Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section | |
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des Altenburger Prinzenraubes zersprang und später mit einer Abbildung der Befreiung des Prinzen Albrecht, auf Kosten des Kurfürsten, hergestellt wurde, 1535 aber wiederum zersprang und 1539 umgegossen worden ist. Es befinden sich auf ihr die Brustbilder Herzog Heinrichs des Frommen und sechs anderer Personen. An der Nikolaikirche lehrte von 1639 bis 1650 der originelle Pfarrer Hollenhagen, von dem schon erwähnt wurde, dass er Schwedischer Feldprediger gewesen war und dadurch der Stadt manchen guten Dienst leistete. Durch Kriegsunruhen und Seuchen waren des Pfarrers Einkünfte dergestalt zurückgeblieben, dass er eine Forderung von 3285 Gulden an die Gemeinde stellte, wobei auch baare Darlehen sich befanden. Da man ihm keine Zahlung leistete, glaubte sich Hollenhagen berechtigt, das Malz- und Brauhaus zu verschliessen und die Rathsgefälle selbst einzunehmen. So kam es zu einem langwierigen Processe, der zu Gunsten des Pfarrers ausfiel und der Gemeinde 100 Thaler Kosten verursachte, die ihm auch Wald und Brauhaus verpfänden musste. Der übermässige Holzschlag, welchen der Pastor wegen der niedrigen Holzpreise zu seiner Bezahlung vornehmen liess, führte eine Beschränkung desselben auf ein gewisses Quantum herbei. Jetzt schimpfte Hollenhagen auf Consistorium, Ephorus und Stadtrath so rücksichtslos, dass man ihn removirte, worauf er die Kirchenkelche an sich nahm und die Kanzel mit Gewalt erzwingen wollte, so dass man ihn in der Nacht zu verhaften suchte, welcher Gefahr der Pfarrer durch die Flucht nach Leipzig entging; hier aber legte man ihn in Ketten und brachte ihn nach Dresden, wo er jedoch bald aus dem Kerker entkam. Er starb 1663 zu Berlin.
Hollenhagens Geschichte ist hauptsächlich deshalb von Interesse, weil darin ganz eigenthümliche Anschuldigungen vorkommen. So soll er einen goldenen mit Edelsteinen besetzten Kelch den Juden für 172 Thaler verkauft haben und der alte Küster behauptete, dass von einem mit Perlen gestickten Messgewande hundert Perlen fehlten, welche sich in des Pfarrers Besitze befänden. Ferner wird erzählt, Hollenhagen habe sämmtliche Privilegien und Urkunden der Stadt und der Kirche auf dem Marktplatze zusammengetragen, sie angezündet und sei dann mit einer Trommel lärmend um das Feuer herumgesprungen. Diese Beschuldigungen sind offenbar übertrieben. Neuerdings aufgefundene Nachrichten enthalten ein Zeugniss von 1644, worin zwei Rathsherren, vier Stadtälteste, fünfundachtzig Bürger und der Zehntner mit ihres Pfarrherrn Amt und Wandel volle Zufriedenheit aussprechen, und es dankbar rühmen, dass er die Stadt oft vor den Soldaten beschützt mit eigener Lebensgefahr. Ebenso rühmt der Bergmeister Blumenhöfer in einem Attestat von 1646 seine freigebige Beförderung des Bergbaus und dass er 572 Thlr. 17 Gr. 69½ Pf. Recess auf seinen Zechen habe. Ohne Zweifel hatte Hollenhagen viele Feinde, die wahrscheinlich durch die Aufbringung der oben erwähnten hundert Thaler noch mehr gereizt ihn unbillig schmähten. Auf jeden Fall besass der Pfarrer einige Soldatenmanieren, die ihn rasch und wohl auch etwas rücksichtslos handeln liessen, als er, bis zum Aeussersten getrieben, sich in Besitz des Seinigen bringen wollte.
Eingepfarrt nach Geyer sind das Rittergut Geyersberg, der Schützenhof, die Häuser des Pochwaldes, das Roschersche Vorwerk, das Vitriolwerk, das Chausseehaus an der Zwönitzer Strasse und das Haus an der Mühlleite. In Geier befindet sich auch noch eine Hospitalkirche.
Die Herrschaft Lichtenstein, unstreitig eine der ältesten Schönburgischen Besitzungen, grenzt nördlich an die Herrschaften Waldenburg und Glauchau, östlich an die Aemter Stollberg, Grünhain und das Gericht Oelsnitz, südlich an die niedere Grafschaft Hartenstein und westlich an die Aemter Wildenfels und Zwickau. Die grösste Länge derselben beträgt in der Richtung von Westen nach Osten drei und eine halbe Stunden, die Breite von Süden nach Norden hingegen kaum zwei Stunden. Berge und Anhöhen sind: der Schlossberg, Chemnitzer Berg, Galgenberg und Mülsnerberg bei Lichtenstein; namentlich aber geniesst man eine herrliche Aussicht in das Voigtland und die westlichen Gegenden von dem Pfaffenberge bei Ernstthal. Die bemerkenswerthesten Waldungen befinden sich zwischen Gersdorf, Hohndorf und Bernsdorf, auch ist das Mühlholz und der Eisenberg zwischen Kuhschnappel und Russdorf zu erwähnen. Der Neudörfler Wald und das Burgholz liegen südwestlich von Callnberg, der Stadtwald zwischen Lichtenstein und Bernsdorf und der Streitwald zwischen Lössnitz und Stollberg. – Der vorzüglichste Bach ist die sogenannte Lungwitz, welche sich mit dem Erlbach, dem Gersdorfer Bach, Bernsdorfer Bach und der Rödlitz vereinigt und oft über ihre Ufer tritt, sowie der Mülsner Bach, der, wie auch die Lungwitz, in die Mulde fällt. Der Boden der Herrschaft Lichtenstein ist bergig und war vormals sehr bewaldet, jetzt sind die Thäler und Ebenen fruchtbar und trefflich zum Feldbau geeignet. Auf den Dörfern wohnen viele Strumpfwirker.
Die Herrschaft Lichtenstein wird schon im zwölften Jahrhundert als Reichslehn, seit 1212 aber als böhmisches Lehn erwähnt, bis sie durch den Recess von 1740 in den sächsischen Lehnsverband überging. Den Namen Lichtenstein nennt zuerst eine Urkunde von 1212, wo Kaiser
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/136&oldid=- (Version vom 11.6.2017)