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Auf der Südostseite des oberen Dorfendes ragen am Thalberge einige Klippen hervor. Weiter im Süden, dem Dorfe Oberschöna nahe, liegen die Halden des Johannes und des hohen Neujahrs. Nächst der Landwirthschaft, treibt ein Theil der Ortsbewohner Woll- und Leinspinnerei. Auch giebt es hier einige Bergleute, die auf der ¾ Stunde nordwestlichen Hoffnung Gottes und auf Zechen bei Braunsdorf Arbeit finden.

In den frühesten Zeiten zinste der Ort an das Magdalenenkloster zu Freiberg 10½ Scheffel Korn und 40 Scheffel Hafer, hat aber demselben nicht mit Gerichten gehört. Die erste uns bekannt gewordene Familie als Besitzerin dieses Gutes ist die Familie von Hartitzsch. Von Melchior Caspar von Hartitzsch kam die Besitzung an die von Berbisdorf auf Forchheim. Durch Verheirathung eines Fräulein auf Berbisdorf mit einem Herrn von Schönberg kam dann Wegefarth im 17. Jahrhundert an das Geschlecht derer von Schönberg und seit dem 18. Jahrhundert an die von Schönberg von der Wingendorf’schen Linie. Bis 1820 besass das Gut der Johannitterritter und Major Maximilian von Schönberg auf Börnichen, Wingendorf mit Hainichen und Wegefarth. Im Jahre 1830 kaufte Wegefarth ein gewisser Herr Mühle, der jetzige Besitzer ist aber Herr Fr. Müller.

Die nahe liegende Kirche des Dorfes Wegefarth ist Filia der zu Oberschöna und hat eine Silbermann’sche Orgel. Unter den Geistlichen von Oberschöna mit Wegefarth ist vorzüglich das Schicksal des M. Johann Pezold bemerkenswerth.

An einem Sonntage des Jahres 1632 nach dem Frühgottesdienst in Oberschöna verbreitete sich auf einmal der Schreckensruf: „Kroaten kommen“. Die Gemeinde floh hastig nach Hause und von da wieder fort gegen Freiberg. Auch dem Pastor blieb nichts übrig, als unverzügliche Flucht, die er zu Fuss nach Freiberg hin versuchte, wo seine Gattin und Kinder bereits in Sicherheit sich befanden. Aber schon in einem dem Dorfe noch nahen Birkengebüsche, erreichten ihn die nachsetzenden Croaten, und ein junger, roher Barbar drückte nach einigem Wortwechsel, auf den Unbewehrten ein Pistol ab, dessen Kugel, die Kinnlade des Getroffenen zerschmetterte und im Halse stecken blieb.

Menschlichen Gefühles säbelte ein alter Schnurrbart den Mörder sogleich nieder und ermunterte zu weiterer Flucht den Prediger der mit schwer verwundetem Blutgesicht, in der Hand die Zähne tragend, bis nach Freiberg wankte, wo er, nach dreissigwöchentlicher schmerzvoller Kur, in der Domkirche eine Dankpredigt hielt.

Der so schwer Geprüfte lebte nachmals noch 32 Jahre und hatte nie auf der Kanzel einen Stuhl oder eine Brille nöthig. Am Pfingstfeste 1665 nahm er in der Kirche zu Oberschöna, wie in deren Filia zu Wegefahrt, von seinen Gemeinden unter Segnungen öffentlichen Abschied, reisste Donnerstags darauf zu seinem Sohne, dem Pastor in Galenz, wo er in Gesellschaft mehrerer Prediger Todesbetrachtungen anstellte.

Er starb im 77. Jahre seines Alters, nach 48jähriger Amtsführung.

Wegefahrt, Börnichen, Wingendorf mit Hainichen, als 3 besondere Rittergutsbezirke, stossen so zusammen, dass sie vereint eine Herrschaft darstellen können und begreifen, ohne das abgelegene Hainichen, an 3000 Bewohner.

Im Südosten von Oberschöna erreicht das Gebirge, welches von Kleinschirma, also aus Norden hierher sanft ansteigt, seine grössste Höhe und fällt dann steil gegen den Michelzer Grund ab. Hier zeichnet sich besonders der Spitzberg durch einige Felsen des reinsten, weissen Quarzes aus, welche an seiner Kuppe zu Tage ausgehen und gewiss ebenso gut, als die ihnen ganz ähnlichen Quarzfelsen auf dem weissen Flinz (am schlesischen Riesengebirge) auf Glas zu benutzen sein würden.

Auf früheren Karten ist Oberschöna zu lang und nicht mit Wegefahrt zusammenstossend gezeichnet.

M. G.     



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/222&oldid=- (Version vom 3.6.2018)