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sind und über 40 Acker Feldes besitzen, ferner ein grosses und schönes Erblehengericht mit Wirthshaus und Kalkofen, 2 Mühlen und 2 Oelmühlen, mehre Flachsbrechhäuser. Den Haupterwerb giebt die Viehzucht und der Feld- besonders Flachsbau; doch wohnen auch viele Handwerker hier, unter welchen vorzüglich die Tischler sich auszeichnen durch ihre elegante Arbeit.

Die Schicksale des Ortes anbetreffend, so raffte im Jahre 1582 die Pest viele Menschen hinweg; doch grösser noch war die[WS 1] Sterblichkeit im 30 jährigen Kriege. Soldaten von den kaiserlich Holk’schen Horden mordeten hier und brannten fast das ganze Dorf nieder; was ihnen aber durch Flucht in die Städte entging, das raffte die Pest hin, die durch Taub’sche Soldaten hierher gebracht wurde. Vorzüglich waren die Jahre 1631, 1632 und 1640 für den Ort von den verderblichsten Folgen, indem in den beiden ersten Jahren hier gegen 700 Menschen theils von jenen Kriegern getödtet wurden, theils an der Pest starben, so dass nur 6 Ehepaare übrig blieben. Lange Zeit konnte der Ort, der durch aus den böhmischen Walddörfern Eingewanderte allmählig wieder bevölkert wurde, die Wunden dieses Krieges nicht verwinden; denn noch nach fast 60 Jahren waren von den in jener Zeit eingeäscherten Wohnungen über 20 Häusser noch nicht wieder aufgebaut.

Viel Ungemach und grosse Noth hatte auch die hiesige Einwohnerschaft im Jahre 1813 zu ertragen. Viele Wohnungen wurden in diesem Jahre ein Raub der Flammen.

Der jedesmalige Besitzer von Voigtsdorf übt auch das Recht der Besetzung der Geistlichen und Schulstelle.

Die kleine, aber freundliche Kirche steht in der Mitte des Dorfes auf einem Hügel, den im Süden ein aus den Oberzethauer Büschen kommendes Bächlein netzt. Dieselbe ist in den Jahren von 1780–1782 reparirt und erweitert.

Die früher in der Kirche befindlichen Denkmäler der Familie von Hartitzsch sind seit diesem Baue aus der Kirche geschafft und befinden sich jetzt auf dem Kirchhofe.

Nicht weit von diesen Leichensteinen hat der verstorbene kurfürstlich Sächs. Hofjäger und Förster Ehregott Gotthelf Friedrich Michaelis zu Altendorf bei Chemnitz seinen Aeltern (welche das hiesige Erblehngericht besassen) und seinem Bruder ein Denkmal gesetzt, zugleich aber auch der Kirche 300 Fl. vermacht, wovon die jährlichen Interessen nach gehaltener Stiftungsrede unter hiesige Arme vertheilt werden.

Die Pfarrwohnung ist seit dem Jahre 1795 restaurirt, sowie auch die Schule.

Letztere besuchen 200 Kinder.

In der Nähe von Wolfsgrund, welches auf Voigtsdorfer Grund und Boden ursprünglich angelegt wurde, erhebt sich der grosse Leitsberg im Nordosten und der Steinbusch gegen Süden, von wo aus man eine herrliche Aussicht nach Frauenstein, dem Gränzgebirge u. s. w. geniesst.

Unter dem Dörfchen sind die Ruinen der Dorf-Chemnitzer Kalkbrennerei und am Bächlein, welches bei der Schaafbrücke die Chemnitz erreicht, findet man Schörl- und Magneteisenstein-Stufen, sowie zahlreiche Spuren ehemaligen Bergbaues.

Woher der Ort seinen Namen entlehnt hat, ist schon bei der Beschreibung von Dorf-Chemnitz erwähnt worden und bedarf hier keiner Wiederholung.

Voigtsdorf gehört jetzt mit Wolfsgrund zum Gerichtsamte Saida, zum Bezirksgericht Freiberg, zur Amtshauptmannschaft Freiberg, zum Regierungsbezirk Dresden.

Voigtsdorf hat eine Häusserzahl von 195 mit 288 Familienhaushaltungen und 1182 Einwohnern.



Anmerkungen (Wikisource)

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Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/225&oldid=- (Version vom 3.6.2018)