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Spitze des Walles gedrängt, und hier habe der Angegriffene sich mit der Fahne von dem Felsen hinabgestürzt. Durch einen glücklichen Zufall blieb der Fahnenträger bei seinem gewaltigen Sprunge unbeschädigt und brachte das treu beschützte kriegerische Kleinod glücklich in Sicherheit. Auf dem Hofe Scharfenbergs steht das steinerne Bild eines geharnischten Mannes mit dem Wappen der Miltitze im Schild, von dem der Volksglaube behauptet, es solle den muthigen Fahnenträger vorstellen. Bei dem Einfalle der Schweden im Jahre 1706 liess der damalige Burgherr, Alexander von Miltitz, hinter dem Schlosse Verschanzungen aufwerfen, Batterien errichten und sämmtliche Unterthanen bewaffnen.

Fast sieben Jahrhunderte hatte die alte Burg gestanden, als Haubold von Miltitz sie 1653 einer Reparatur unterwarf, die fast einem Neubau glich. Am 20. August 1783 wurde das Schloss von einem Blitzstrahl getroffen, wodurch dessen Hauptgebäude, mit ihm die herrliche Kapelle, niederbrannte und ein hoher Wartthurm zusammenstürzte. Am Eingange zur Burg stehen zwei runde, mit Schiessscharten versehene Thürme, zwischen denen die Zugbrücke lag, und ein runder Thurm, an den sich ein viereckiger anlehnt, enthält ein Burgverliess, so schaurig, wie sich nur die lebhafteste Phantasie es darzustellen vermag. Noch befindet sich im Schlosse ein weiter Rittersaal, unter welchem ein hohes, schmales Thor nach dem Hofe führt, einem länglichen Viereck, beschattet von drei Linden. Im linken Flügel ist die Gerichtsstube, das Archiv und die Wohnung des Gerichtsdieners. Das Gebäude, dessen Fronte nach Dresden hinschaut, enthält in seinen Souterrains noch jetzt gebrauchte Gefängnisse und einen aus dem Felsen gesprengten Pferdestall, sowie im ersten Stockwerk eine Anzahl sehr schöner, wohnlicher Zimmer. Die Ruinen der niedergebrannten Gebäude sind abgetragen, die Stätte, auf welcher einst die Kapelle stand, schmücken Blumen und Sträucher; Epheu und Immergrün umschlingen die Mauer; eine an ihr befindliche Inschrift aber, sowie der alte, mit Zierpflanzen umgebene Taufstein, verkünden, dass einst hier ein gewaltiger Thurm emporragte und fromme Gesänge ertönten.

Früher blühte hier der Bergbau, dessen Ursprung man wohl nicht mit Sicherheit in das neunte Jahrhundert versetzt, sondern der wahrscheinlich erst zu gleicher Zeit mit den Bergwerken zu Freiberg entstand. Im Jahre 1232 schenkte Kaiser Friedrich II. dem Bischof zu Meissen die hiesigen, sowie alle Bergwerke des Meissner Bisthums, und die Scharfenberger Gruben gewährten damals eine so reiche Ausbeute, dass 1236 die Kirche zu Neumügeln davon erbaut werden konnte. Wie schon oben bemerkt wurde, gab der Scharfenberger Bergbau Veranlassung zu Zwistigkeiten zwischen dem Meissner Bischof und Markgraf Heinrich dem Erlauchten, deshalb Letzterer sogar in den Bann verfiel; auch stand bis in die spätesten Zeiten den Bischöfen die Lehen und der Zehnte über hiesige Gruben zu. Wie einst von den Hussiten, so wurde auch im schmalkaldischen und im dreissigjährigen Kriege den Werken viel Schaden zugefügt, und im Jahre 1684 riss ein Wolkenbruch alle obern Halden auf die Elbaue hinab. Zu jener Zeit besass Scharfenberg noch ein besonderes Bergamt, das 1697 mit dem zu Freiberg vereinigt wurde. Mit dem Beginn des achtzehnten Jahrhunderts nahm man den Bergbau lebhafter auf und machte einige alte Gruben wieder gangbar, wodurch in einem Zeitraume von vierzehn Jahren sich eine Ausbeute von 27000 Thalern ergab. Bei einem 1769 niederstürzenden Wolkenbruche ersoffen sämmtliche Gruben, und acht Bergleute fanden dabei ihren Tod. Vor Kurzem noch arbeiteten einige Bergleute an einem Stollen, der in Reppina, am Fusse des Schlossberges mündet; viele alte beraste Halden aber und das Dörfchen Gruben, auch Berggemeinde genannt, erinnern an die Zeit, wo emsige Grubenleute nach Silbererz suchend in die Tiefe des Granitgebirges hinabstiegen.

Scharfenberg ist, nebst den Ortschaften Batzdorf, Reichenbach, Gruben, Riemsdorf, Repnitz, Pegenau, Reppina und einem Theile von Ullendorf, in die Kirche zu Naustadt eingepfarrt. Dieselbe ist ein altes, lange vor der Reformation entstandenes Gebäude, dessen hohen, schönen Thurm der Obersthofmeister von Miltitz 1717 aufführen liess. Unter dem Thum befindet sich ein Erbbegräbniss mit den Ueberresten der vormaligen Schlossherren und ihrer Angehörigen; der Generallieutenant Dietrich von Miltitz erbaute jedoch bei dem Tode seiner Gemahlin auf dem Friedhofe nahe bei der Kirche ein neues Familienbegräbniss, dessen in Marmor eingegrabene Inschrift seine ernste Bestimmung ausspricht, obgleich es einem lieblichen Garten gleicht. – Im Innern der Kirche sind mehrere in Stein gehauene Monumente der Miltitze aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert bemerkenswerth, darunter namentlich ein grosses, die ganze Wand innehabendes, aus Cottaer Sandstein, welches der Künstler genau nach dem berühmten Kunstdenkmal des Cardinals Richelieu in Frankreich herstellte. Im Jahre 1817 wurde die Kirche durch den Generallieutenant von Miltitz bedeutend verschönert und renovirt, wie denn überhaupt die edle Freigebigkeit der Miltitze dem Gotteshause zu Naustadt sehr oft zu Theil geworden ist, wovon im Innern der Kirche noch viele Zeugnisse dem Auge entgegen treten.

Wohl giebt es in unserem Sächsischem Vaterlande nur wenige Punkte, wo die bezaubernden Reize der Natur mehr überraschen könnten, als von der Höhe des altersgrauen Schlosses Scharfenberg. Vor sich erblickt man von hier aus die reichen fruchtbaren Felder und Wiesen des rechten Elbufers, eingeschlossen von dunklen Fichtenwaldungen oder steilen Weingärten; schmucke Dörfer und reizend gelegene Häuser tauchen aus dem freundlichen Grün hervor, während der majestätische Strom am Fusse des Schlossberges vorüber durch das liebliche Thal dahin strömt. Zur Linken erheben sich die stattlichen Thürme der alten Bischofsstadt Meissen und ihres ehrwürdigen Domes, während nach rechts das Auge weit über die Kuppeln der Königsstadt Dresden nach den fernen Gebirgen des Böhmerlandes hinüber schweift. – Als Scharfenberg gegründet wurde, deckten Eichwälder das Elbthal und seine Berge, wild tobte der Strom in ungezügeltem Laufe oftmals über seine Ufer – jetzt erblickt man überall das rüstige Wirken des menschlichen Geistes, sowie die Ordnung und den Frieden eines glücklichen, segensreichen Volkes.

Otto Moser, Redact.     



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/028&oldid=- (Version vom 29.10.2017)