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„von Odeleben“ in den Freiherrnstand erhoben wurde und bis zu seinem im Jahre 1809 erfolgten Tode im Besitz von Riesa blieb. Seine 3 Söhne, unter denen sich auch der rühmlichst bekannte königl. sächs. Oberst, Freiherr v. Odeleben, befand, mussten jedoch im Jahre 1813 ihre Zahlungsunfähigkeit erklären und so kam das Rittergut Riesa abermals unter Sequestration. Im Jahre 1824 erstanden die Gebrüder Georg Ludewig und Ernst Robert, Freiherrn v. Welk auf Ober-Rabenstein, das Rittergut Riesa. Im Jahre 1826 trat der Erstere seinen Antheil an seinen jüngern Bruder ab und so befindet sich Riesa dermalen im alleinigen Besitz des Herrn Ernst Robert, Freiherrn v. Welk, k. s. Amtshauptmannes ausser Dienst, Mitglied der 1. Kammer der Ständeversammlung, Vorsitzenden der Stände des Meissner Kreises und Capitular des Collegiat-Stiftes zu Wurzen.

Das Ritterguts-Gehöfte in Riesa umfasst ein Areal von 8 Acker 234 Qu.-R. mit Inbegriff der dazu gehörigen Gärten und ist mit einer hohen Umfassungs-Mauer, noch eben so wie zu Zeiten des Klosters, umschlossen. Es besteht aus 3 verschiedenen Hofräumen, von denen der hinterste den eigentlichen Klosterhof bildete, der im Viereck von den alten Klostergebäuden umgeben ist, die jetzt zum Theil als Scheunen, theilweise zu Zwecken der Bierbrauerei und als Wohngebäude benutzt werden; nach Morgen zu stösst der Klosterhof an den Nonnengarten, der jetzt durch englische Anlagen geziert ist und von dem aus man noch sämmtliche Fenster der ehemaligen Kloster-Zellen in der Scheunen-Mauer wahrnimmt. Unter der nach Mitternacht gelegenen Scheunen-Ecke fanden sich im Jahre 1767, bei Ausräumung einiger mit Brandschutt angefüllten Keller, 14 menschliche, anscheinend weibliche, Skelette vor, von denen sich einige in knieender Stellung befanden. Man vermuthet, dass sich Nonnen in diese Keller geflüchtet hatten, während die Hussiten im Jahre 1426 das Kloster in Brand steckten. Als im Jahre 1851 unter derselben, nach Mitternacht gelegenen, Scheune ein grosser Lagerbier-Keller ausgegraben wurde, fanden sich, 6 Ellen unter dem Grund-Mauern der Scheune, im Sandboden, ebenfalls mehrere Skelette, unter andern auch das eines Kindes, und in einer Umgebung von Brandschutt mehrere Gefässe und Instrumente vor, die vermuthen liessen, dass an dieser Stelle eine Apotheke oder ein chemisches Laboratorium des Klosters gewesen sei. – Der mittlere Hof enthält die Bierbrauerei, ein neuerbautes Gewächshaus und Pferdeställe; als Malztenne dient jetzt das ehemalige, in seinem ausgezeichnet schönen Gewölbe noch vollkommen erhaltene, Refectorium. Der vorderste Hof, welcher zugleich die Einfahrt von der Stadt aus bildet, enthält das sogenannte Sommer-Gebäude, an welches, im rechten Winkel nach Morgen zu, die ehemalige Abts-Wohnung, mit einem kleinen schlanken Thurm versehen, anstösst. Der jetzige Besitzer hat das ehemalige spitze Schieferdach mit einer Platform vertauschen lassen, von der aus man eine reizende Aussicht, nicht nur auf den Ort Riesa, die Elbe, die Eisenbahn mit ihren grossartigen Strom- und Landbrücken, sondern auch eine vollständige Rundschau auf die Gegend hat. Das zweite Stockwerk dieser Abtei besteht aus einem grossen Saale mit Bogenfenstern, in denen sich noch viele Ueberbleibsel alter Malerei vorfinden. Aus dem erwähnten Hofe gelangt man, nach Morgen zu, vor das eigentliche Wohnhaus, welches zugleich die südliche Fronte des hintersten Hofes bildet und in unmittelbarem Zusammenhange mit der Kirche steht. Unter dem Altare dieser letzteren befindet sich das herrschaftl. Erbbegräbniss, welches die merkwürdige Eigenschaft besitzt, dass die Leichen darin nicht verwesen, sondern an Gesicht, Händen und Kleidungsstücken vollständig erhalten bleiben. Der jetzige Besitzer lies im Jahre 1827 zehn Stück der ältesten, meist zerfallenen Särge in einem, nach dem Nonnengarten zu gelegenen, Kirchengewölbe beisetzen, über die in dem Erbbegräbniss verbliebenen 23 Särge ein vollständiges Inventarium und genaue Beschreibung der Leichen und ihres Anzugs aufnehmen und sodann die Gruft wieder vermauern.

Während des, besonders durch eine grossartige Illumination, berühmten, Zeithayner Campements, im Jahre 1731, lag in Riesa das königl. preuss. Haupt-Quartier, und der Weg, welchen die preussischen Gäste vom Rittergute aus durch den sogen. Riesaer Busch einschlagen mussten, um über die Elbe nach Zeithayn zu gelangen, heisst noch jetzt „der Brandenburger Weg“.

Im Jahre 1837 wurden beim Umackern des sogenannten Trippeltamstückes, einer sandigen Höhe bei der Stadt, mehrere alte Urnen mit verbrannten Knochen, auch einige Spangen und Ringe gefunden, und man nimmt an, dass daselbst ein Begräbnissplatz der Sorben und Wenden gewesen sei.



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/012&oldid=- (Version vom 1.10.2017)