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Thurm


früher wahrscheinlich Mülsen St. Urban und erst seit dem 14. Jahrhundert der Torm genannt, liegt im schönen Mülsengrunde 1½ Stunden nordöstlich von Zwickau, 1¼ Stunde westlich von Lichtenstein und eben so weit südlich von Glauchau. Der mülsner Bach fliesst hier in breiterem Wasserbette und zwischen niedrigeren Ufern, als in Mülsen. Der Ort liegt zusammenhängend mit Stangendorf östlich, mit Niedermülsen westlich und dehnt sich über eine halbe Stunde lang von Südosten nach Nordwesten aus. Südlich grenzt es mit den Fluren von Auerbach, Judenhain und Schneppendorf, nördlich an die Rumpfwaldung und Voigtlaide.

Das hiesige altschriftsässige, mannlehnbare Rittergut gehört unter die Fürstlich und Gräflich Schönburgische Lehnscurie und die Besitzer desselben sind Schönburgsche Vasallen.

Das dasige Schloss ist ein sehr alterthümliches Gebäude und wie die Abbildung darthut mit einem Thurme versehen. Dem Ansehen nach wurde es anfänglich in Form eines Kreuzes erbaut. In früheren Zeiten war es mit Wall und Mauern umgeben; letztere wurden in späteren Zeiten abgetragen, vom Walle ist nur noch ein kleiner Theil übrig. Das Schloss ist mit Blitzableitern versehen.

An das Schloss stossen schöne Obst- und Gemüsegärten mit einem Gartensaalgebäude, worinnen noch 1790 und auch später noch ein Casino für gesellschaftliche Vergnügungen der Gebildeteren aus der Umgegend bestand.

Zum Rittergute gehören beträchtliche Felder und Wiesen, auch schöne Waldungen, in Schwarz- und Laubholz bestehend, eine grosse Schäferei, wohleingerichtete Brauerei und Brennerei. Auf der rechten Seite des Mülsenbaches übt es die hohe, mittle und niedre, auf der linken Seite des Baches nur die niedere Jagd. Vor der Ablösung hatten die Unterthanen dem Rittergute Pferde- und Handfrohndienste, Geld- und Getreidezinsen und Lehngelder zu entrichten.

Die Ober- und Untergerichte über den grösseren Theil von Niedermülsen, einen Theil von Seifertitz, von Waldsachsen, von Wernsdorf und über das Dorf Wulm stehen ebenfalls dem Besitzer von Thurm zu, welche natürlich jetzt noch ausgeübt werden, da in dem Schönburgischen Lande das neue Organisationsgesetz bezüglich der veränderten Gerichtsverfassung von Sachsen nicht eingeführt ist.

Dann gehört dem hiesigen Rittergute mit dem Rittergute Mosel in Gemeinschaft auch der grösste Theil des Dorfes Niederschindmaas mit eignen Gerichten, da dieses früher ein Zeitzer Lehn war.

Auserdem besitzt das dasige Rittergut auch ein kleines Vorwerk, das in dem benachbarten Niedermülsen liegt.

Die eigentlichen Begründer des dasigen Schlosses sollen einer Sage nach die Tempelritter gewesen sein, was wohl auf einer Verwechselung mit den deutschen Ordensherren auf dem Comthurhof Zschillen (Wechselburg) beruhen mag. Von 1382 war Thurm Zubehör der Herrschaft Lichtenstein; von welcher es im gedachten Jahre durch Kauf an die Herrschaft Glauchau gelangte.

Als Schönburgische Vasallen und Afterlehnsträger finden wir dann 1411 die von Mockau im Besitz des Rittergutes, bis dasselbe nach dem erblosen Absterben Heinrichs von Mockau 1489 an die von Weissenbach oder Weissbach überging, bei welchem Geschlechte es bis zum Jahre 1816 verblieb, worauf es 1817 die Gebrüder Freiherren Friedrich und Wilhelm von Kotzau acquirirten, welche der weitverzweigten Familie in Bayern angehören.

Der derzeitige Besitzer ist F. H. E. Freiherr von Kotzau, welcher zugleich Collator über die dasige Kirche ist, welche unter der Inspection Glauchau steht.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/284&oldid=- (Version vom 17.8.2017)