein zweites Legat Zinsen von zwanzig Altschocken zahlt das hiesige Rittergut und das Vorwerk Lippendorf, jedes zur Hälfte unter dem Namen Seigergeld an den Schulmeister. Das dritte Legat, gestiftet 1708 von dem Bauer und Kirchenvorsteher Voigt zu Spansdorf, war ursprünglich zur Unterstützung armer Schulkinder bestimmt, hat aber in neuerer Zeit eine andere Verwendung gefunden. Es beträgt fünfzig Gulden und das Kirchenvermögen ungefähr tausend Thaler.
Die hiesige Pfarrkirche und Schule stehen unter der Inspection Pegau und Collatur des Rittergutsbesitzers. Eingepfarrt sind das Dorf Spansdorf und das nahe Vorwerk Lippendorf. Die Kirche zu Pulgar, eine halbe Stunde von hier entfernt, und Filial von Zwenkau ist zugleich als ein halbes Filial von Medewitzsch zu betrachten, indem der Pastor von Medewitzsch vermöge einer alten Stiftung in der Kirche zu Pulgar jährlich an gewissen Sonn- und Festtagen zusammen sechszehn Predigten zu halten hat. Die Parochie hat gegen hundert Schulkinder.
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/066&oldid=- (Version vom 21.5.2018)