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Bieberstein.


Am Einflusse der Bobritsch in die Mulde, eine starke Stunde südlich von der Stadt Nossen entfernt, erhebt sich auf einem steilen Felsenhange das Schloss Bieberstein. Zu ihm gehört ein doppeltes Rittergut und das Dorf Bieberstein mit einem Erbgerichte, einer Mühle, drei Bauergütern, sechs Halbhüfnern, drei Gärtnernahrungen und zweiunddreissig einzelnen Häusern. Die Einwohnerschaft besteht aus etwa dreihundertsiebzig Personen.

Ueber die Gründung von Bieberstein fehlen alle sicheren Nachrichten. Eine Tradition erzählt es habe einst in der Bobritsch eine grosse Anzahl von Biebern gehaust weshalb Jäger in die damals hier vorhandene Wildniss eindrangen und sich unter dem jetzigen Schlossberge ansiedelten. Der Umstand, dass die Kirche zu Bieberstein einen Bieber im Siegel führt, scheint allerdings für die Wahrheit eines Theiles dieser Sage zu sprechen, es ist jedoch aus verschiedenen Gründen wahrscheinlicher, dass die Ableitung des Ortsnamens von dem hier häufig vorkommenden Biebersteine abzunehmen sei, wie denn auch in den noch vorhandenen ältesten Urkunden über Schloss und Dorf Bieberstein die Benennung „zum Bieberstein“ gebraucht wird. Uebrigens lässt sich mit Gewissheit behaupten, dass Bieberstein nicht früher als im zwölften oder dreizehnten Jahrhundert entstanden, und folglich deutschen Ursprungs sei. In frühester Zeit, bis zum Jahre 1630, befanden sich hier zwei nahe beieinander liegende Schlösser, von denen jedoch jedes seine besonderen Fluren und Servituten hatte, bis Moritz von Schönberg durch Kauf beide Rittergüter vereinigte und das sogenannte Niederschloss abbrechen liess.

Bieberstein ist das Stammhaus der alten Familie der Marschälle von Bieberstein, welche als Besitzer der beiden Schlösser zuerst im vierzehnten Jahrhundert genannt werden, dieselben aber offenbar schon früher besassen. Die Biebersteine waren ein reichbegütertes Geschlecht, dessen Besitzungen hauptsächlich in der Umgegend von Freiberg und in den Lausitzen lagen. So gehörte ihnen bis zum Jahre 1551 die grosse Herrschaft Sorau. Als am 15. December 1551 Christoph von Bieberstein auf seinem Schlosse Friedland in Böhmen mit Tode abging, zog König Ferdinand die Herrschaft als ein eröffnetes Lehn an sich, indem er den Geschlechtsvettern erklärte, sie hätten im Jahre 1515 bei der damals stattfindenden Lehnsreichung die Mitbelehnschaft gebührend nachzusuchen verabsäumt. Alle Bemühungen der Biebersteine, die Herrschaft Sorau wieder an sich zu bringen waren vergeblich, indem der König sie dem Markgrafen Georg Friedrich von Brandenburg verpfändete und später dem Bischof zu Breslau Balthasar von Promnitz für 124000 Gulden verkaufte.

Auf dem oberen Schlosse zu Bieberstein starb der letzte Besitzer aus dem Geschlecht der Marschälle von Bieberstein, Christoph, im Jahre 1597, und das Gut gelangte an Dietrich von Truchsess, einen wilden jähzornigen Mann, der mit allen Nachbarn in stetem Unfrieden lebte und 1607 von seinem Leibknechte, während er ihn unverdient züchtigte, zu Krummenhennersdorf erstochen wurde. Nach ihm gehörte das obere Bieberstein Georg Friedrich von Truchsess, der 1624 starb und das Gut Moritz Heinrich von Hartitzsch hinterliess.

Niederbieberstein gehörte von 1560 bis 1591 Ernst Nicolaus Marschall von Bieberstein, von dem es an die reiche Freiberger Patrizierfamilie von Alnpeck gelangte. Die Alnpecke waren in der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts aus Ungarn nach Sachsen gekommen und hatten durch glücklichen Bergbau sehr bedeutende Reichthümer erworben. Sie bekleideten in Freiberg die höchsten Aemter und waren mit vielen angesehenen Adelsgeschlechtern eng befreundet und verschwägert. Johann von Alnpeck, Gemahl der einzigen Tochter Nikol Marschalls von Bieberstein, war der erste Alnpeck auf Niederbieberstein und besass dasselbe bis 1595, wo es durch Erbschaft an Melchior von Alnpeck kam, der 1622 mit Tode abging. Er hinterliess das Gut einem Sohne, Johann von Alnpeck, der 1630 es an Moritz von Schönberg, aus dem Hause Oberschönau, verkaufte. Dieser Moritz von Schönberg kaufte von Heinrich von Hartitzsch auch das Oberschloss und vereinigte somit beide Rittergüter; das Niederschloss aber liess er abbrechen. Moritz von Schönberg hatte nur eine Tochter, die an einen Herrn von Metsch auf Kreischa vermählt, aber bei des Vaters 1651 erfolgtem Tode bereits ohne Leibes- und Lehnserben verstorben war, somit kam das vereinigte Bieberstein an Nickel von Schönberg, des vorigen Besitzers Bruder, der 1656 in der Kirche zu Bieberstein seine letzte Ruhestätte fand. In demselben Jahre gelangte das Gut an Gotthelf Friedrich von Schönberg, churfürstlicher Durchlauchten zu Sachsen, Johann Georgs II. III. IV. Geheimerath, Appellationsgerichtspräsidenten, Kammerherrn und Obersteuereinnehmer, Herrn auf Lockwitz, Tristewitz, Trebitz und Leupnitz, einen Mann, der sich um Gemeinde

     Meissener Kreis, 6tes Heft, oder 28tes der ganzen Folge.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/062&oldid=- (Version vom 29.10.2017)