Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section | |
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Von seinen Kindern lebt der Aeltere als Advocat in Dresden, der Jüngere als Auditeur ebendaselbst. Die älteste Tochter war an den Kaufmann Haussner in Pirna verheirathet, eine andere an den früheren Bürgermeister Ritterstädt in Pirna und die jüngere an den Advocaten Gaudig daselbst.
Das Gut Rottwernsdorf verkaufte Dr. Tischer noch bei Lebzeiten an den Inspector Leuteritz auf Gamig und Herrn Kleeberg zu Rottwernsdorf. Von Letzterem übernahm es im Jahre 1852 Herr Julius Robert Leuteritz allein, welcher solches jetzt noch besitzt.
Das Schloss Rottwernsdorf lässt sich mit Recht zu den Burgen zählen, da ihm der Wallgraben, die Ziergiebel, der Thurm ein ziemlich alterthümliches Ansehen geben.
Von diesem Schlosse werden schreckliche Gespenstergeschichten erzählt. Zu gewissen Zeiten soll des Nachts eine verschleierte Dame herum gehen; auch ein Ritter mit versenktem Visir soll bisweilen sichtbar sein. Herr Dr. Tischer, als Besitzer des Gutes, hat diesen Aberglauben unter dem Volke so viel als möglich zu entfernen gewusst, allein trotz dem gehen noch eine Menge andere Sagen im Munde des Volks um.
Der zum Schlosse gehörige Garten war einst berühmt. Auch jetzt noch ist derselbe sehenswerth.
Zum Gute gehört auch eine vortreffliche Schäferei, grosse Ziegel- und Kalköfen und schöne Steinbrüche, in welchen der feinste, zur Bildhauerarbeit geschickteste Stein gebrochen wird, woraus die Ortsbewohner guten Verdienst haben.
In Bezug auf diese Steinbrüche existirt von einem Rottwernsdorfer Bauer eine recht lustige Anecdote: Letzterer stand vor den Statuen auf der Katholischen Kirche und betrachtete solche lange. Vorübergehende wurden darauf aufmerksam und fragten ihn, warum er eigentlich so lange nach den Statuen sehe? Da gab derselbe die drollige Antwort: Diese steinernen Männer sind alle meine Landsleute. Damit wollte dieser Bauer weiter nichts sagen, als die Steine dazu wären sämmtlich aus den Rottwernsdorfer Steinbrüchen.
Unter den im Orte befindlichen 30 Häusern befinden sich 4 Hufengüter, 3 Gartennahrungen und 2 Mühlen. Die Gottleube, woran der Ort liegt, ist ein Forellenreicher Bach.
Ausserdem gehörten zum Rittergute noch Antheile von Gös oder Goos und das Dorf Krietzschwitz mit weit sichtbarem Gasthause an der Schneeberger Strasse; ebenso gehörte das Dorf Neundorf oder Naundorf reizend an den beiden Ufern der Forellenreichen Gottleube gelegen, zur Gerichtsbarkeit von Rottwernsdorf.
Was die Schiksale dieses Rottwernsdorf in früheren Zeiten betrifft, so sind darüber wenig Nachrichten vorhanden. Im Jahre 1804 hat der Gottleubebach durch sein Austreten grossen unsäglichen Schaden angerichtet. Die Gösserbrücke und die nach den sogenannten Schindergraben führende wurden gänzlich zerstört. Der Wasserstand war höher, als der im Jahre 1750 und 1771.
Alle Felder und Wiesen und selbst die Strasse von hier bis Pirna war zerrissen.
Im Kriegsjahre 1813 hat der Ort viele Drangsale zu ertragen gehabt, indem derselbe mehr als 6 Retiraden von verschiedenem Militär, und ausserdem Einquartirung, Raub und Plünderung aushalten musste, wodurch die Einwohner sehr verarmten.
Seit dem Monat Mai 1840 ist von Rottwernsdorf nach Pirna eine neue Kunststrasse angelegt.
Der Ort ist nach Pirna eingepfarrt, nicht wie einige Topographien angeben nach Grosscotta. Die Hauptkirche in Pirna, welche bereits in Urkunden von 1200 als eine Kapelle vorkommt, gehört zu den schönsten Denkmählern der gothischen Baukunst und hat mit der ehemaligen Kreuzkirche Dresdens die grösste Aehnlichkeit, ja sie soll sogar von einem und demselben Baumeister herrühren. Früher befand sich in derselben ein Bildniss des Ablasskrämers Tezel, ein geschmackloses Wandgemälde auf einem der Kanzel gegenüber befindlichen Chor. Da man früher Pirna für Tezels Geburtsort hielt, so verewigte man deshalb sein Andenken spöttisch durch folgende Sudelei: Tezel sass neben dem Ablasskasten auf einem Esel und sprach zu dem versammelten Volke in Versen, die unter anderem verkündigten, dass er 110,900 Karren Gnade und Ablass bringe, mit der Versicherung: „Sobald der Gulden im Becken klingt, im Huy die Seele im Himmel sich schwingt.“ In der Rechten hielt er ein Täfelchen mit den Worten: „Leg ein, leg ein, leg ein“ und unterm linken Arm ein Gebund Fuchsschwänze. Den Eselsschwanz zierte ein Schild mit den Worten: „Ablass, Ablass, Ablass!“ und um seinen Kopf flog ein Schwarm von Ungeziefer aller Art. Ein solches Gemälde
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/200&oldid=- (Version vom 17.1.2018)