Die alte Veste Rochsburg deckt den Gipfel eines etwa hundert Ellen hohen Berges, welcher aus den Höhen des linken Muldenufers schroff hervortritt. Der Strom ist hier ziemlich schmal und drängt sich um den Fuss des Schlossberges, wodurch ein von bedeutenden Berghöhen umgebener Kessel gebildet wird, den jedoch das Vorgebirge, auf dem das Schloss ruht, fast gänzlich ausfüllt. Die Berge sind nach der linken Seite hin mit dem Flecken Rochsburg und seinen Obstgärten, sowie mit herrschaftlichen Fluren und Buschholz bedeckt, während die rechts gelegenen Höhen mit ihren herrlichen Waldungen die unbeschreiblich reizende Aussicht vom Schlosse noch mehr vervollständigen. Die herrliche Lage des Schlosses Rochsburg lässt sich mit der des königlichen Schlosses Wesenstein vergleichen, doch liegt ersteres weniger einsam und wegen seiner grösseren Erhebung über den Fluss viel freier, ist aber trotzdem nur von wenigen entfernten hohen Orten, zum Beispiel dem Rochlitzer Berge und der Langenberger Höhe bei Hohnstein, sichtbar, weil die ringsumher liegenden Berge den Schlossberg überragen. Vor der Erfindung des Pulvers und selbst noch zu der Zeit, wo die Artillerie auf keiner hohen Stufe der Ausbildung stand, war die Rochsburg ein äusserst festes Schloss, dessen Widerstandsfähigkeit allerdings durch die Kunst bedeutend vermehrt wurde, denn tief in den Felsen arbeitete die Menschenhand feste Kasematten, sowie einen Graben über den eine Brücke nach dem inneren Thore führt. Ehe man indessen die Brücke, vormals eine Aufziehbrücke, erreicht, geht der Weg durch ein sogenanntes Rondel, einen runden mit hohen Mauern und Schiessscharten versehenen Vorhof. Das erste Schlossthor ist zum Theil aus dem Felsen gesprengt und führt zwischen dem eigentlichen Schloss und einem kleinen vom Castellane bewohnten Thurme in den Zwinger, welcher auf einer Seite von den ungeheuren Mauern des Schlosses, auf der anderen von einer Ringmauer mit bedecktem Gange und Schiessscharten begrenzt ist. Am Ende des Zwingers befindet sich das zweite Thor, durch welches man in den äusseren Schlosshof kommt, der grösstentheils von Oekonomiegebäuden umschlossen, nach ziemlicher Ausdehnung an dem Pulverthurme endigt. Westlich von diesem Hofe gelangt man nach dem eigentlichen inneren Schlosse und steigt auf einer breiten Treppe durch einen Flügel desselben hindurch in den inneren Hof. Das Schloss ist im Quadrat erbaut und enthält in drei Etagen die prachtvoll eingerichteten herrschaftlichen Wohnzimmer, mehrere zum Theil sehr alterthümliche Säle, die Schlosskapelle und den Hauptthurm, welcher rund und fast in der Art gebaut ist wie die Wartthürme auf den Schlössern Gnandstein und Scharfenstein. Durch eine 1582 im Schlosse ausgebrochene Feuersbrunst wurde auch der obere Theil des Thurmes zerstört, so dass er bis auf etwa sechzig Ellen abgetragen werden musste und ein haubenförmiges Schieferdach erhielt. Die im Jahre 1500 erbaute Capelle, in welcher der Ortspfarrer den Gottesdienst zu verrichten verpflichtet ist, woher er den Titel eines Hofpredigers führt, erlitt nach dem schon erwähnten Brande eine gründliche Restauration, zu welcher Zeit Adam Lorenz zu Freiberg auch die schöne Altartafel anfertigte. Die Capelle wird nur noch bei besonderen Gelegenheiten benutzt. Der erste Hofprediger, welcher 1576 sein Amt antrat, nicht aber zugleich auch das Pfarramt im Flecken Rochsburg verwaltete, hiess Held, und war ein tüchtiger Geistlicher, den man zu Lausigk als Flacianer removirt hatte. Er starb als Pfarrer zu Burgstädt. Bevor Held als Hofprediger auf die Rochsburg kam war der Dorfpfarrer zugleich auch Schlossprediger, durfte indessen nicht den Titel eines Hofpredigers führen, welche Auszeichnung Churfürst August erst um das Jahr 1560 aus besonderem Wohlwollen für den damaligen Besitzer des Schlosses, Wolf den Aelteren Grafen von Schönburg, dem Pfarrer der Schlosskapelle ertheilte. Graf Wolf von Schönburg hatte bei dem Churfürsten angesucht, dass der Hofprediger nur dem Superintendenten zu Chemnitz untergeordnet sein möge, der Churfürst aber bewilligte, dass er dem Superintendenten zu Rochlitz untergeben sei, welche Abhängigkeit indessen bereits 1588 wieder aufhörte. Die Kirche befindet sich im westlichen Theile des Schlosses der eine Schieferbedachung trägt und durch eine Anzahl verzierter Spitzgiebel ein stattliches Ansehen erhält. Der Hauptthurm und der viereckige Pulverthurm, welcher letztere nur etwa vierzig Ellen hoch ist, sind mit Blitzableitern versehen. Im Schlossgraben bemerkt man den Eingang zu einer Höle.
Das Schloss ist mit Gärten und bei aller Einfachheit herrlichen Spaziergängen umgeben, die bald frei bald in Laubgehölzen an den felsigen Rändern des Berges auf- und abwärts führen und dem Auge unaufhörlich die reizendsten Landschaftsbilder, indessen nirgends eine Fernsicht, bieten. Die letzten Besitzer des Schlosses haben auch einige benachbarte Berge durch einfache Anlagen zu trefflichen Spaziergängen umgeschaffen, doch ist nirgends eine kostspielige gartenkünstlerische Ausschmückung wahrnehmbar, indem man die richtige Ansicht hegte, dass hier die Gebilde der schöpferischen Natur nicht corrigirt, sondern in ihrer grossartigen Einfachheit erhalten werden müssten. Eine vorzüglich reizende Aussicht geniesst man von der einstigen Zugbrücke der Burg hinab auf die Mulde, das Wehr und die nahe Mühle. Ein an Naturschönheiten unbeschreiblich reich ausgestattetes Thal öffnet sich hier in der Richtung nach Lunzenau; von wahrhaft grossartiger Schönheit aber ist der zwischen Rochsburg und Penig gelegene Muldengrund. Hier hat der Muldenstrom in unzähligen kurzen Windungen das mit Schwarzwald bedeckte Gebirge durchbrochen und füllt das enge Thal, welches er durchfliesst, gänzlich aus. Die Berge ragen steil und gewaltig empor und von ihrer Höhe zeugen die Felsenwände, welche hier und da fast hundert Ellen aus dem Thalgrunde aufstreben. Kaum eine halbe Stunde von Rochsburg erhebt sich eine Gruppe solcher riesigen Felsen, welche an einzelne Parthieen des Plauenschen Grundes erinnern. Nicht weit davon ragt ein achtzig Ellen hoher Fels empor, an dessen Gipfel der Eingang einer Höle sichtbar ist, wie es denn hier überhaupt mehrere interessante Klüfte und Hölen, z. B. „die Amtsmannskluft“ und das „Brauseloch“ giebt. Unweit dieser Felsengruppen befindet sich ein Steinbruch, der sehr guten Granit liefert. Einige Bäche rinnen durch finstere, verwaldete in das Hauptthal auslaufende Seitenthäler,
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/075&oldid=- (Version vom 21.5.2018)