Seite:Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV.djvu/086

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und um den ersten Feiertag hoher Feste, den Charfreitag, das Reformationsfest und die Busstage kirchlich zu begehen waren die Oberschaarer gezwungen sich nach Krummenhennersdorf zu wenden, wo sie in der Mutterkirche eine Anzahl Stände besassen; desshalb trafen beide Gemeinden im genannten Jahre einen Vergleich nach welchem der Frühgottesdienst in beiden Kirchen abwechselt, Oberschaar aber seine Ansprüche an die Krummenhennersdorfer Stände aufgegeben hat. Die Schule, welche unter Collatur des Rittergutes Oberschaar steht, besuchen durchschnittlich sechszig Kinder, wobei auch die des neuangebauten Oertchens Neuoberschaar befindlich sind. Am Ende eines zum Rittergute gehörigen Grundstücks, die Schenkhalbehufe genannt, hat der Hauslehrer des Gutsherrn mit seinen Zöglingen eine niedliche Anlage geschaffen, welche, natürlich in verkleinertem Maassstabe, das Bild der berühmten Bastei vergegenwärtigt und zu den hübschesten Punkten des Bobritzschthales gehört.

O. M.     




Linda
bei Freiberg.


Linda liegt anderthalb Stunden südwestlich von Freiberg und drei Viertelstunden nordwestlich von Brand, theils mit St. Michaelis zusammenhängend, theils an einer Anhöhe und in einem Grunde hingestreut, auf dem linken Ufer der Striegiss, die sich hier mit dem Michelsbache vereinigt und am Fusse einer Abdachung hinströmt, von der man einen Ueberblick des stattlichen Rittergutes Linda geniesst. Einen Büchsenschuss weiter findet man das schönverzierte Mundloch des Thelenberger Stollens, dessen Abfluss dem Wasser der Striegiss eine graue Farbe mittheilt. Noch weiter herab in dem nordwestlich und nördlich gekrümmten Thale liegen einsam, aber höchst romantisch, zwei Mühlen, Vorder- und Hintermühle genannt, von denen eine 1822 abbrannte; auch gehört hierher ein noch entfernteres Gütchen. Nordöstlich ist die Flur von dem hochgelegenen Spitalwalde begrenzt. Das Dorf besteht, mit Einschluss des Zechhauses aus achtundsechszig Feuerstätten und fast sechshundert Einwohnern, von denen eine grosse Anzahl Bergleute, und namentlich bei der berühmten Grube Himmelsfürst beschäftigt sind. Vor der Reformation stand zwischen Linda und Oberschöna eine Kapelle, welche später abgebrochen und in Linda errichtet wurde. Zugleich baute man an dieselbe das Wohnhaus des Schullehrers, so dass dieses geistliche Gebäude, dessen Dach ein Thürmchen schmückt, mit seinen hohen Kirchenfenstern auf der einen und sieben kleinen Stubenfenstern auf der andern Seite einen eigenthümlichen Anblick gewährt. Die Kapelle benutzt der Schullehrer als Unterrichtslokal, auch hat er hier sonntäglich Betstunden abzuhalten, zum Kirchweihfeste aber hält der Pfarrer zu Oberschöna hier vollständigen Gottesdienst mit Predigt, (obgleich er die Kirchweihpredigt in der Mutterkirche zu halten berechtigt ist) und zweimal jährlich findet in der Kapelle Abendmahlsfeier, namentlich zur Bequemlichkeit alter, schwacher Ortsangehörigen, statt.

Linda entstand im zwölften Jahrhundert durch eingewanderte Brandenburger, welche der neuentdeckte reiche Bergsegen hierher gelockt hatte. Wahrscheinlich befand sich in der Nähe der Ansiedelung eine Gruppe alter Lindenbäume, welche dem Orte seinen Namen gaben. Das hiesige Rittergut besass schon im dreizehnten Jahrhundert ein Brandenburgisches Adelsgeschlecht, die Ruilicke oder Rülcke, welche sich nach dem Gute Herren von der Linde nannten. Jobst Ruilke von der Linde gehörte zu den treuesten Anhängern Markgraf Friedrichs mit der gebissenen Wange und war 1307 dessen Rüstmeister. Im Jahre 1355 geschieht eines Ludolph Ruilke Erwähnung, der dem Johannishospital zu Freiberg das Zinsgetreide eines Gutes zu Linda überliess. Hans Ruilke zur Linda lebte hier 1405 und Jakob Ruilke fiel in der Hussitenschlacht bei Aussig. Auch im Bruderkriege kämpfte ein Hans Ruilke im Heere des Churfürsten und wurde mit Kunz von Kaufungen und Nikol Pflug in dem

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/086&oldid=- (Version vom 21.5.2017)